Chemisch gereinigte Weihnachten

An Weihnachten kommt es ja zur großen Geschenkeschlacht. Im Nachgang dazu habe ich noch etwas gelesen und bin dabei auf ein böse satirisches Gedicht von Erich Kästner gestoßen, das „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“.

Jeder kennt das Weihnachtslied „Morgen, Kinder, wird’s was geben“, wofür Martin Friedrich Philipp Bartsch als Verfasser gilt. Dieses Lied hatte Erich Kästner zur Zeit der Weimarer Republik umgedichtet, um auf den Missstand aufmerksam zu machen, dass gerade zu Weihnachten den Kindern deutlich wird, wie schlimm die Schere zwischen arm und reich klafft. Die einen Kinder bekommen große Geschenke, die anderen nichts.

So schlimm sind die Zustände im heutigen Deutschland ja nun nicht mehr. Aber auch heute gibt es bei uns viel Armut, und auch heute bekommen einige Kinde sehr viele oder sehr teure Geschenke. Andere Kinder, deren Eltern von Hartz IV leben müssen, bekommen nur eine Kleinigkeit.

Demzufolge ist „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“ auch heute noch aktuell. Erich Kästner schildert unverblümt die Missstände und gibt armen Kindern scheinbar Hoffnung, als ob er nach dem Motto „Kopf hoch, alles wird besser“ das Gedicht verfasst hat. Er räumt mit Sentimentalitäten auf, weil sie ihm scheinbar nicht in die Zeit der Weimarer Republik gepasst hatten. Allerdings verbreitet das Gedicht auch Unromantik und Illusionslosigkeit.

Gerade in dieser Nacht sollte aber niemand ohne Illusion sein. Und insofern ist das Gedicht auch als eine Art Weckruf zu verstehen. Der „Lesekreis“ bietet einen Abdruck des Gedichtes. Es lohnt sich, es zu lesen:

Erich Kästner – Weihnachtslied, chemisch gereinigt

2 Replies to “Chemisch gereinigte Weihnachten”

  1. Dieses fast schon Anti Weihnachtslied habe ich gerade gegoogelt. Es wurde gestern auf der Fachschafts-Nikolausfeier vorgetragen. Ich kannte das Gedicht von Erich Kästner nicht und ich dachte, die Studenten hätten es geschrieben. Osram-Birnen hören sich so modern an. Bei der Feier sind die Waffeln kostenlos, das war meine Idee. Und der Glühwein fürs doppelte wie sonst. Aber die von Armut betroffenen Studenten kamen trotzdem nicht. Weil wir eigentlich auch von Armut betroffen sind. Wir haben acht Kinder von denen sieben volljährig sind und im Studium oder in Ausbildung, der älteste Sohn und die beiden ältesten Töchter haben (schlecht) bezahlte Arbeit und unterstützen ihre jüngeren Geschwister. Das Lied hat mich sehr getroffen, weil es bei uns auch nichts gibt. Außer Kleidung und gut zu essen gibt es nichts. Ich bin Diplom-Biologin und ohne Arbeit obwohl ich mehr als zweitausend Bewerbungen in drei Jahren schrieb. jetzt studiere ich Informatik um so doch noch Arbeit zu bekommen. Das Gehalt meines Ehemannes reicht nicht für die ganze Familie. Und wir haben wenigstens zu essen. Andere Familien haben es noch schlechter.. Ich kenne keine Familie mit mehr als drei Kindern die nicht von Armut betroffen sind..Und zur „Tafel “ geht es nur, wenn die „Armut“ staatlich anerkannt ist, was die natürlich nicht gern tun… Es gibt so viele arme Kinder samt armen Eltern… Schlechte Löhne und gar keine Arbeit und dazu die hohen Abgaben an den Staat. Sogar in die Röhre schauen ist nicht mehr kostenlos, da kommt dann der „Beitragsservice“… Da ich noch weiss was mir meine Oma erzählte … Es ist ähnlich schlimm wie die Armut in der Weimarer Republik …

    1. Hallo Ute, der Kommentar hat mich sehr bewegt. Danke für den Eindruck von Weihnachten in einer kinderreichen Familie. Ich werde auf den Kommentar nochmal aufmerksam machen.
      Ja, anderen geht es schlechter. Ich wünsche eine schöne Weihnachtszeit. Und ich glaube, das Wort „trotzdem“ ist hier fehl am Platz.

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