Das fremdbestimmte Deutschland und der Aluhut

Deutschland wird fremdbestimmt. Aber DIE DA bekommen meine Gedanken nicht. Dafür habe ich ja einen Aluhut. Was schert mich denn Adenauer? Wenn man etwas bestimmtes unter die Nase gerieben bekommt, gerät der Deutsche schnell mal in eine Verschwörungstheorie. Worüber ich da gestolpert bin, taugt sehr gut dazu, eine Erklärung für die Aufregung rund um PEGIDA zu liefern.

Es gibt die wöchentliche Zeitschrift „The Spectator“, die aus London heraus über Politik und Kultur schreibt. Die gibt es seit Sommer 1828. Sie ist bekannt als konservativ und intellektuell und legt Wert auf Präzision, auf die Kontroverse und dergleichen. Dort erschien im November 1959 ein „Friendly Call“ des damaligen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. In diesem heißt es, dass die Abmachung für Europa nur auf Kosten der Deutschen erreicht werden kann und die Zukunft Deutschlands die Bestimmung durch Außenstehende ist und als Einziges die Deutschen selbst davon nichts wissen.

Nun kann man davon halten, was man will. Aber man kann es natürlich so sehen, wie der Blog „Konjunktion“. Dort heißt es als Frage, ob das denn nicht aufzeigen würde, dass das Gefühl vieler Bürger, fremdbestimmt zu sein, richtig ist. Und es heißt, dass das auch beweisen würde, dass es mit der deutschen Souveränität dann nicht allzu weit her sein kann. Und dass Entscheidungen der Vergangenheit eindeutig gegen die eigene Bevölkerung gerichtet seien.

Gut, wenn das die Meinung des Autors ist, dann ist das mal zu akzeptieren. Aber es wirkt irgendwie so, als müsse man sich nun unbedingt einen Aluhut aufsetzen. So wie die zwei im Bild. Aber Adenauer wird auch in dem Artikel vom „Spectator“ so hingestellt, als ob er eine irre Wahnvorstellung verfolgt hätte. Er war der Ansicht, dass er allein für die deutsche Finanzlage der damaligen BRD verantwortlich sei. Und er hat wohl das Volk aufgefordert, Wohlstand und Macht über das eigene Schicksal zu stellen. So ungefähr.

Ich weiß nicht, es wirkt für mich nicht, als ob das nun ein Hinweis darauf wäre, dass Deutschland fremdbestimmt ist. Klar, es gibt jede Menge Webseiten, die das behaupten. Aber bis auf die Tatsache, dass politische Entscheidungen immer durch Bauchschmerzen von Konzernen gelenkt und beeinflusst werden, kann ich da nicht allzu viel Fremdbestimmung erkennen. Das mag in den Zeiten des Kalten Kriegs anders gewesen sein, da ja Deutschland von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs besetzt war. Aber das ist doch jetzt nicht mehr der Fall.

Jedenfalls ist so etwas genau wie die Mutmaßung, dass es in Deutschland deshalb keine Verfassung sondern ein Grundgesetz gibt, weil man Deutschland nicht souverän ansieht, immer Grund genug, politische Entscheidungen anzuzweifeln. Man tut ja förmlich so, als wäre Deutschland ein Satellit des Dreigestirns US-Regierung – US-Wirtschaft – Geheimdienste. Aber irgendwie fehlt mir der Nachweis dazu.

Irgendwie würden solche Artikel, die ja durchaus ihre Berechtigung haben, die Erklärung liefern, warum so viele denken, dass die Politik das Land über die Köpfe der Bevölkerung hinweg regiert. Dass irgendwer von außen (wer auch immer das sein soll) das Programm der Veranstaltung „Deutschland“ diktiert hat. Denn der Spectator hat die Adenauer’sche Meinung ja wirklich abgedruckt. Und die kann man nun einmal interpretieren.

Ich will dem Herrn Lehner um Himmels Willen nichts unterstellen. Ich denke aber, dass solche Dinge durchaus den Griff zum Aluhut erleichtern können. Um die Frage der Souveränität – und damit im Umkehrschluss die Frage der Fremdbestimmung – Deutschlands beantworten zu können, ist ein lesenswerter Artikel in „derFreitag“ durchaus hilfreich.

Nein, fremdbestimmt ist Deutschland ganz sicher nicht. Konrad Adenauer hat die Nachkriegszeit gemeint. 1959 konnte ja niemand ahnen, wie lang Deutschland noch von der UdSSR, den USA, Großbritannien und Frankreich besetzt sein würde. Deshalb auch die zeitliche Eingrenzung Adenauers „probably for the rest of this century“ (also möglicherweise für den Test des Jahrhunderts – also bis 1999 maximal). 1990 war der Spuk vorbei, und mit der Zeit hat Deutschland seine Souveränität wiederhergestellt.

Was diverse Entscheidungen der Politik betrifft, so bin ich absolut der Meinung: Deutschland ist keine Insel der Glückseligen, die sich um nichts anderes als um sich selbst kümmern müssen. Man muss immer auf globale Gegebenheiten reagieren können. Das hat nichts mit Fremdbestimmung zu tun. Übrigens ebenso wenig wie die Abgabe diverser Befugnisse nach Brüssel.

Am Ende des Tages müssen wir wohl feststellen, dass die Aussage Adenauers für die damalige Zeit gut und richtig war. Aber nachdem sich die Welt weiter gedreht hat, gilt sie eben nicht mehr in dem Maße. Also brauchen wir keinen Aluhut. Nicht, was die Souveränität des Landes betrifft.

3 Replies to “Das fremdbestimmte Deutschland und der Aluhut”

  1. Hallo Herr Uhle,

    da Sie mich direkt ansprechen, möchte ich das auch gerne tun.

    Es ist schön, dass ich auch Sie dazu anregen konnte, sich näher mit dem Spectator-Artikelt zu befassen, was auch die Intention hinter dem Kurzartikel auf meinem Blog war, wie der nachfolgene Auszug daraus zeigt:

    „Man mag die Zeilen als Verschwörungstheorie, als rechts oder schlicht als unwichtig und veraltet erachten, aber zeigt es nicht doch gleichzeitig auf, dass das Gefühl vieler Bürger richtig ist, dass wir fremdbestimmt sind? Dass es mit der deutschen Souveränität wahrlich nicht allzu weit her ist, wie auch die Entscheidungen der letzten Jahr(zehnt)e, die eindeutig gegen die eigene Bevölkerung gerichtet sind, zeigen?

    Wie ist eure Meinung dazu?“

    Doch warum rücken Sie „Hinterfragende“ gleich in die Ecke der Verschwörungstheoretiker und „Aluhutträger“? Gerade weil sich immer mehr VTs als Realität herausstellen – auch wenn dies dann nicht so in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird (z.B. der CIA-Putsch im Iran 1953, der bis letztes Jahr ebenfalls als VT galt)? Für mich diente der Artikelausschnitt aus dem Spectator dazu, in eine Diskussion einzusteigen.

    Ich schreibe dezidiert vom „Gefühl“ des Fremdbestimmtseins. Und spätestens mit TTIP, den von den USA oktroyierten Sanktionen gegen Russland (zum Schaden Deutschlands) dürfte bei vielen Menschen dieses Gefühl noch stärker geworden sein.

    Freundliche Grüße.

    1. Hallo Herr Lehner (richtig?),

      nein, ich stelle Leute, die hinterfragen, nicht per se in eine Aluhut-Ecke. Ich schrieb ja, dass es so wirkt, als ob ein solcher vonnöten ist. Das hieß nicht, dass ich definitiv der Ansicht bin, einen zu brauchen. Der Artikel, auf den ich verwies, ist richtig gewesen. Aber wer gern solcherlei Theorien aufstellt, orientiert sich an dem Artikel. Ein Leser sieht den dann vielleicht nicht als Hinterfragen, sondern als Information an.

      Ich habe in dem Artikel meine Meinung zu dem Ausschnitt geliefert. Mehr eigentlich nicht. Ich wollte zur Debatte beitragen. Das ist doch auch eine Art des Hinterfragens, oder? Ich habe eben auch ein Gefühl. Und zwar das, dass die Fremdbestimmung nicht mehr (in dem Maße) gilt.

  2. Hallo Her Uhle,

    „Das ist doch auch eine Art des Hinterfragens, oder? Ich habe eben auch ein Gefühl. Und zwar das, dass die Fremdbestimmung nicht mehr (in dem Maße) gilt.“

    dann liegen wir absolut auf der gleichen Wellenlänge (wenn ich das so ssagen darf) ;o)
    Nur am jeweils anderen Spektrum. Ich nehme eher das Gegenteilige wahr. Aber Wahrnehmung und Gefühl sind eben subjektiv.

    VG

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