#LSR – Leistungsschutzrecht, das sich für die Presseverlage nicht lohnen wird

Nun also doch: Man möchte nun bewirken, dass Blogger, Twitterer und Nutzer anderer sozialer Medien genauso wenig auf Verlage verlinken, wie man möchte, dass Google dies tut. OK, dann tun wir das nicht mehr. Ich würde gern sehen, wie sich das Internet verhält, wenn wirklich niemand mehr auf das Medienkartell verweist. Vielleicht einen Monat lang.

Was ist der Hintergrund?

Rechtsanwalt Stadler hat eine kurze und prägnante Analyse dessen zusammengeschrieben, was heute für gut befunden wurde. Es gibt einen Referentenentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse. Und der beinhaltet natürlich erst einmal als „Problem“ das, was ich bereits Anfang März zitiert habe.

Ausgangslage

Das Bundesministerium der Justiz hat ein vermeintliches Problem erkannt: Presseverlage sollen nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler. Werkvermittler sind ja Presseverlage, Musikverlage, Buchverlage. Aber auch Blogger, denn ein Blog ist ein Werk. Aber es geht der elitären Politik ja um die Presse. Da es für Musikverlage die GEMA und für Buchverlage die VG-Wort gibt, muss es also zwangsläufig auch für Presseverlage eine solche Lösung geben. So also das Ansinnen des BMJ.

Lösung: Leistungsschutzrecht

In dem Referentenentwurf ist zu lesen, dass ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ins Urheberrecht eingebaut werden soll. Den Verlagen soll das einzige Recht zustehen, Presseerzeugnisse zugänglich zu machen. Und ein schöner Passus steht in der Lösung:

Presseverlage können somit auch die Unterlassung unerlaubter Nutzungen verlangen und gewerbliche Nutzer müssen für die Nutzung Lizenzen erwerben. Dies gilt nicht für die reine Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit.

Ja, was denn nun? Ein gewerblicher Nutzer muss Lizenzen kaufen, wenn er auf die Springer-Hetztruppe verweist und aus einem Schundwerk namens B*LD zitiert? Aber dann darf er eben doch zitieren und verlinken?

Ach ja, Alternativen gibt es natürlich keine. Warum auch? Die vorgeschlagenen Änderungen können Sie im oben verlinkten PDF nachlesen. Ich möchte diese nicht unbedingt als Zitat hier einbringen.

Urheberrechtsgesetz § 87f

Es soll der § 87f eingeführt werden. Dieser sagt praktisch aus, dass fortan nur das öffentliche Zugänglichmachen zu gewerblichen Zwecken vom Schutz umfasst ist. Es geht wohl ausschließlich um Internetinhalte und -sachverhalte. Damit wären ja private Blogger (ich bin so einer) nicht die jenigen, denen man auf die Finger hauen möchte. Es sei denn, der Blogger befasst sich mit seinem beruflichen Schwerpunkt.

Das bedeutet ja für mich: Ich als Informatiker darf weiter im Rahmen des Zitatrechts aus den deutschen Qualitätsmedien zitieren, wie es der Situation angebracht ist. Schreibe ich aber als Informatiker einen Beitrag aus der Computerwelt, also meine Kategorie „Informatik“, darf ich nicht zitieren. Ich darf nicht mal die Überschriften der Quellartikel nennen.

So ist auch die Auffassung von Rechtswanwalt Stadler. Und er stellt fest, dass die Vergütung auch nicht im Entwurf enthalten ist. Kommt also der Entwurf so, wie er ist, ins Urheberrecht, dann können wir also davon ausgehen, dass die allseits bekannten Abmahner himmelschreiende Beträge erfinden werden, nur um den Schwachsinn, den die ganzen Nachrichtenportale von den Nachrichtenagenturen ohne Gegenprüfung abgeschrieben haben, zu Gewinn zu machen.

Wann wird das Leistungsschutzrecht verletzt?

Das wird eine sehr spannende Frage sein. Die ist nämlich so diffus erklärt, wie es nur welt- und internetfremde Paragrafenreiter zusammenschustern können. Eigentlich will man damit die Snippets einfangen, also die kleinen Auszüge aus Nachrichtenartikeln, die Sie bei Google News z.B. finden. Aber Rechtsanwalt Stadler sieht das etwas anders.

Da im Leistungsschutzrecht für die Tonträgerindustrie selbst kleinste Tonfetzen Schutz genießen, könnte es beim Leistungsschutz für Presseverlage auch um das einzelne Wort gehen. Der Anwalt verweist ausdrücklich hierzu auf die GRUR, die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Denn die sieht eine Gefahr: Es könnte nämlich passieren, dass dieser Unfug zu einem Schutz der Information und der Sprache selbst führen würde.

Die Konsequenz

Suchmaschinen dürfen nach diesem Entwurf keine Presseartikel mehr einlesen. Selbst das Anzeigen des Titels stellt eine Schutzverletzung dar. Damit dürfen dann höchst wahrscheinlich auch Blogger nicht mehr auf Presseerzeugnisse verweisen.

Aus diesem Grund habe ich für mich die Konsequenz gezogen: Einen Link wie „Nachrichtenverlag – Artikelüberschrift“ mit korrekter Linkangabe am Ende eines Artikels wird es nicht mehr geben. Da ich beim Zitieren aber Quellen angeben muss, werde ich die Presseverlage eben nicht mehr zitieren und verlinken.

Sascha Lobo, Kolumnist u.a. für den Spiegel, hat treffend formuliert: „Die Regierung schenkt Euch also ein „Leistungsschutzrecht“. Nice! Von uns kriegt Ihr gratis einen 1A Linkboykott dazu.“ (Quelle: Twitter)

Andere Nutzer – ob professionell oder nicht, auch Journalisten finden sich hierunter – schreiben bei Twitter, dass sie nun eben keine Links zu Artikeln der Qualitätsmedien mehr verbreiten werden. Und man spricht von kranken und schizophrenen Verlegern.

Diverse Verlage zaubern ganz plötzlich veraltete Artikel aus dem Archiv hervor, in denen sie – meinetwegen vor einem halben Jahr – von der Harmlosigkeit des Leistungsschutzrechtes philosophieren. Und die ZEIT selbst, die ich heute ein letztes Mal verlinken werde, schreibt folgende Überschrift:

Von Pressetexten sollten künftig besser alle die Finger lassen

Verlage haben jetzt, was sie wollten. Und sie werden es auch konsequent durchsetzen. Aber das Internet ist nicht so dumm, wie es die Verlage und das Drumherum mit Anwälten und Inkassofirmen sich so vorstellen. Wir werden die Verlinkerei auf Verlage komplett lassen. Auch Google und Bing werden das lassen.

Und was macht ihr dann?

Blogger genießen Urheberrecht

Ach ja, und hütet euch, liebe Qualitätsmedien, davor, weiter ungefragt und ohne Quellennachweis uns Blogger zu kopieren. Wir können auch ein bisschen anders. Einen Blogartikel zu schreiben, ist nämlich auch eine Leistung. Und ein jeder Blogartikel ist gemäß Urheberrecht ein Werk.

Es kann theoretisch möglich sein, dass die guten Qualitätsmedien von einer ähnlichen Welle erfasst werden wie die privaten Blogger. Nur machen wir das etwas anders. Nämlich auch öffentlich. Ich kann das z.B. recht gut. Und ihr?

3 Replies to “#LSR – Leistungsschutzrecht, das sich für die Presseverlage nicht lohnen wird”

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