Liebe Kinder, Computer sind böse

Kürzlich hat Herr Henning Kullak-Ublick beim Karrierenetzwerk Xing veröffentlicht, dass Eltern ihre Kinder vor Computern fernhalten sollen. Also zumindest bis zum 12. Lebensjahr. Denn die Sprache würde durch den Umgang mit elektronischen Medien verkümmern. Seine These ist, dass Kinder später gut mit den Geräten umgehen können, wenn sie ihnen erstmal fernbleiben. Und sie brauchen Kriterien für den Umgang. Ein diskussionswürdiger Beitrag, der durchaus seine Resonanzen hervorrief. Auch ich muss mich mal dazu äußern.

Der Vorstand des Bundes der Freien Waldorfschulen Kullak-Ublik hat sich einmal mit der Koexistenz von Computern und Kindern beschäftigt. Und es ist schon wahr, dass Kinder die heutige Technik erst verstehen müssen, um sie sinnvoll anwenden zu können. Ich sehe das an meiner Tochter. Die ist 9 Jahre alt und bedient das eine oder andere Programm am Computer. Sie wurde dazu eingewiesen. Selbst wenn es nur Spiele sind, aber sie muss darin geschult werden. Das hilft ihr auch dabei, mit Lernprogrammen umgehen zu können.

Der Herr Kullak-Ublik verteufelt jetzt nicht unbedingt die IT. Sonst hätte er seinen Artikel nicht auf einer Webseite, sondern in einer Zeitung veröffentlicht. Aber ich bin da irgendwie gegensätzlicher Meinung. Ich denke nicht, dass man Kinder bis zum Alter von 12 Jahren vor dem Computer fernhalten soll. Natürlich lasse ich meine Tochter nicht auf fragwürdige Seiten. Aber ich lasse sie – wenn es notwendig und angebracht ist – auch für ihre Schulprojekte und Vorträge recherchieren. Ich halte nämlich viel davon, Kindern auch etwas zuzutrauen, da sie ja später auch recherchieren müssen.

Wenn er schreibt, dass er sich fragt, welche Fähigkeiten von Kindern entwickelt werden müssen, um mit Computern umgehen zu können, könnte man jetzt auf seine Position anspielen und flapsig daher reden, dass es nicht das Tanzen des eigenen Namens ist. Aber so einfach kann man es sich nicht machen. Es geht doch nicht darum, dass Kinder für die Recherche zu irgendwas oder für das Bedienen von Spielen ein Diplom haben müssen. Es ist so, dass ihnen erklärt werden muss, wie recherchiert werden kann, wie ein Spiel funktioniert und welche Dinge sie nicht tun sollen.

Ja, ich weiß, Kinder tun prinzipiell das, was sie nicht tun sollen. Wer aber einmal seinen Nachwuchs beobachtet hat, wie dieser reagiert, wenn der Computer abstürzt, weiß, dass da nie wieder irgendwas außerhalb der Regeln getan wird. Und am Ende ist es doch so, dass man seinen Kindern auch mal etwas zutrauen soll. Wir reden doch ständig davon, dass unsere Kids selbständig werden sollen. Wie soll das gehen, wenn man ihnen die Technik lieber vorenthält statt zu erklären?

Natürlich gilt hier die Sorgfaltspflicht und die Aufsichtspflicht der Eltern. Der Computer muss die technischen Voraussetzungen erfüllen, dass das Kind ihn bedenkenlos bedienen kann. Für jedes Betriebssystem gibt es die Möglichkeit, verschiedene eingeschränkte Benutzer einzurichten und eine Art Kindermodus zu aktivieren. Für jedes Betriebssystem gilt, dass sich der Computer in einem sicheren Zustand befindet. Das können alle Eltern einrichten, denn speziell die Sicherheit sollte für jeden an oberster Stelle stehen.

Ich denke, wer seinen Computer entsprechend ausrüstet (mit Schutzsoftware, verschiedenen Benutzern und eingeschränkten Modi) und seine Kinder entsprechend einweist und – vor allem am Anfang – dabei bleibt und den Kindern zeitliche und technische Schranken aufweist, kann ihnen auch ein Stück weit über den Weg trauen. Wer das nicht macht, wird sehen, dass die Kids dann, wenn sie MÜSSEN, sich nicht TRAUEN, mit der Technik umzugehen.

Das große Stichwort lautet doch unterm Strich Medienkompetenz. Wenn ich meiner Tochter nicht beibringe, wie sie mit dem Internet und derartigem umgehen muss, um nicht auf Scharlatane hereinzufallen und doch an die für sie notwendigen Dinge zu gelangen, wird sie nie lernen, wie das Werkzeug Internet einzusetzen ist. Da ist sie in der wesentlich besseren Position als ich in ihrem Alter. Als ich 9 war, war 1983. Karat sang den „Blauen Planeten“, und von Computern wussten wir durch Kraftwerks „Computerliebe“ und „Computerman“ von den Puhdys.

Irgendwann 1987 oder so lernte ich den Robotron KC 85 und KC 87 kennen, und in den Neunzigern arbeitete ich mit dem Commodore Amiga 1200. Ich wurde durch meine zweite Berufsausbildung zum Fachinformatiker 2003 bis 2005 erst in das Haifischbecken Internet geworfen. Ich hätte mich gefreut, wenn uns irgendwer Medienkompetenz beigebracht hätte. Das Internet kann zur großen Gefahr werden. Aber man kann dieses gewaltige Werkzeug auch kennenlernen und versuchen, damit richtig umzugehen. Denn dann kann es ein Segen sein.

Und sind wir mal ehrlich: Ohne Computer und Internet ist nicht mal mehr die Grundschule absolvierbar. Ich erinnere mich an eine Recherchearbeit meiner Tochter zum Thema Martin Luther. So lernt man die Recherche: Man benutzt Wikipedia und andere Enzyklopädien. Und wenn die Eltern das den Kids zeigen, wie das geht, stellt das Internet auch keinerlei Schwierigkeit dar. Ich halte diese Meinungen für gewaltig überholt. Das mochte in eine Zeit passen, als der „Computerman“ von den Puhdys alles nach einem Tagesplan organisierte, aber nicht mehr heute.

Das Team um Caschys Blog hat einmal aufgeschrieben, was es davon hält. Eindrucksvoll wurde mit vielen Worten beschrieben, wie sie dazu stehen, was der Herr Kullak-Ublick da geschrieben hat. Und ehrlich, ich komme auch zu dem Ergebnis, dass der Artikel bei Xing ziemlich weltfremd ist. Haltet Leute von dem-und-dem fern, damit sie es besser verstehen. Ernsthaft? Kinder müssen die Technik verstehen, und deshalb müssen sie damit umgehen können. Es geht darum, dass Eltern es ihnen beibringen und dabei sorgfältig sind. Alles andere ist Quatsch.

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