25 Jahre „101“ von Depeche Mode

Im März 1989 erschien ein legendäres Live-Album: Die Industrial-Electro-Synthie-Götter Depeche Mode veröffentlichten „101“ – ihre Live-Dokumentation zum USA-Teil der Welttournee von „Music for the Masses“, dem vorangegangenen Studio-Album, das sie zu Helden gemacht hat.

Jetzt bin ich ja von Natur aus skeptisch, was Live-Alben anbelangt. Oftmals wird die Stimmung des Konzerts nicht eingefangen, oftmals geht der gesamte Charme verloren. Das war bei „101“ anders. Es ist in meiner Schallplatten-Sammlung eins von 2 Live-Alben, und das will etwas heißen. Pünktlich zum Jubiläum möchte ich dieses Album Revue passieren lassen.

In schlichtem Schwarz-Weiß – ausgeschmückt mit einer Foto-Collage aus der Film-Dokumentation „101“ – kommt das Doppel-Album recht unscheinbar daher. Was sich aber dann auf 1,5 Stunden – verteilt auf 2 Scheiben (Schallplatte oder CD ist egal) – bietet, ist nahezu einzigartig in der Elektronik-Welt. Den Erfolg, den Depeche Mode mit diesem Album eingefahren hatten, konnten sie nie wieder mit einem Live-Album oder einer Kompilation wiederholen.

Das Tondokument stellt die Abschluss-Show der USA-Tour im Pasadena Rose Bowl dar. Das fand bereits Mitte Juni 1988 statt. So lang brauchte man, um das Album abzumischen und den Film zu produzieren. Und dann wurde das Album auch noch ein Erfolg: Platz 3 in Deutschland, Platz 5 in Großbritannien oder Platz 4 in Frankreich. Und das ist das Album:

Während „Music for the Masses“ mit „Pimpf“ über die Hitlerjugend in Nazideutschland endet, beginnt das Konzert mit einem Auszug daraus. Somit wird gleich eine bedrohliche Kulisse geschaffen. Es folgt der erste große Hit des Ursprungsalbums, „Behind the Wheel“, das donnernd das Football-Stadion munter macht.

Man lässt danach die für mich zweitbeste jemals erschienene Single der Band ertönen: „Strangelove“. In dieser Live-Version ist noch mehr Wut zu verspüren als auf dem Album.

Als nächstes folgt „Sacred“ aus „Music for the Masses“, dass etwas die mystische, sphärische Seite von Depeche Mode zu zeigt. Und dann wird die Geschwindigkeit erhöht, um mit „Something to do“ zurück nach 1984 zu „Some Great Reward“ zu gehen.

Wenn es eine zweitbeste Single gibt, muss es auch eine beste Single in meinen Augen geben. Und die ist nach wie vor bei mir „Blasphemous Rumours“. Das düstere Stück behandelt das kurze Leben eines Mädchens, das vom Weg abkommt, Drogen nimmt etc. Als sie sich wieder gefangen hatte, wurde sie bei einem Autounfall schwer verletzt, musste künstlich beatmet werden und starb später. Hierbei handelt es sich um eine wahre Begebenheit.

Die Band führt uns dann weiter durch düstere Gefilde, indem sie uns „Stripped“ aus „Black Celebration“ präsentiert. Dann wird es wieder freundlicher, wenn Martin Gore in atemberaubender Höhe die Piano-Ballade „Somebody“ aus „Some Great Reward“ präsentiert. Und er darf weitersingen, denn dann geht es weiter mit „Music for the Masses“ und dem tiefschwarzen und sphärischen „Things you said“.

Die erste Platte wird abgeschlossen mit einer schwarzen Messe, denn das phänomenale „Black Celebration“ folgt. Das Lied ist gar nicht so düster, wie der Titel vermuten lässt.

Der zweite Teil wird eröffnet mit der Non-Album-Single „Shake the Disease“, die nur auf einer Best-Of-Kompilation enthalten ist. Es folgt das Weltschmerz-geprägte „Nothing“, das konsequent in Trauer gehalten ist.

Das dann freundlichere „Pleasure, little treasure“ ist fast Rock’n’Roll, und man hört hier echte E-Gitarren. Ich finde, dies ist eins der am meisten unterschätzten Lieder der Band, die nicht als Single erschienen.

Wir bewegen uns dann wieder zurück zu „Some Great Reward“ und genießen „People are People“, in dem propagiert wird, dass alle Menschen gleich sind. Und dann haben wir wieder fast Rock’n’Roll mit dem schroffen Hammer „A Question of Time“.

Es folgt dann die Hauptsingle von „Music for the Masses“: „Never let me down again“, von dem nach wie vor behauptet wird, homoerotische Träume unter dem Einfluss von Drogen zu beschreiben. Ich wäre mir da aber keineswegs sicher. Der Industrial-Hammer gehört bis heute zum zentralen Repertoire der Band.

Wir werden dann wieder ruhiger und lassen Martin Gore wieder ran. Der singt wie eine Nachtigall die an sich düster untermalte Ballade „A Question of Lust“, bevor der den Sadomasochismus feiernde Hammer „Master and Servant“ erklingt. Nach wie vor eine Hymne für die „Devotees“, die Fans der Band.

In den Endspurt geht es dann mit dem ersten großen Hit der Band überhaupt, nämlich „Just can’t get enough“, der bis heute jeden zum Schunkeln bringt. Das war 1981 noch ein Glanzstück des danach ausgestiegenen Vince Clarke, der seit vielen Jahren erfolgreich mit Erasure unterwegs ist.

Abgeschlossen wird dieser Meilenstein der Live-Alben mit „Everything counts“ aus „Construction Time Again“, einer bitterbösen Kritik am kapitalistischen System, in dem Kriege durch Konzerne besiegelt werden und alles nur in großen Beträgen zählt. Diese Live-Aufnahme wurde dann extra noch als Single ausgekoppelt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass mit „101“ die Messlatte für Live-Alben sehr hoch gelegt wurde. Depeche Mode haben sich mit diesem Album ein Denkmal gesetzt. Wie gesagt, sie selbst haben danach nicht noch so ein qualitativ hochwertiges Live-Album fertig gebracht.

„101“ markiert auch einen Wendepunkt. Einerseits war danach die Welt politisch nicht mehr die gleiche wie davor, da es zur politischen Wende kam. Andererseits aber – um direkt bei der Band zu bleiben – haben sich Depeche Mode danach praktisch neu erfunden. Mit „101“ wurden für die Band die 80er Jahre abgeschlossen. Nun galt es, etwas neues zu machen. Man wurde religiöser, was sich eindrucksvoll dann mit dem weltweiten Album-Riesenhit „Violator“ zeigte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wer neugierig auf das Album ist, man kann es nach wie vor kaufen. Es hat keinen Deut von seiner Kraft und Strahlkraft verloren. Es sollte aber niemand auf kühne Gedanken kommen und Pop erwarten, denn Pop waren Depeche Mode nach dem allerersten Album nie wieder.

2 Replies to “25 Jahre „101“ von Depeche Mode”

  1. Das Konzert war wirklich unglaublich. Man braucht sich die dvd anzuschauen und den TRack EVERYTHING COUNTS, der durch die Massen und so eine neue Atmosphäre erhält.

    Man weiss nicht wieviele Menschen an dem Abend da waren. Einige Quellen berichten von 85,000 und andere von 60,000

    Tatsächlich war es aber auch so, dass das Konzert damals von KROQ dem legendären Rocksender supportet wurde. Das heisst einige haben die Karten gewonnen und das waren nicht wenige zusätzlich zu den offiziell 61,000.

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