25 Jahre „Wild!“ von Erasure

„Wild!“ ist so, wie es betitelt ist: Wild eben. Erasure-wild eben. „Wild!“ war eins der ersten Alben, das ich mir damals so rund um die Wende gekauft habe. Und ich habe es nie bereut. Das war damals noch die gute, alte Cassette. Und die dröhnte immer wieder aus den Boxen bei mir. Und so denkt man dann 25 Jahre später, was das für eine Zeit damals war.

„Wild!“ beginnt mit einem kurzen, getragenen Instrumental-Stück namens „Piano Song (Instrumental)„. Aber es ist eben nur eine Minute lang und zeigt noch nicht, wozu das Album fähig ist. Es folgt das melancholische „Blue Savannah„, einem der größten Hits von Erasure. Es geht um die große Reise zurück dahin, wo man sich zuhause fühlt. Liebe bringt ihn heim, er hat genug von der Reise.

Es folgt das bösartige „Drama“. Nun hab dich mal nicht so, du elende Drama-Queen – das ist der Sinn des Liedes. Was immer passiert ist, niemand hat das Recht, den anderen mit Dreck zu bewerfen. Das Lied ist ein richtiger Kracher in meinen Ohren. Es steigert sich in seinen 4 Minuten bis zur Ekstase. Und das zeigt, wozu „Wild!“ in der Lage ist.

Balladesk wird es dann mit „How many times?„, der Frage, wie oft man sich noch verletzen lassen will. Was ziemlich langweilig daher zu kommen scheint, ist eine perfekte Ballade im Sinne von Vince Clarke. Die Melancholie konnte er immer bestens vertonen. Und Andy Bell mit seiner vielschichtigen Stimme setzt hier auf sehr getragene, entspannte, tiefe Töne. Ein Lied, das sich erst später erschließt.

Es folgt dann die schnelle und positive Nummer „Star„. Das Protestlied gegen Nuklearkrieg war sofort ein Publikumsliebling. „Gott ist Liebe, Gott ist Krieg, TV-Pfarrer, erzähl mir noch einen. Bin ich denn rein? Ich sandte Blumen und Geld, verehre dich für Stunden. Aber in wessen Händen sind wir denn?“ Ich denke, das sagt einiges aus. Erasure können auch Kritik üben.

Richtig wild wird es dann mit der mexikanisch angehauchten Nummer „La Gloria„. Es geht um die Tänzerin, die mit ihrem Tanz alle um ihren Finger wickelt und ihren Flamenco perfekt darbietet. Hören Sie sich mal den Spaß an, den Erasure und alle Mann im Studio bei der Aufnahme hatten.

Und dann folgt das für mich beste Erasure-Stück aller Zeiten, „You surround me„: James Bond mit dem Blick auf die Skyline von New York City. Vince Clarke wollte immer einen Soundtrack für die einen James-Bond-Film machen und wurde dadurch zu dieser pompösen Ballade animiert. Es ist das größte Liebesbekenntnis, das Andy Bell jemals gesungen hatte, mit immensen Tiefen und Schwindel erregenden Höhen beim Gesang.

Dann kommt wieder typischer Vince Clarke Synthie-Pop zu Gehör, diesmal in Form von „Brother and Sister„. Es geht darum, wie Andy Bell älter wurde und sich im Garten der Lügen und Science Fiction wiederfand. Da wurde eine Familie vorgetäuscht und die Wirklichkeit unter den Teppich gekehrt. Homosexualität war in der Zeit ja ein Problem in Großbritannien.

Einzig wirklicher Tiefpunkt ist „2000 Miles„, einer bitterbösen Abrechnung mit einer zerbrochenen Beziehung. Mich nervt hier der etwas eintönige Chorus. Positiv ist hier die Kraft, mit der das Lied vorgetragen wird. „Schlag mich nicht, wie du es gerade tust. Ich bin froh, dass du nie zurückkommen wirst„, ist der Sinn des Liedes.

Als vorletztes Lied hören wir dann das famose „Crown of Thorns„. Es geht um den dreißigjährigen Krieg mit Frankreich. Die Dornenkrone wird stilisiert, weil das alte England keine Krone trug. Und es wird angeklagt, dass England niemals wieder in einer Million Jahren oder so so viel Blutvergießen ertragen musste.

Abgeschlossen wird dann „Wild!“ mit dem vollen „Piano Song„, bei dem Andy Bell nur vom Piano begleitet wird. Er singt vom Ende einer Beziehung, bei dem er zerbrechlich ist und voller Tränen aus dem Fenster blickt. Ein wunderbares Lied für Abschiede. Und genauso endet dieses sehr hörenswerte Album.

„Wild!“ ist eins der vier Alben der beiden Briten, das es bis auf Platz 1 geschafft hat. Es ist ein Album voller Höhen mit dem zentralen „You surround me“ an prominenter Stelle. Das Album zeigt wilde und erwachsene Soundtüftler in der vollen Blüte ihres Schaffens. Man traute sich mit dem Album etwas. Die besten Beispiele sind eben jenes „You surround me“ oder „La Gloria“, „Drama“, „Crown of Thorns“ oder „Piano Song“. Erasure reißen den Zuhörer mit. Es ist nicht einfach nur Pop, was man auf dem Album zu hören bekommt. Es ist mehr. Vor allem bestechen die nicht-synthetischen Instrumente, die ungewöhnlichen Rhythmen und Arrangements und eben auch die ernsten Texte bei dem Vorhaben, erwachsen zu klingen.

„Wild!“ schaffte es in Deutschland bis auf Platz 16 und in Großbritannien bis auf Platz 1. Und mit dem Album sprangen Erasure auch über den „Großen Teich“. Das schwächste Stück „2000 Miles“ war sicher für den US-Markt gedacht. Dabei war es nicht einmal Single. Der große Hit „Blue Savannah“ war für mich auch nicht immer der Brüller des Albums, das waren die bereits genannten anderen Stücke.

So ein Album haben sicher viele nicht von Erasure erwartet. Wenn Sie so durch die Lieder klicken, welchen Eindruck haben Sie denn dann von „Wild!“?

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