30 Jahre „Das Buch“ von den Puhdys

Jeder, der in der guten, alten DDR aufwuchs und jetzt so etwa 35 bis 50 Jahre alt ist, sollte dieses Album – oder zumindest signifikante Teile daraus – kennen. Waren die Puhdys eher die harten Rocker der DDR, so sollte mit dem Album „Das Buch“ im Jahr 1984 ein wenig den Progressiv-Rockern von Karat Konkurrenz gemacht werden.

„Das Buch“ ist ein sehr nachdenkliches und vergleichsweise getragenes Album, das nur wenige wirklich optimistische Züge trägt. Und es ist für mich das beste jemals erschienene Album der alten Herren aus Berlin. Es feiert in diesem Jahr 30. Geburtstag. Und deshalb schreibe ich ein paar Zeilen darüber.

Nach dem Endzeit-Album „Computer-Karriere“, das in New Age- und Neue Deutsche Welle-Manier vor dem schlechten Einfluss von Waffen und unkontrollierbarer Technologie warnt, lassen es die Puhdys auf „Das Buch“ ruhiger angehen. Das Album setzt ein Mahnmal gegen den Kalten Krieg, der zur Zeit des Albums sehr markant war. Das Album bringt bei 45 Minuten Spielzeit 11 Stücke, aber nur 10 Lieder hervor:

Begonnen wird mit „1984“, einem kurzen und mahnenden Hymnus, der so kalt daher kommt, wie der Kalte Krieg an sich. Daran schließt sich das eigentlich erste wirkliche Lied des Albums an, „Ich will nicht vergessen“. In ihm geht es um die deutsch-deutsche Geschichte. Auch Dichter wie Heine, Schiller und Goethe gehören dazu wie der Nationalsozialismus und die „Leute drüben und hier“. Ein mutiger Appell, Deutschland nicht weiter zu schänden, denn alle Deutschen sollen sagen können „Hier bin ich geboren, das ist mein Land“.

Es folgt „Die Wärme der Nacht“, das von einer kühlen Erinnerung an einen One Night Stand erzählt. Dieter Hertrampf bringt die Enttäuschung sehr gut ins Ohr. Und das Lied ist sparsamst instrumentiert. Ein großes Stück Kritik folgt dann mit „Der Angstverkäufer“. Hier geht es um Jack, der mit der Angst der Leute spielt und Profit macht. Schließlich kommt es zum totalen Krieg, und das ehemals wohlhabende Städtchen ist verschwunden. Wenn das mal keine Mahnung ist, den Großmächten nicht zu viel zu glauben.

In dem Lied „Boote der Jugend“ geht es um die Renitenz der „Jugend von heute“. Das sehr bekannte Lied hat zur Grundaussage: „Liebe Spießer von heute, ihr wart auch mal jung und habt den Spießern von damals den Stinkefinger gezeigt“.

Und dann folgt das Titelstück „Das Buch“. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs wurde über das gegenseitige Wettrüsten der beiden Supermächte USA und UdSSR und über die durchaus mögliche totale Zerstörung der Erde erzählt. Statt als Sänger, kommt Dieter Birr mit seiner rauen und dunklen Stimme als perfekter Narrator des eventuellen Weltuntergangs daher. Flankiert wird dabei das Lied während der Erzählung von sparsamer Instrumentierung und lautem Refrain, der am Ende hoffnungsvoll mit einem FDJ-Chor einer Berliner Schule das Lied zu einem positiverem Ende führt.

Seite 2 des Albums beginnt in Partylaune, denn die Band hatte es 1984 prophezeit: Sie wollen bis zur „Rockerrente“ spielen, und das wollen sie dann auch gleich in satten 5 Minuten zeigen. Das Lied ist mindestens im ostdeutschen Raum eine Art Evergreen geworden. Aber so froh bleibt das Album nicht.

Es folgt für mich die Perle aller Puhdys-Lieder, „Niemand wird so wieder werden“. Das tieftraurige Lied über das Leben, über Vergänglichkeit und den Tod mahnt den Hörer, nicht zu oft falschen Applaus zu spenden, sondern lieber füreinander da zu sein. Üblicherweise werden die Lieder vom Gespann Dieter Birr / Peter Mayer geschrieben. Dieses überragende Lied wurde von Bassist Harry Jeske komponiert und von der Lyrikerin „Claire Din“ (bürgerlich Clara Fröde) getextet.

Optimistischer wird es dann wieder mit der „Bauernhochzeit“, in der eine Geschichte von einem liebestollen Bauern und seiner Bäuerin erzählt wird. Es ist es typisches Mittachtziger-Lied des DDR-Rundfunks, ähnlich wie „Disco opn Dörp“, bei dem auch die Puhdys dahinter standen. Für mich ist das das schwächste Lied des Albums.

„Schlaf mit mir“ ist eine tanzbare Disco-Nummer, die genau das beinhaltet, was der Titel sagt. Aber dieses Lied zeigt auch auf, dass Trost und Sex eng beieinander liegen. So merkwürdig manche das Lied auch finden mögen, ich finde es ziemlich interessant.

Geschlossen wird dieses phänomenale Album mit „Das Märchen“. Dieter Hertrampf singt darüber, dass er einen schönen Tag auf einem Berg vor der Stadt erlebte. Und darüber wollte er ein Lied schreiben. Doch dann kam er nach Hause und sah etwas im Fernsehen, das so ganz anders war. Und dann folgt wieder der Kalte Krieg-Hymnus „1984“.

„Das Buch“ hinterlässt einen zutiefst beeindruckten Hörer. Lyrik, Weltuntergangsstimmung, Bitterkeit und elektro-rockige Klänge zeichnen das Album aus. Das Cover verstört zudem noch zusätzlich, da verschiedene Motive als Fotos zu einer Melange verwurstet werden. Die Band rannte mit diesem Album – übrigens wie Karat mit dem Album „Blauer Planet“ – bei der Friedensbewegung der BRD offene Türen ein. Es zählt nach wie vor zu einem der Meilensteine deutscher Rockmusik. Und wenn Sie wollen, können Sie dieses Album nach wie vor kaufen.

Und weil ich schon davon geschwärmt habe, liefere ich Ihnen auch noch das atemberaubende „Niemand wird so wieder werden“ als Hörgenuss:

Niemand wird so wieder werden
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