OMD und das neue Album „The Punishment of Luxury“

Was macht eine Band nach knapp 40 Jahren, wenn sie Meister im Schreiben einzigartiger Lieder und dem Vermurksen von Krach sind? Die Band macht genau das. „The Punishment of Luxury“ ist ein ganz typisches Album von OMD, auch wenn es bisweilen als „piefig“ einsortiert wird. Die Mischung aus Synthie-Pop, New Wave, Industrial und entrückten Geschichten darüber, weshalb Luxus eine Strafe ist, macht eben OMD so besonders. Da ist nix piefig dabei. Auch wenn man das behauptet. Und deshalb komme ich mal mit meiner Besprechung der Scheibe.

Was hat die Moderne nur alles reduziert!

Ich schrieb bereits über das Titelstück. Damit beginnt das Album. Kalte Elektronik wie zu Beginn der Achtziger poltert unter der Schilderung der so genannten „First World Problems“. In „Isotype“ wird das Ganze noch auf die Spitze getrieben. Ich schrieb auch darüber bereits. Spätestens jetzt könnte dem Hörer dämmern, dass es gar nicht so etwas tolles ist, dieses Ding namens Zukunft voller Effizienz.

„Robot Man“ ist dann fast so eine Art New Wave der Achtziger, wie man es von Heaven 17 kennt. Der Robotermann lässt ihn rennen. Im Kopf ist er die perfekte Maschine, denn dort, wo ein Herz sein sollte, ist ein großes Loch. „What have we done“ bringt mal wieder Paul Humphreys als Sänger. Der verspielte Walzer ist aber sehr ernüchtert. Was haben wir getan, alles weg zu rationalisieren? Nun können sich die Träume nicht mehr entfalten. Und am Ende sind nur noch die Narben zu sehen.

„Precision and decay“ erzählt genau das: Präzision und Verfall. Vom Luxus bis zur Mülldeponie verläuft die Autobahn des Wohlstands. In der Ford-Fabrik in Michigan arbeiten Mensch und Maschine zusammen. Es gibt nichts außer einer Maschinerie, die Arbeitskraft einspart. „As we open, so we close“ erzählt von den Schmerzen der schweren Arbeit, bei der die Hände aufreißen und vernarben und ihre Gelenke in Tränen geschmiedet sind. Gebadet in Liebe, wird er sich wie neu fühlen und sein wahres Gesicht zeigen.

Kunst, Maschinengewehre, Knutschereien

„Art eats art“ zählt Künstler der Vergangenheit auf. So ist die Rede von Rembrandt, Renoir, el Greco, Haydn, Stockhausen – Sie alle werden von den Nachfolgern verschlungen. Auch das ist eine Strafe, die der Luxus mitbringt. „Kiss kiss kiss, bang bang bang“ ist bösartig. Mao-Tse Tung und die USA haben die Welt verkauft und ein Auto gekauft und sind zu weit gegangen. Liebe und Krieg, alles ist fair, und alles macht krank. Die legendären „Mr. Hyde“ und „Dr. Spock“ sollen sich und ihre Theorien ficken, denn nichts kann ihm näher kommen. Au, Backe! Was für eine wilde Geschichte!

In „One more time“ wird die Geschichte einer Liebe aus der Vergangenheit erzählt, an der sein Herz brach. Er kann es immernoch nicht ausstehen, ihr Gesicht zu sehen. Mit „La Mitrailleuse“ gibt es eine echte Sound-Collage, über die ich hier schrieb. „Beuge deinen Körper dem Willen der Maschine!“, heißt es, und es ist ein ganz bemerkenswertes Stück Musik.

„Ghost star“ ist dann das Highlight des Albums. In all der Hoffnungslosigkeit voller Dämonen im Kopf muss man dann irgendwann die Pferde zähmen. Und wenn alles erledigt und die Schmerzen begraben sind, braucht man jemanden, der einen zu Bett bringt. Ein großartiges Epos. „The view from here“ fordert schließlich dazu auf, sich seinen Ängsten zu stellen, diesen Berg zu bezwingen und die Aussicht zu genießen. Auch wenn man rückwärts den Hang runter rutscht und sich verzweifelt an der Hoffnung fest klammert. Es ist einfach gesagt und getan von hier aus.

Selten waren OMD nachdenklicher und elektronischer

Es blubbern die Elektronik-Effekte, knarzen die Rhythmen, gucken hinter jedem Lied Kraftwerk um die Ecke, rechnen McCluskey, Humphreys, Cooper und Kershaw mit der gnadenlos effizienten Welt ab. Alles wird aber gleich zunichte gemacht durch die einzigartigen Melodien, zu denen die alten Männer auch nach knapp 40 Jahren Bandgeschichte noch in der Lage sind. Wenn wir die erschütternde Abrechnung mit einer früheren Beziehung, „One more time“, sehen, erwartet niemand eine fröhliche Pop-Nummer mit Mittanz-Charakter, oder?

Mit „The Punishment of Luxury“ haben sich die vier Herren zum wiederholten Male auf ihre Wurzeln besonnen. Zum Teil klingen sie auch so wie 1979 / 1980. Dabei ist die aktuelle Scheibe in großen Teilen um einiges düsterer, als so mancher Vorgänger. Und sie ist so typisch OMD. Denn die Band ist Wiederholungstäter: „The Punishment of Luxury“ ist wie so jedes zweite Album der Band ein Konzeptalbum. Und das Album bietet mit „Precision and decay“ und „La Mitrailleuse“ wieder zwei Sound-Collagen, die ein Album der Band immer veredeln.

Das Zusammenspiel aus der menschlichen Faszination für Technologie einerseits und der Einsamkeit, die sie bringen kann, andererseits ist das, was „The Punishment of Luxury“ ausmacht. Es wird auch die alte Udo-Lindenberg-Frage „Wozu sind denn eigentlich Kriege da?“ abgearbeitet. Mit all dem ist die Band zwar fast 40 Jahre alt, was man auch an der Souveränität hört. Sie waren aber selten so wütend auf die Entwicklung der hochentwickelten Gesellschaften dieser Welt und haben das mit lieblicher Musik untermalt. Typisch OMD.

Luxus wird bestraft

Die Bestrafung des Luxus – so, wie das Album heißt – bedeutet für die Band, dass es dem Westen noch nie besser ging als jetzt, aber dennoch ist niemand zufrieden damit. Es herrschen die Marketing-Strategen, die die Wertschätzung für andere und die Frage, ob wir geliebt werden, diktieren. Leute mit einem Mittelklasse-Handy sind in dieser Welt weniger wert als Menschen mit einem iPhone. Und das ist die Strafe, die der Luxus bringt.

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