SCOUNDREL DAYS von a-ha

Scoundel Days – Tage des Schurken. Ich möchte ein paar Worte über ein Lied von a-ha verlieren, das in die beiden Kategorien Beeindruckend und Kryptisch gehört. Jeder kennt die Gassenhauer „Take on me“ oder „The Sun always shines on TV“. Aber „Scoundrel Days“ eben nicht ganz so sehr. Einerseits weil es keine Single war. Andererseits weil a-ha auf dem ganzen zweiten Album namens „Scoundrel Days“ nicht mehr so eingängig waren. Wer die Norweger als Pop-Musiker bezeichnet hat, wurde spätestens beim ersten Lied des Albums, eben jenem „Scoundrel Days“, eines besseren belehrt. Und darum geht es.

Das Titelstück „Scoundrel Days“ kommt mit einer gewaltigen Bandbreite all dessen um die Ecke, was die drei Männer drauf haben. Eine unbequeme Melodie, kalte Instrumentierung, eine kryptische Geschichte und der atemberaubende Gesang von Morten Harket, der über allem thront. Ich versuche einmal, die Geschichte in diesem Lied zu entwirren. Ich habe keinen blassen Schimmer, ob mir das gelingt.

Scoundrel Days – Versuch einer Übersetzung

Hat da jemand geschrieen? Ich war es jedenfalls nicht. Ich hebe den Kopf aus unruhigen Kissen und stelle meine Füße auf den Boden. Ich schneide mir ins Handgelenk wegen eines schlechten Gedanken und renne zur Tür hinaus. Draußen auf dem Bürgersteig macht die Dunkelheit kein Geräusch. Ich kann den Schweiß auf meinen Lippen spüren, wie er in meinen Mund läuft. Ich bin auf dem Weg raus zu den steilen Hügeln. Sie lassen mir keine Wahl.

Aus Mangel an Optionen laufe ich gegen den Wind. Ich träume Bilder von brennenden Häusern, ich wusste nie etwas anderes zu tun. Mit dem Tod, der am Morgen unangemeldet und neu kam. War es zu viel verlangt, ein kleines Gewicht zu ziehen? Sie verzeihen alles außer wahre Größe. Das sind Tage des Schurken. Und ich bin nah dran, ihre Namen zu rufen, als der Stolz mir ins Gesicht schlägt. Ich erreiche den Stadtrand, habe Blut in meinen Haaren. Ihre Hände berühren meinen Körper von überall. Aber ich weiß, ich habe es geschafft, als ich in die Luft ging.

Und sieh! Unsere Leben sind in der Entstehung. Wir glauben durch Lügen und Hass daran, dass Liebe durchgeht. Durch die Tage des Schurken.

Scoundrel Days – Versuch einer Deutung

Stellen Sie sich einen Soldaten vor, der gegen seine Überzeugung in den Krieg ziehen musste. Er führte Krieg gegen die Revolution in seinem Heimatland. Er hatte keine Wahl, und so schnitt er sich die Pulsadern auf. Denn er wollte die Alpträume von brennenden Häusern und schreienden Familien loswerden. Er konnte nicht glauben, dass er das Alles mit veranstaltet hatte. Aber es war sein Befehl zum Töten und Abbrennen der Häuser des Widerstands. Er hatte das Alles für so lange Zeit getan, dass er nichts anderes als Zerstörung mehr kannte.

Er flüchtete dann von seiner Stellung, von seinem Posten. Und er rannte zu den Hügeln. Bevor er sich darüber klar wurde, rannte er bereits bis zum nächsten Morgen. Aber er schaffte es nur bis zum Rand der Stadt, wo er von seinen Kameraden gefunden wurde. Sie versuchten, ihn zu retten. Und in diesem Augenblick stirbt er, und seine Seele fliegt davon von den Tagen des Schurken.

A-ha haben immer angeklagt. Sie haben immer auf Missstände hingewiesen und auch drastische Bilder gemalt. Die anklagende, eiskalte Nummer könnte mit der Deutung zusammen kommen. Es wäre nichts ungewöhnliches für a-ha. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, als Michail Gorbatschow 1986 die Atom-Abrüstung gefordert hatte, und halb Afrika in Kämpfen gefangen war, spielen in den Achtzigern immer wieder Menschen eine Rolle, die gegen ihre Überzeugung eine Waffe führen mussten.

Und vergessen wir nicht die Irland-Krise, die im englischen Sprachraum einfach nur „The Troubles“ genannt wird. Gerade in den Achtzigern kam es zu einer erneuten Eskalation des seit den Sechzigern wütenden Konflikt um Nordirland. Wie viele Menschen wurden da getötet? Und wie viele mussten gegen ihre Überzeugung handeln und die Waffe gegen das eigene Volk erheben? Jeder, der gegen die eigene Bevölkerung kämpfte, war ein Schurke, ein Scoundrel, der unterste Bodensatz. Und hier greift das Lied perfekt, wie ich finde.

Scoundrel Days – Die Musik

„Scoundrel Days“ ist kein Pop. So wie eigentlich das Gesamtwerk der Band nicht als Pop bezeichnet werden kann. Aber speziell bei diesem Lied zeigt sich der New Wave, den a-ha bis heute machen. Der weite Spannungsrahmen von „Scoundrel Days“ wird getragen durch eine eiskalte Instrumentierung und der überragenden Stimme von Morten Harket, der beeindruckend das Lamento in der Geschichte vorträgt. Ich habe selten bewegendere Musik gehört, die derart kryptisch und so typisch a-ha daherkommt. Hören Sie mal:

A-Ha - Scoundrel Days (HQ)
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3 Replies to “SCOUNDREL DAYS von a-ha”

  1. Interessante, wenngleich nicht an jeder Stelle bis in die letzte Facette nachvollziehbare Deutung. Aber darauf kommt es auch nicht an. Und in der Hauptsache gebe ich dem Autor Recht: sowohl Musik als auch Text enthalten Kryptisches, das sich stets einer Letztoffenbarung immer wieder erfolgreich zu entziehen vermag. Vielleicht gerade dadurch bleiben mir a-has Lieder immer ein Bedürfnis. Ich nehme an, dass es DeMo-Fans (also den echten, die seit den 80-ern mitfiebern) ähnlich ergeht. Bei mir ist es a-ha.
    Interessant für mich: Das Sujet des „nicht ganz sauberen“ Helden finde ich fortgesetzt in a-has nächster Scheibe (Stay on these roads, 1988). Dann folgte der Ausfallschritt zum (handmade-erdigen) Rock mit einer weiteren herrlichen Platte (East of the sun…1989/90). Leider war den Herren da schon nicht mehr der Massenerfolg vergönnt. Meine besten Freunde und ich jedenfalls, wir waren uns sicher: a-has beste Leistung. Witziger Weise glaube ich heute, etliche Jahre später, dass viele Lieder aus Mags‘ und Pauls Feder „rocken“, selbst wenn man sie nur mit Klavier oder/und Gitarre begleitet. Kommt einfach darauf an, wie man unter den getragenen Melodiebögen rhythmisiert. Man merkt, ich komme ins Schwärmen… Darum: einfach mal wieder reinhören von „Living a boy’s adventure tale“ über „The Living Daylights“ bis hin zu „Living at the end of the world“ – es lohnt auch noch bis 2035, wenn wir 50 Jahre a-ha feiern werden.

    1. Hallo Step,

      Deutung ist ja immer etwas subjektives. Klar, jeder kann da ein Stück weit etwas anderes hinein interpretieren. Und das ist das, was dieses Lied so besonders macht. Weil es sich zu keiner Zeit vollständig erschließt. Was ich schrieb, ist eine Möglichkeit. Es kann sein, dass das andere völlig anders sehen.
      Ich denke, dass es sich in vielen Liedern widerspiegelt, dass a-ha niemals „nur Pop“ waren. Es stimmt schon, ein großer Teil der Lieder waren irgendwie rockig. Mit einer anderen Instrumentierung könnte man das sogar von „Take on me“ sagen. Ich würde mich freuen, wenn da noch recht viel kommen würde. Aber als ich beim Konzert war, wirkte Morten Harket schon ziemlich fertig. Ich würde gern etwas anderes behaupten, aber die drei sind nun mal keine 18 mehr.

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