Wer arbeitet, soll essen können – Seltsame Ansichten einer Musikerin

Über das soziale Netzwerk Google+ bin ich auf eine Diskussion aufmerksam geworden, die ich gern mal besprechen möchte.

Eine Musikerin schimpft in diesem Netzwerk (also im Internet) auf das Internet. Sie kündigt an, auf den Download ihrer Musik zu verzichten. Und sie wendet dabei einen Ton an, den man nicht gut finden kann.

Aber der Reihe nach.

Hier erst einmal der Beitrag von Tanja Rathjen bei Google+:

Wer arbeitet, soll essen können!
Ich arbeite seit einigen Wochen an meinem neuen Album und habe auch andere Musiker in meiner Produktion ;)
Das neue Album ist dann NICHT ONLINE erhältlich. Ich produziere einelimitierte und signierte Auflage als CD/Vinyl.
Damit möchte ich ein Zeichen setzen und veranschaulichen, das wir Komponisten/Songwriter absolut lächerliches Geld von Online-Portalen bekommen und NUR durch den Verkauf über unser eigenes Indie-Label von physischen Datenträgern, 100% für unsere Arbeit bekommen! tbc
#100prozent  für 100% Arbeit #musik   #rausausdemnetz
Und liebe Gurus und Propheten…das Internet ist so gut für die Musiker, wie Hämorriden für den Hintern!

Alles schön und gut, Frau Rathjen, und entschuldigen Sie bitte das Großzitat.

Wieso soll das Internet etwas schlechtes für die Musiker sein? Nehmen wir einmal mein Steckenpferd OMD. Falls sie diese Band nicht kennen, die gibt es seit 1976. Die haben sich nach gigantischen Erfolgen in den 80ern und 90ern Mitte der 1990er aufgelöst. 2006 fanden sie wieder zusammen. 2010 kam ein neues Album. „History of Modern“. Im Vorfeld dessen konnte man einige Lieder als Demo-Versionen online hören oder nach Registrierung mit einer Email-Adresse herunterladen. Der Vertrieb des Albums erfolgte über die klassischen Kanäle mit CDs und LPs, aber eben auch über den eigenen Online-Shop, über Online-Händler und eben auch als MP3-Download.

Ich finde dabei nichts schlimmes, Frau Rathjen. So wurde das Album gut vermarktet. Youtube als Werbehilfe hat dabei gut geholfen. Die Band hat sich als Label nicht etwa Sony Music oder EMI oder BMG ans Bein gebunden, weil man damit großes Pech hatte, und man scheut da als gebranntes Kind das Feuer. Das Label, auf dem das Album erschien, heißt „100% Recordings“.

Wenn OMD etwas über Twitter oder Facebook verbreiten und man hat eine Frage oder Anregung dazu, dann wird man – nicht wie bei Ihnen zu Ihrem Beitrag bei Google+ – keineswegs vollgepöbelt, sondern man erhält gar eine reelle Antwort. Und wohl gemerkt noch einmal: Es handelt sich um OMD, Sie sind Tanja wer?

Ich habe mir Ihre Webseite einmal angesehen. Das böse Internet – Sie schreiben es dann im weiteren Verlauf der Diskussion – kann als Werbemedium durchaus sinnvoll sein. Und das erstmal abseits von der Frage, über welche Kanäle der Vertrieb dann abläuft. Aber Ihre Webseite, die kann ja keine Suchmaschine lesen. Wie soll Sie dann irgendwer im Internet finden? Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass Flash nicht mehr zeitgemäß ist? Sie schreiben auf Ihrer Seite, dass Sie u.a. Apple-Produkte nutzen. Apple blockiert seit längerem Flash. Merken Sie nicht, dass da etwas nicht zusammenpasst?

Aber das Hauptproblem ist nach wie vor Ihre Kommunikation: Der erste Kommentator zu Ihrem Beitrag bei Google+ fragt nach, wie Sie dann die Werbung für Label und Tonträger machen wollen. Ihre pöbelige Antwort war: „in dem wir Leute wie Dich meiden, ganz einfach“. Sind Sie nun Profi oder nicht?

Ich habe mit dem Beitrag das erste Mal von Ihnen überhaupt gehört. Und nach diesem Auftritt reizt es mich nicht sonderlich, mehr von Ihnen zu erfahren oder Ihre Musik zu hören. Im Internet wartet möglicherweise Publikum auf Sie. Das verschrecken Sie durch solche Pöbeleien und solche seltsamen Ansichten.

Das Internet ist etwas sehr gutes, wenn es sinnvoll eingesetzt wird. Alles andere ist nicht seriös und sollte nicht ernst genommen werden. Und damit kann ich Sie nicht ernst nehmen. Machen Sie’s gut. Ich hätte mir Ihre Musik angehört, wenn Sie weniger gepöbelt und mehr auf Sinnhaftigkeit geachtet hätten.

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