Hetze auf RB Leipzig – Neues Finanzierungsmodell für Clubs?

RB Leipzig steht wie nichts anderes im Profi-Fußball in der Kritik wegen des Engagements von Red Bull. Sollten Clubs anders bezahlt werden? Sollte Sponsoring verboten werden? Sollten finanzielle Engagements wie Anteilsverkäufe und Ausgliederungen in Kapitalgesellschaften abgeschafft werden? Könnte ein zentrale Verteilung von Geldern aufgrund von Leistungen der Teams des Rätsels Lösung sein? Die Situation um das Hassobjekt Nummer 1 im deutschen Profi-Fußball regt zum Nachdenken an.

Lok? VfB? What the fuck?

Ich bin waschechter Leipziger. 1973 geboren. Ich habe deshalb die Glanzzeiten des damaligen 1. FC Lokomotive Leipzig miterlebt. Ich habe mitgefiebert, als man im UEFA-Pokal der Pokalsieger gegen Girondins Bordeaux im Halbfinale erst ausschied. Ich habe immer mitbekommen, was da beim „FC Südfriedhof“, wie er jetzt manchmal genannt wird, ablief.

Die Neunziger waren dann von Pleiten, Pech und Pannen gefüllt. Vereinsgelder verschwanden, Mauscheleien fanden statt, der Club ging dann als VfB Leipzig gnadenlos unter und trat schließlich ab. Mit abgehalfterten Profis hatte man versucht, gegen Vereine wie Borussia Dortmund oder gegen die Bayern zu bestehen, was natürlich schief ging. Und so wurde der VfB Leipzig im Jahr 2003 aufgelöst.

Im gleichen Jahr gründete sich der 1. FC Lokomotive Leipzig neu und erklomm über die Jahre die Ligen von Liga 11 bis Liga 5. Aber das Umfeld war grauenvoll. Und mir war es eigentlich egal, was mit dem Club passierte. Aber ich finde es gut, dass man sich auf professionelle Füße stellt und gemeinsam mit einem Investor aus dem sportlichen Jammertal herauskommen will. Das ist nun Tradition seit 11 Jahren und 4 Monaten.

Der grün-weiße Rest von Leipzig

Der „Rest von Leipzig“ war ja erst ein investorengetriebener Verein. Die BSG Chemie Leipzig hatte einen Trägerbetrieb. Als es das nach der Wende nicht mehr gab, fusionierte man mit der BSG Chemie Böhlen zum aussichtsreichen FC Sachsen Leipzig. Das Schnellboot in die Bundesliga war geboren. Bis in die dritte Liga ging es. Aber immer wieder finanzielle Probleme, Insolvenzen und schließlich die Tilgung des Vereins 2011.

Aus dem Verein stieg eine BallSG Chemie Leipzig bereits 1997 aus und fummelte als Freizeit-Kicker irgendwo rum. Mittlerweile sind sie bis in die Landesliga, also der 6. Spielklasse, hoch gerutscht. Und irgendwie hält man sich. Aus dem Umfeld hört man aber nicht immer gutes. Parallel zur Tilgung des FC Sachsen wurde eine SG Leipzig-Leutzsch gegründet, die aber 3 Jahre später schon den Spielbetrieb wieder einstellen musste. Es ist also nicht viel aus dem Leipziger Westen zu erwarten.

Und sonst so Leipzig?

Über den FC International Leipzig möchte ich nicht allzu viel erzählen. Es gibt schlicht und ergreifend zu viel, was nicht bekannt ist. Jedenfalls strebt man in orangen Leibchen den Aufstieg als zweite Größe hinter RB Leipzig an. Meinen Segen haben sie, aber es gibt nicht viel, was man dazu weiß.

Was ich damit meine

Diese Beispiele zeigen doch eigentlich, wie kaputt die sportliche Infrastruktur in Leipzig war. Es gibt ja noch eine SG Motor Gohlis-Nord, einem der großen Vereine Leipzigs, die aber niemals aus dem Jammertal nach oben kommen – und es vielleicht auch gar nicht wollen. Und das, obwohl man im zweitgrößten Stadion nach der Red Bull Arena spielt.

Aber die sportliche Infrastruktur war kaputt. Was meinen Sie? Wäre denn aus so einem Sumpf irgendwas brauchbares in höhere Ligen gekommen? Ich meine, bei Lok sind die sportlichen Möglichkeiten freilich begrenzt, weshalb auch in Liga 5 Schluss ist. Die anderen stehen noch tiefer. Und keiner von denen hat irgendeinen Sponsor, mit dem ein sportlicher Wandel möglich wäre. Und das war der Grund, warum es für Red Bull so einfach war, in Leipzig offene Türen einzulaufen.

Natürlich kann man Red Bull skeptisch sehen. Auch ich sehe das nicht allzu glücklich. Aber wenn sonst nichts möglich ist, dann muss es wahrscheinlich so etwas in der Art sein. Und Lok Leipzig ist mit ihrem Investor ETL ganz zufrieden. Na, sollen sie doch. Wenn es anders nicht geht, muss es eine solche Lösung geben.

Schluss jetzt! Eine neue Finanzierung muss her!

Fußball kostet Geld. Und das nehmen die Vereine und Kapitalgesellschaften über Eintrittsgelder, Fernsehgelder, Sponsoren und all das ein. Tja, und eben auch durch Investoren. Ob es der FC Augsburg durch Seinsch, die TSG Hoffenheim durch Dietmar Hopp, Hannover 96 durch Kind Hörgeräte, der HSV durch Kühne & Nagel oder wer auch immer ist. Das ist der kapitalgetriebene Profi-Fußball, den die Fans haben wollen, weil sie eben klangvollen Namen zujubeln wollen. Und je klangvoller der Name, desto teurer der Spieler. Und womit soll der bezahlt werden?

Wenn wir nun hergehen würden und jeglichen Kapitaltrieb unterbinden würden, müsste man ein leistungsgetriebenes Bezahlsystem einführen. Das würde bedeuten, dass alle Sponsoren-, Fernseh-, Werbe- und Eintrittsgelder zentral eingenommen werden müssten und dann – je nach Ligazugehörigkeit und Platzierung – an den jeweiligen Verein ausgeschüttet werden müssten.

Will das auch nur ein Verein? Ich meine, damit wäre ein Xabi Alonso sofort weg von den Bayern. Und André Schuerrle wäre nicht für 35 Millionen Euro Ablöse-Summe zum VFL Wolfsburg gewechselt. Jeder Verein hätte die gleichen Chancen. Und man würde eben nicht ständig nach dem Geld schielen müssen.

Aber wären die Stadien dann auch noch so gefüllt wie heute? Würde Borussia Dortmund seine 80000 Plätze Schüssel dann trotzdem noch bei jedem Heimspiel ausverkauft haben, wenn eben keine Stars mehr da wären? Oder die Allianz-Arena in München? Wäre die noch voll ohne hochbezahlte Stars? Es käme auf einen Versuch an. In etwa so:

  • Jeder Verein, der zu Saisonbeginn keine Schulden hat, bekommt eine Art Grundausstattung
  • Jeder Verein, der ein Unentschieden in einem Pflichtspiel erzielt, bekommt für dieses Pflichtspiel Summe X
  • Jeder Sieg wird mit Summe X mal 2 vergütet
  • Die Summe X verdoppelt sich mit der nächst höheren Liga

So in etwa. Jetzt bin ich kein Sportfinanz-Jongleur. Aber es dürfte klar sein, dass so etwas Blödsinn ist. Aber dieses ständige Wettrüsten der Vereine um die besten Spieler mit den klangvollsten Namen ist nicht gesund. Dabei gehen kleine Vereine ohne große Gönner über kurz oder lang unter. Es nützt nur denen, die Geld in die Vereine gesteckt haben.

Kritik an RB Leipzig ist OK, aber…

Ich sehe den RB Leipzig aufgrund der besonderen Konstellation mit Red Bull durchaus kritisch. Da mache ich überhaupt keinen Hehl draus. Man wird den Verein immer kritisieren können. Aber ehrlich: Im Prinzip muss man da eher die Leipziger Wirtschaft dreschen. Tagein, tagaus. Und zwar, weil sie den Leipziger Fußball so haben vor die Hunde gehen lassen, dass dieser nur noch durch den „Brause-Onkel aus Österreich“ wiederbelebt werden konnte.

Vielleicht hätte eine Fusion der Chemie-Nachfolger und der Ursprungs-Lok-Nachfolger mehr Anklang gefunden, so wie man es vor 11 Jahren in Ingolstadt gemacht hat. Dort gab es auf Initiative des ortsansässigen Unternehmens Audi die Fusion von MTV und ESC Ingolstadt zum FC Ingolstadt 04. Wäre man in Leipzig über den Schatten gesprungen, den die jahrzehntelange ideologische Teilung von Fußball-Leipzig geworfen hatte, hätte es vielleicht einen FC Leipzig gegeben, der von Flughafen, Stadtwerken und all den ortsansässigen Unternehmen gefördert worden wäre.

Nun hat man aber RB Leipzig. Ich gebe zu, ich war zwei Mal im Stadion. Diesen Besuchen werden weitere folgen. Ich kann mich an Spiele in der Arena erinnern, bevor sie umgebaut war, da hätte man die Stecknadel fallen hören können. Das wird ganz sicher nicht bei RB Leipzig passieren. Mag sein, dass das Alles Eventfans sind. Aber was bitte ist den Profi-Fußball anderes als ein riesiges Event? Und die Stimmung in der Arena ist gut, die Mannschaft spielt (manchmal) sehr attraktiven Fußball, ich habe es nicht weit zum Stadion.

Das Gute ist, dass nicht alles Werbe-überfrachtet ist. Damit ist RB Leipzig sicherlich auch ein Sonderling gegenüber den so genannten etablierten Vereinen. Und wo er ebenfalls Sonderling ist: Jeder Verein hat – mindestens über die ausgegliederte Kapitalgesellschaft – Klüngelei mit Investoren und erzählt nicht groß was dazu. RB Leipzig geht offiziell damit um, indem man immer wieder Red Bull angibt. Das ist ein Stück Ehrlichkeit, die auch oft im Zirkus Profi-Fußball fehlt.

Wie gesagt: Kritik an RB Leipzig ist OK. Aber dann darf man auch gern und mit vollem Enthusiasmus die Gesellschaft, die anderen Profi-Vereine, das finanzielle Wettrüsten um die besten Spieler und die lokale Leipziger Wirtschaft kritisieren. Warum zum Beispiel sponsert mein Arbeitgeber keinen lokalen Fußball-Verein? Kritik schön und gut. Aber dann bitte wegen des gesamten Systems und nicht wegen der besonderen Konstellation bei RB Leipzig.

Kein Umdenken nötig

Nein, wir brauchen nicht ernsthaft darüber nachzudenken, ob denn der deutsche Profi-Fußball-Zirkus anders finanziert werden muss. Er ist nun einmal so, wie er ist. Das hört man ja immer bei irgendwelchen Berichten. Es ist immer ein gewaltiger wirtschaftlicher Anteil dabei. Und wenn jemand erzählt, beim RB Leipzig werde die so genannte 50+1-Regel verletzt, dem sei ins Gesicht gebrüllt, dass dem nicht so ist. Die 50+1-Regel gilt nur bei ausgegliederten Kapitalgesellschaften. Und laut Wikipedia wird sie bei folgenden Profi-Fußball-Konstellationen verletzt:

  • TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH – demnächst 96% Stimmen für Dietmar Hopp
  • Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH – 100% Bayer AG
  • TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA – 60% HAM International Limited
  • VfL Wolfsburg-Fußball GmbH – 100% Volkswagen AG

Im Vergleich:

  • RasenBallsport Leipzig GmbH – 100% RB Leipzig e.V.

RB Leipzig und Red Bull halten der Gesellschaft und dem kranken Fußball-System einen Spiegel vor. Wer glaubt, dass es RB Leipzig gäbe, wenn alle Fußball-Vereine vollständig gemeinnützig wären, der irrt. Und so lang das so ist, so lang wird es immer wieder solche Zankäpfel wie RB Leipzig geben. Es darf sich jeder von der Vorstellung befreien, dass der Profi-Fußball eine Insel der Glückseligen ist. Und deshalb sind eben Vorfälle wie in Karlsruhe auch allerunterste Schublade.

Fazit

Es gibt diesen Spruch „Football is for you and me and not for fucking industry“. Aber diese „fucking industry“ bezahlt den Fußball-Fans ihre wöchentlichen Wohnzimmer und ihre Idole. Diese „fucking industry“ sorgt für Vereinsinfrastruktur und für Wirtschaftlichkeit. Also hört mir bloß auf mit einem nostalgischen „Tradition statt Kommerz“, um damit Übergriffe auf Vereine wie RB Leipzig zu rechtfertigen.

Jaja, das war ein ewig langer Artikel. Aber ich konnte das nicht einfach so stehen lassen, was es so an Ausdünstungen in den Kommentaren unter Veröffentlichungen von Sport-Portalen gibt. Das ist einfach nur weltfremd und nostalgisch. Denn ein neues Finanzierungsmodell für professionellen Fußball wird niemand mitmachen. Und deshalb wird es immer mehr Vereine mit starken Armen im Hintergrund geben.

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