Der Virus

Schmerzhafte Träume. Unterbrochene Nächte. Der Virus, diese erbärmliche Krankheit bringt sie noch um den Verstand. Und dabei hatte alles so leicht und locker angefangen. Und sie hat immer geglaubt, sie entgeht dem Virus. Aber nein, es musste ja anders kommen.

Wieder ist eine Nacht vorbei, in der sie sich erst ruhelos gewälzt hat und in der sie mehrmals aufgeschreckt ist. Ist er weg? Nein, er war gar nicht da. Hoffentlich hat die Familie nichts mitbekommen. Mit halbblindem Blick rührt sie in ihrem Kaffee herum und versucht, diese Nacht zu vergessen. Das hat schon bei den letzten Nächten nicht funktioniert, seitdem der Virus zugeschlagen hatte.

Erst war das Ganze wie ein Spiel. Ein Abenteuer. Es hatte Spaß gemacht. Und immer wieder war es vorbei mit dem Spiel. Sie hatte ja auch ihren Vorteil dabei. Sie konnte das Spiel spielen, als hätte sie die Regeln festgelegt. Eigentlich perfekt. Und eigentlich war es nur des Nervenkitzels wegen. Damit musste endgültig Schluss sein. Basta.

Aber der Virus sah das ganz anders. Er drang tief in sie ein. Er infizierte sie. Ein schwarzer Fleck auf der Seele. Und wie bei einem infizierten Computer geschahen irrationale Dinge. Und der Virus? Er hat sich eingenistet und gibt keinen Laut.

Wie ein Raubtier sitzt er im Dunkeln, in einer verschlagenen Ecke der Seele, und wartet auf das Opfer. Er ruft sich in ihren Träumen immer wieder in Erinnerung. Sieh nur, ich bin noch da. Es nützt nichts, sich dagegen zu wehren. Denn du willst es doch auch.

Ob es ein Medikament gegen diese Erkrankung gibt? Zigaretten sind es nicht. Auch nicht der Qualm, dem man dann gedankenverloren hinterher gafft. Auch ein Schlückchen spült die Auswirkungen der Krankheit nicht weg. Vielleicht reden?

Wenn sie über den Virus redet, weiß sie, sie kann nicht einfach zu jemandem gehen, der ihn einfängt. Es ist ja bewiesen, dass sie den Nervenkitzel lange Zeit bewusst provoziert hat. Wer würde ihr glauben, dass dies nun kein Nervenkitzel mehr war, sondern bitterer, schmerzhafter Ernst? Und könnte sie sich ihrer Familie anvertrauen? Versucht hat sie es. Weil sie sich aber so schäbig gefühlt hatte, von dem Virus, den sie erst in ihre heile Welt gelassen hatte, zu erzählen, redet sie sich eben nicht frei.

So lang sie sich nicht darüber im Klaren ist, was wohl am besten gegen den Virus hilft, der ihr diese Krankheit eingebrockt hat, so lang hilft ihr ihre Arbeit. Auch die unbeschwerte Zeit mit der Familie hilft ihr. Aber es löst nicht das Problem. Und es heilt nicht die Wunde.

Aber eines ist sicher: Der Virus wird bekämpft. Die Krankheit wird geheilt. Und der, der den Virus in sie eingeimpft hat, wird zur Rechenschaft gezogen. Jeder kommt zu seiner gerechten Strafe. So auch solche Leute wie Du!

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