Und der Völkermord an den Armeniern bleibt ein Völkermord

Während des Ersten Weltkriegs hat die Türkei irgendwas zwischen 300000 und 1,5 Millionen Armenier brutal getötet. Und das soll kein Völkermord sein? Die Armenier bezeichnen die Verfolgungen und das Abschlachten als „Aghet“, zu deutsch: Katastrophe. Im Wesentlichen fand das Ganze 1915 und 1916 statt. Es kam zu schrecklichen Massakern und Todesmärschen, wie sie auch die Nazi-Diktatur während des Zweiten Weltkriegs durchführte. Was unter der Reichskriegsflagge stattfand, war Völkermord. Warum nicht das, was unter dem Halbmond durchgeführt wurde? Lesen Sie das mal bei Gelegenheit.

Am 02. Juni 2016 beschloss der Deutsche Bundestag die so genannte Armenien-Resolution. Die kam auf Antrag der Unionsfraktion, der SPD und der Grünen zustande und heißt „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“. An der Debatte hatte die Bundeskanzlerin, der Außenminister und der Vizekanzler nicht teilgenommen. So wichtig war den wichtigsten Politikern der politischen Führung Deutschlands die Aufarbeitung.

Und nun kommt es knüppeldick für die Armenier. Ich wiederhole es noch einmal: Was im so genannten „Dritten Reich“ stattfand, wurde als Völkermord eingestuft. So grundsätzlich anders war das nicht, was die Türken den Armeniern angetan haben. Trotzdem forderte der türkische Präsident Erdogan, das Ganze nicht als Völkermord einzustufen. Warum? Es gibt keinen vernünftigen Grund, den türkischen Genozid an den Armeniern nicht als das Gleiche einzustufen wie den deutschen Genozid an den Juden. Wo ist der Unterschied?

Ich dachte, unsere tolle Bundesregierung hätte wenigstens ein wenig Rückgrat. Aber nun knickt sie ein und macht einen Kotau vor dem so genannten „Boss vom Bosporus“. Wissen Sie, was ein Kotau ist? Das ist das da. Denn ganz plötzlich kommen sie innerhalb der Bundesregierung auf die wahnsinnige Idee, sich von der oben genannten Armenien-Resolution zu distanzieren. Als „Geste an die türkische Regierung“. Lachen Sie nicht, aber damit will die Bundesregierung tatsächlich erreichen, dass deutsche Abgeordnete wieder Bundeswehrsoldaten in Incirlik besuchen dürfen.

Es gab ein Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete, nachdem die Resolution verabschiedet wurde. Und nur weil Abgeordnete einen Kurztrip in die Türkei machen wollen, schenken sie die Achtung vor einem kompletten Volk her? Für wie wahnsinnig muss man diese Regierung noch einstufen? Mir kommt dieser ganze Unsinn, den diese Regierung unter der Spielleitung von Angela Merkel außenpolitisch fabriziert, wie ein Himmelfahrtskommando vor. Was versprechen sie sich denn davon?

Ich halte zwar auch nicht viel vom Elfenbeinturm in Brüssel. Aber dort vertritt man die klare Meinung, dass man nicht der türkischen Regierung entgegen kommen muss. Wenn in Ankara halt an der Meinung festgehalten wird, dass die so genannten Antiterrorgesetze so bestehen bleiben müssen, wird es keine Visa-Erleichterungen für Türken in Richtung EU geben. Warum kann die Bundesregierung nicht ähnlich standhaft sein, wenn es um die Deutung von grauenvollen Ereignissen vor hundert Jahren geht?

Ein Völkermord bleibt ein Völkermord bleibt ein Völkermord. Dieser Straftatbestand verjährt nicht, weshalb diese Begrifflichkeit auch von immenser Bedeutung ist. Die Definition des Begriffs Völkermord oder Genozid ist eine Tat mit der speziellen Absicht, auf direkte oder indirekte Weise eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Worin besteht der Unterschied zu dem, was die Türken mit den Armeniern gemacht haben?

Ich sehe keinen. Sie etwa? Die Bundesregierung offenbar schon. Welchen, erzählt sie natürlich nicht. Warum auch? Das Verbrechen der Verbrechen ist nun plötzlich keines mehr, wenn es um das Niedermetzeln (Cidere) eines ganzen Volkes (Genos) – also der Völkermord (Genozid) – geht. Das verstehe, wer will. Der Völkermord an den Armeniern muss als solcher definiert bleiben, egal was der Präsident in Ankara so alles will.

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