ADKAR – Was zum Geier ist das?

Leute, ich muss euch was erzählen. Ich habe das erste Mal von ADKAR gehört. Nein, nicht irgendeine Marke oder irgendein Spaß. DAS MEINEN DIE WIRKLICH ERNST! Ich habe ja sonst nichts zu tun. Also sollte ich bei einer Art Workshop teilnehmen. So etwas wird ja pausenlos uns Büromenschen angedreht. Und jetzt musste ich mir mal ein paar Gedanken darüber machen, was ich so von ADKAR halten soll. Glaubt mir, ich tue mich da schwer.

Was ADKAR sein soll

Ich habe da so einen Workshop. In dem geht es – ich schrieb es bereits – um ADKAR. Das ist ein Modell für „zielorientiertes Change Management“. Jetzt denken die ITler unter uns – also ich auch – sofort: Change Management, da geht’s doch sicherlich um Hardware-Tausch und sowas. Naja, nicht so ganz. Dennoch wurde der Referent nicht müde, einen Kollegen anzusprechen, der bei einem Kunden für IT Changes verantwortlich ist. Aber sei’s drum. Jetzt geht es mal um den Begriff an sich.

Das Ganze wird von einem Beratungsunternehmen namens PROSCI propagiert. Geprägt hat den Begriff Gründer Jeff Hiatt. Und ich habe dazu gelernt, dass die Firma wohl ganz dicke mit Microsoft ist. Wie dem auch sei, jedenfalls ist ADKAR ein Akronym. Man kann also die einzelnen Buchstaben als Wort sprechen, und die Buchstaben stellen einen Begriff dar. Und da wären:

  • A – Awareness – Bewusstsein
  • D – Desire – Wunsch
  • K – Knowledge – Wissen
  • A – Ability – Fähigkeit
  • R – Reinforcement – Verstärkung

Guckt nicht so ungläubig! Ich hab mich doch auch ziemlich schnell wieder eingekriegt. Das scheint irgendwie Menschen nahegelegt zu werden, auf die tiefgreifende Änderungen zukommen. Die müssen nämlich erstmal das Bewusstsein haben, dass es diese Änderung geben wird. Darauf soll der Wunsch folgen, diese Änderung mitzumachen. Dazu brauchen sie aber das Wissen, woraus sie eine Fähigkeit bekommen sollen. Und wenn die Änderung durch ist, sollen sie gestärkt sein.

So oder so ähnlich so das sein. Jetzt sagt doch mal was! Liege ich komplett daneben? Ich habe doch keine Ahnung. Und wenn man so nach ADKAR im Internet sucht, stößt man schnell mal auf Werbung oder E-Books oder – naja – Seminare, in denen man lernt, wie man anderen Seminare andreht, in denen sie mit ADKAR wieder Seminare andrehen. Ob ich also hier Blödsinn erzähle oder nicht, kann ich also nicht mit absoluter Sicherheit sagen.

Was soll das denn überhaupt?

`“Was ist das für ein Quatsch?“, habe ich mich am Anfang gefragt, als die Referenten mit ihrem Kram anfingen. Wer bist du? Was ist deine Superkraft? Hä? Was? Aber so im Laufe der Zeit wurde das ein bisschen klarer. Ich fühle mich zwar immernoch komplett unwohl dabei. Aber wenigstens ist mir so ein wenig klarer geworden, was das Alles überhaupt soll. Es gibt tatsächlich krasse Veränderungen. Es geht doch irgendwie darum:

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

Schiller?

Die Gesellschaft macht jede Menge desruptive Veränderungen durch: Digitalisierung, Klimawandel, bewusstes Leben etc. Darüber hinaus tut sich bei mir beruflich gerade enorm viel, was mich bisweilen überfordert hatte. Und weil das ja noch nicht genug ist, habe ich meine Interessen verändert. Und da sollst du nicht bekloppt werden? Dass es solcher Änderungen bedarf, ist klar. Aber sonst so?

Das erste A habe ich also. Aber will ich das? Ja, ich erfinde mich ja auch ab und zu mal neu. D ist erfüllt. Aber ich weiß nicht, wie das gehen soll. K und zweites A passen also nicht. Und deshalb kann ich da noch nicht gestärkt raus kommen. Das R ist also weit weg. Und irgendwie fragt man sich, ob es denn wirklich so genau genommen gehört.

Was halte ich denn davon?

Du brauchst die richtige Mindset Shift. So in etwa dachte ich am Anfang. Also wie in dem verlinkten Artikel. Aber ist das wirklich kompletter Bullshit? Nicht ganz. Grundsätzlich ist es schon so, dass es so etwas wie diese Phasen geben mag. Aber ob man es am Ende wirklich streng getrennte Phasen nennt, muss jeder für sich selbst einschätzen. ADKAR mag soweit funktionieren. Ich will ja auch so etwas wie einen Kompass haben, woran ich mich orientieren kann. Aber übertreiben braucht man es nicht.

Das kam mir am Anfang tatsächlich so vor wie in einer Selbsthilfegruppe. Aber diese Seminare oder Workshops oder so haben schon ihre Bewandtnis. Und sei es in der Firma nur, dass der Arbeitgeber Flagge zeigt und seinen Mitarbeitern zeigt, dass sie bei großen Veränderungen nicht allein gelassen werden. Ich sehe das so, dass Arbeitgeber eine Verantwortung für ihre Mitarbeiter haben.

Ich meine, es gab einen Konzernzusammenschluss. Meine Abteilung ändert sich grundlegend. Das Arbeiten an sich ändert sich. Dazu haben wir nach wie vor eine Pandemie. Wer da nicht irre wird, ist zu bewundern. Dass es da im Arbeitsumfeld zu gravierenden Änderungen kommt, ist nachzuvollziehen, oder? Gut, dass da meine Firma nun zeigt, dass man da nicht ganz allein ist. Ob es was bringt, kann ich nicht sagen. Denn das „Wozu“ habe ich noch nicht ganz verstanden.

Fazit

So, jetzt muss ich mal zum Ende kommen. Also: ADKAR hilft mir jetzt nicht bei meiner täglichen Arbeit. Dafür brauche ich das Handwerkszeug, das ich eh mitbringe und das ich hoffentlich immer weiter verbessern kann. Aber jetzt solche gravierenden Veränderungen besser einordnen zu können und diese dann auch mitzutragen, das kann man nicht mitbringen. Und deshalb braucht man da eine Art Kompass. Und dafür ist ADKAR wohl ganz gut.

Ob ich dadurch ein „besserer Mensch“ werde, wage ich zwar zu bezweifeln. Aber es kann nichts schaden, so etwas mal mitgemacht zu haben. Im Grunde bin ich ganz froh, dass meine Firma da den Zahn der Zeit erkannt hat. Das Leben ist Veränderung. Sie sollten aber sinnvoll sein und jedem auch etwas bringen. Und dabei kann so etwas helfen. Aber ich weiß es halt nicht genau. Was denkt ihr denn darüber?

5 Replies to “ADKAR – Was zum Geier ist das?”

  1. Es gibt ja dutzendweise solche neuen Management-Seminar-Dinger, die den Leuten verkauft werden. Wenn man sich die oberflächlich ansieht, dann sieht das alles sehr schlüssig aus und total supi. Und die Seminaranbieter machen Kohle ohne Ende. In Wirklichkeit dreht es sich bei allen „Systemen“ aber nur darum, dass man den Angestellten dazu motiviert, „besser zu leisten“. Ich habe selbst mal bei der Erstellung eines solchen Systems mitgeholfen. Da dachte ich damals – wow, geil, wenn sich das durchsetzt, dann haben wir menschlichere, leistungsfähigere Unternehmen. Im Endeffekt haben nun, 15 Jahre später, vor allem eine weitere Riege „Coaches“ ein Auskommen und der Gründer, der anfangs nicht mal meine Rechnungen pünktlich zahlen konnte, ist jetzt stinkereich.
    Es geht bei allen diesen Systemen vor allem darum, den Mitarbeitern weis zu machen, sie wären den Chefs wichtig. So dass sie noch mehr arbeiten. Das ist aber langfristig nicht über solche „Erfolgssysteme“ zu realisieren, sondern nur über Chefs, denen die Mitarbeiter ein echtes Anliegen sind. Deswegen zeigen solche Coachings immer einen kurzfristigen Erfolg, weil die Mitarbeiter, die das Spielchen noch nicht kennen, drauf reinfallen. Wenn sie dann merken, dass sich nichts geändert hat, haben sie miese Laune, weil sie sich sagen „Die hätten das Geld für diese Beraterfirma auch mir geben können, ich hätte denen schon sagen können, was schief läuft.“
    Wie gesagt, ich habe jahrelang in dieser Beraterbranche zu tun gehabt – es geht darum, dass unfähige Chefs die Verantwortung an unfähige externe Berater/Coaches abgeben, damit sie, wenn’s schiefgeht, ihren Oberchefs sagen können „Das war nicht ich, das war der Berater.“
    Eine der wesentlichen Elemente eines solchen Systems sind selbst definierte Begrifflichkeiten, meistens unter Verwendung von aktuellen Buzzwords – hier: Awareness. Da gibt’s dutzendweise Definitionen dafür und man kann sich prima raussuchen, was gerade passt – und jeder versteht nochmal was anderes drunter. Ich hatte mal ein „Coaching“ von so einem Helden und habe nachgefragt, was er denn nun genau unter diesem einen Ding versteht, was er mir verkaufen will. Da kam er gewaltig ins Stottern und ich habe den Typen umgehend rausgeworfen.
    Wenn dieser Seminarleiter euch nicht erklären konnte, was er unter seinen Begrifflichkeiten wirklich versteht, dann ist die Nummer sehr teuere heiße Luft.

  2. Hmmm…
    also wenn man die englischen Begriffe eindeutscht, dann wird aus:
    A – Awareness
    D – Desire
    K – Knowledge
    A – Ability
    R – Reinforcement
    dies hier:
    B – Bewusstsein
    W – Wunsch
    W – Wissen
    F – Fähigkeit
    V – Verstärkung
    BWWFV! Das hört sich mindestens genau so Kacke an! Wenn man versucht das auszusprechen, gehen die Umstehenden in Deckung, weil die glauben, man würde sich gleich übergeben. Und so fühle ich mich auch immer, wenn es um solche Selbstfindungs-Seminare geht, bei denen „hochwissenschaftlich“ erklärt wird, warum man zuerst die Socken anzieht, und dann die Schuhe – und nicht umgekehrt. Klar, kann man auch machen – sieht halt nur öhhmm.. wie heisst das Wort? genau kacke aus. 2x das Wort kacke in einem Absatz? Und damit ist ziemlich klar, was ich von solchem Blödsinn halte, oder?
    In den USA mögen derlei Seminare sinnvoll sein – den Hillbillys da drüben muss man ja die einfachsten Zusammenhänge erklären, sonst würden die vor lauter Dummheit glatt aufhören zu atmen – in Deutschland muss man uns nicht unbedingt den Sinn des Lebens und die Zusammenhänge der Körperfunktionen erklären.
    Ein Seminar um den Mitarbeiter darauf vorzubereiten, dass große Veränderungen anstehen? Das ist ja meistens der Fall, wenn die HR die Kündigung schon zur Unterschrift vorbereitet hat und der Chef dich zu einem persönlichem Gespräch bittet, indem er dir erklärt, dass die Kündigung „als eine neue Herausforderung“ gesehen werden soll.
    Nee.. geh mir weg damit… ;-)
    CU
    Peter

  3. Die Amis sind mal generell nicht blöder als wir. Daran liegt es nicht. Und im Prinzip ist die Erforschung von Veränderungsvorgängen in Unternehmen auch ne sinnvolle Sache. Und eines der großen Probleme, die man als Cheffe in einem Unternehmen hat, sind unflexible Mitarbeiter. In jeder Stufe der Hierarchie. Aber hierarchische Strukturen fördern vor allem hierarchisch denkende Menschen – und das ist das genaue Gegenteil von Flexibilität. Eine Company aus hochflexiblen Mitarbeitern ist anarchisch strukturiert. Die verändert sich schon aus sich heraus dauernd. In dem Augenblick, in dem Change Management nötig wird, ist es eigentlich schon zu spät – denn das bedeutet, die statischen Charaktere haben die Macht übernommen. Und die werden echte Veränderung nicht akzeptieren, weil sie ihren Status bedroht. Schon der Versuch, sie davon zu überzeugen, dass sie Dinge verändern – ist gleich ein Risiko eingehen – müssen, um später mehr Möglichkeiten zu haben, ist zum Scheitern verurteilt. Warum werden Krankenpfleger keine Gesundheitsminister? Weil die hierarchischen Strukturen alles unternehmen werden, um das zu verhindern. Die haben nichts gegen den Krankenpfleger. Solange er nicht ihre eigenen Aufstiegschancen sabotiert. Deshalb sind selbst die besten Change-Management-Systeme zum Scheitern verurteilt – weil der Apparat, der das durchsetzen müsste, selbst das Problem ist. Wenn der unfähige Bereichsleiterbetonkopf Change-Management durchsetzen soll, wird er zwangsläufig scheitern. Und der fähige Bereichsleiter hat das nicht nötig, weil er längst reagiert hat – bevor das obere Management überhaupt Bedarf bemerkt.

  4. Für mich klingt das nach beliebigem Coaching-System-Motivations-Leistungs-Bullshit. Nach einer der besten Methoden ever mit Erfolgsgarantie und Feelgood-Work-Life-Balance-Irgendwas. Schon gefühlt 1000mal gehört und gelesen. Eine Ansammlung total wichtiger und komplett nichtssagender Buzzwords.

    Prädikat: überflüssig.

    Sorry für diesen polemischen Beitrag, aber ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr mich diese immer gleichen „Erfolgskonzepte“ und „Methoden“ aufregen… Zumal es meist immer der gleiche Mist ist, an dem eigentlich nur die Coaches sich dumm und dämlich verdienen, indem sie tolle Bücher schreiben, allenfalls noch wie vollgekokst auf der Bühne rumhüpfen oder – alternativ – einen auf esoterischen Psychotherapeuten machen.

    Und was bleibt beim Kunden hängen von dem ganzen Zinnober: nichts. Denn der Kram ist total beliebig und ähnelt auffallend dem beliebten Bullshit-Bingo.

    Ich glaube, ich erfinde auch mal so ein Konzept, just for fun. Ich denke, ich werde Kundschaft haben, die darauf hereinfällt.

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