Als die Frankfurter Buchmesse außer Kontrolle geriet

Ich war erschüttert, als mir oft in den sozialen Netzwerken Meldungen in den Nachrichtenstrom gespült wurden, dass die Frankfurter Buchmesse kollabiert war. Hintergrund waren wohl Ausschreitungen derer von links gegen derer von rechts. Und all das hatte als Ursache, weil die Frankfurter Buchmesse sehr weit rechts einzuordnende Verlage eingeladen hatte und offen für eine „aktive Auseinandersetzung“ geworben haben. Irgendwie geriet da etwas außer Kontrolle, bei dem es am Ende viele Verlierer gab.

Wer „eintreten“ liest, hebt auch mal den Fuß

Im Sinne der Meinungsfreiheit wollte der Veranstalter, der Börsenverein, den Auftritt von rechten Verlagen zulassen und zur aktiven Auseinandersetzung aufrufen. Man sollte sich nicht davor scheuen, für die Meinungen und Werte einzutreten. Haltung zeigen: Das wollten die Betreiber. Leider ging das gehörig in die Hose. Denn unter Umständen ist es ja so, dass jemand auch mal den Fuß hebt, wenn sie oder er das Wort „eintreten“ liest. Und „aktive Auseinandersetzung“ kann auch gern mal als Aufruf zur Verwüstung und zum Ausfahren der geballten Fäuste missverstanden werden.

Und so ist es dann auch genau dazu gekommen. Während die Herrschaften Pirincci und Höcke (heißt der eigentlich Bernd?), Kubitschek und so weiter und so fort sich ein Stelldichein gaben und eigentlich über das beim rechtsextremen Verlag „Antaios“ von Götz Kubitschek erschienene Buch „Mit Linken leben“ plauderten, spielten sich seltsame Szenen ab. Linke skandierten, wie sie es halt immer tun. Rechte gaben lautstark Widerworte. Und so nahm das Unheil seinen Lauf, und die gesamte Veranstaltung geriet aus dem Ruder.

Der Vorsitzende von DIE PARTEI in Frankfurt (Main), Nico Wehnemann, twitterte dazu, dass er angeblich vom Sicherheitsdienst „niedergestreckt“ wurde und die Polizei nicht eingriff. Leo Fischer, früher Chefredakteur bei der Satire-Zeitschrift Titanic, äußerte sich entsprechend wortreich bei Facebook. Aber es war offensichtlich anders. Weder die von Fischer beobachteten „Sieg Heil!“-Rufe noch die Gewalttätigkeit gegenüber Wehnemann sollen stattgefunden haben. Aber das machte nichts, da Satiriker Jan Böhmermann der Story inzwischen das richtige Effet gab, sodass sie fliegen konnte.

Was ist das eigentlich für eine Nummer?

Alle möglichen Medien berichteten über den Zwischenfall auf der Buchmesse. Wem hat es am Ende genützt? Nicht etwa der weltoffenen Gesellschaft. Es hat dem Verlag genützt, weil dieser sich bequem in der Opferrolle einrichten konnte. „Die Linken“ wurden übergriffig und gewalttätig, denn schließlich haben Protestierende aus diesem Spektrum am Stand des Verlages für Chaos gesorgt. Dem Verlag „Antaios“ hat es jedenfalls nicht geschadet. Was dort veröffentlicht wird, habe ich mal hier gelesen.

Wenn man denn als Ziel sich vorgenommen hatte, gegen rechte oder rechtsradikale Literatur zu protestieren, dann ist dies – befeuert durch Fischer und Wehnemann – gewaltig in die Hose gegangen. Bei dieser Nummer vergangene Woche gab es eigentlich nur Verlierer. Außer halt der Verlag, der mit der Nummer eigentlich als einziges verlieren sollte. Man will legitimerweise gegen rechts demonstrieren, und dann erlaubt man sich so etwas. Damit ist doch eigentlich alle Anstrengung als Rohrkrepierer verpufft.

Wogegen waren denn Proteste?

Der Verlag „Antaios“ hat das Buch „Mit Linken leben“ von Caroline Sommerfeld und Martin Lichtmesz veröffentlicht und wollte auf der Frankfurter Buchmesse dafür Werbung machen. Das Buch scheint voller Provokation zu sein, eine Art Leitfaden zum Umgang mit dem „linksgrün-versifften Mob“ oder wie sie die Linken gerade nennen. „Mit Linken leben“ ist praktisch eine Replik auf das Buch „Mit Rechten reden“ von Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn, was als Leitfaden dafür gilt, wie man eben nicht in die immer gleichen Fallen der rechten Ideologie tappt.

Im Großen und Ganzen hat „Antaios“ mit dem Buch „Mit Linken leben“ der linken Bewegung – und eigentlich auch der ANTIFA – ein Stöckchen hingehalten, über das „die Linken“ halt bereitwillig drüber gesprungen sind. Am Ende stehen „die Rechten“ wieder in der Opfer-Ecke und lachen sich scheckig. Der Protest ist verpufft, erreicht wurde nichts, und „die Linken“ gelten wie immer als gewaltbereit und marodierend. Wenn sie es denn so haben wollen: Bitteschön. Ich plädiere ja dafür, dass man lieber mit Argumenten daher kommt. Aber das wurde halt alles übersprungen.

Was Wehnemann und Fischer – in der Folge dann eben auch Böhmermann – gemacht haben, führt zu nichts und befeuert den Ruf „Lügenpresse!“ und halt eben auch den Vorwurf der Fake News. Alles nieder zu brüllen und nieder zu schlagen, was nur im Entferntesten nach „rechts“ klingt, bringt ebenso wenig etwas. So ist das auch mit Häme und Spott. Manche „Rechten“ befinden sich vielleicht schon in einer Art Parallel-Universum, die erreicht man mit so etwas gleich gar nicht mehr. Aber was erzähle ich eigentlich? Man weiß es ja immer besser.

Nichts ist peinlicher als heiße Luft

Das ist irgendwie meine Erkenntnis daraus. Wir haben nun einmal ein ziemlich weit gefasstes Spektrum an politischen Ansichten und an Meinungen. Leute, das nennt man Demokratie. Wer das rechte Spektrum – so sehr man das auch alles kritisieren darf und muss – komplett ausschließt, der beschneidet die Demokratie. Und man beschneidet den Sinn von Presse, wenn man als Politiker und als ehemaliger Chefredakteur einfach mal mit einem riesigen Hype Unsinn verbreitet. Am Ende ist das Alles heiße Luft. Und so etwas ist einfach nur peinlich.

Man kann den Protest verstehen, keine Frage. Aber sonst? Wie ist das eigentlich? Sind Link(sradikal)e wirklich die besseren Menschen als Recht(sradikale)? Ist link(sextrem)e Ideologie wirklich besser als recht(sextrem)e? Beide Lager lassen das jeweils andere immer wieder über Stöckchen springen, die gar nicht niedrig genug gehalten werden können. Und es wird noch lange Zeit immer wieder jemanden geben, den man dann Stöckchen holen schicken kann. Das ermüdet und schließt jedes Argument aus. Und das ist schade.

One Reply to “Als die Frankfurter Buchmesse außer Kontrolle geriet”

  1. Ich habe aus den Nachrichten gehört was auf der Frankfurter Buchmesse los was, dass Zusammenstöße von Links gegen Rechts unvermeidbar waren. Das es heutzutage noch so ein unzivilisiertes Verhalten gibt ist für mich nicht nachvollziehbar. Diese Nachrichtenwelle hat wirklich nur dem Verlag genützt.
    Grüße Paulina Müller

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