Die schwarze Subkultur aus meiner Sicht

Heute möchte ich mich mit dem Thema Gothic befassen. Als Leipziger kommt man ja zu Pfingsten kaum am alljährlich stattfindenden Wave Gotik Treffen vorbei. Und genau das hat mich zu diesem Thema „angestiftet“.

Bevor ich mir wütende Emails und Kommentare durchlesen muss: Ich habe nichts gegen diese Bewegung. Und unter uns gesagt: Jeder Mensch hat eine düstere oder dunkle Seite.

Aber der Reihe nach.

Nein, der Begriff „Gothic“ stammt nicht etwa der gotischen Kultur ab, da es sich dabei um eine Architekturart aus der Zeit von ca. 1150 bis etwa 1500 handelt. Es handelt sich hier auch nicht um eine Reinkarnation der Goten, dem mächtigen ostgermanischen Volk, das seit dem 3. Jahrhundert mehrfach in militärische Konflikte mit den Römern verwickelt war. Auch ist die Herkunft des Namens aus den so genannten „Gothic Novels“ höchst umstritten. Bei diesen Novellen handelte es sich um Schauergeschichten des 18. und 19. Jahrhunderts.

Der Begriff „Gothic“ hat sich laut meiner Recherche aus der Anlehnung zum Musikstil „Gothic Rock“ entwickelt. Dieser Musikstil war bekannt für seine dumpfen und dunklen Klanggebilde und für seine düsteren Themen. Daher der Name für den Musikstil, der wortwörtlich in die deutsche Sprache übersetzt „grausiger Rock“ bedeutet.

Die Anhänger dieser Szenehaben sehr viele Bezeichnungen. Ursprünglich kannte man nur die „Goths“, wie die Fans von Sex Gang Children bezeichnet wurden. Innerhalb des deutschen Sprachraums nutzte man gleichzeitig Bezeichnungen wie „Gruftis“ oder szene-übergreifend „Schwarze“ oder „Waver“, da sich Gothic in den 1980er Jahren weder als Genrebegriff noch als Bezeichnung für eine Subkultur über britische Grenzen hinaus weitläufig durchsetzen konnte.

Woher kommt dann eigentlich die Redewendung „Ich bin ein Gothic“? Wirklich belegt ist die Herkunft nicht. In den so genannten „alten Bundesländern“ breitete sich der Begriff „Gothics“ aus. Leider ist genau dieser Begriff grammatikalisch falsch.

Der „Waver“ wiederum stammt aus den Genren Dark Waver und New Wave. Bekannte Bands dieser Genres waren die Talking Heads, The Stranglers, Ultravox, Siouxsie and the Banshees, Joy Division und daraus entstanden New Order, Orchestral Manoeuvres in the Dark, The Cure, Fields of the Nephilim, The Sisters Of Mercy und sogar Depeche Mode, die gerade in den frühen Jahren viele Punk und Gothic Rock Bands inspiriert hatten.

Da genau diese beiden Genres aus der Punk-Bewegung stammen, kann man also zusammenfassen, dass die so genannte Schwarze Szene aus der Punk-Bewegung stammt.

Zusammen bilden die oben genannten „Schwarzen“ (the darks) und die Waver also die Dark Wave Scene, also die Dark-Wave-Szene. Die ebenfalls bereits genannten „Goths“ wurden in genau diese Szene mit eingeordnet, und sie fühlten sich offenbar recht wohl dabei.

Statistiken verfälschen ja oft das wirkliche Bild. Und so freut es mich, dass es bislang noch niemand geschafft hat, über diese Szene Statistiken zu erheben. Es ist sehr unrealistisch, aus etwaigen Konzertbesuchen empirische Untersuchungen anzustellen, denn nicht jeder Besucher der Festivals Wave-Gotik-Treffen oder M’era Luna ist ein Anhänger der Szene. Ebenso unrealistisch ist es, aus Tonträger-Verkaufszahlen Rückschlüsse über Anhänger zu ziehen.

Vor diesem Hintergrund wird auch ein Wachstum der Gothic- und Wave-Szene, das um die Jahrtausendwende mehrmals prognostiziert wurde, szene-intern stark angezweifelt. Stattdessen wurde bereits Ende der 1990er in vielen Regionen eine sukzessive Rückbildung angenommen, die dem Niedergang der Gothic- und Dark-Wave-Musik zugrunde liegt.

Die Gothic-Szene gilt als ästhetisch orientierte Subkultur, deren Mitglieder als friedlich, aber auch als unnahbar, elitär oder wirklichkeitsfremd wahrgenommen werden. Sie ist eine retrospektive Kultur mit einer enormen Bandbreite an modischen Formen.

Als ein besonderes Merkmal wird häufig die Friedfertigkeit der Szene hervorgehoben. Diese ist jedoch überwiegend auf eine selbstbezogene, passive und teils resignative Grundhaltung zurückzuführen. Die Gothic-Kultur ist keine politisierte Bewegung. Sie verfolgt weder Ziele noch folgt sie einer gemeinsamen Ideologie.

Die Beweggründe, sich der Gothic-Bewegung anzuschließen, sind unterschiedlicher Natur und unterscheiden sich nur unwesentlich von denen anderer Subkulturen. Neben den musikalischen Vorlieben zählen hierzu speziell im Jugendalter die Identitätssuche, alternative Lebensentwürfe, Protest und Abgrenzung gegenüber dem Elternhaus und der Gesellschaft, aber auch ein depressives Lebensgefühl, das häufig durch Sinnleere und Unverstandensein hervorgerufen wird.

Ein entscheidendes Merkmal ist die Erscheinung. Die Mitglieder der Bewegung legen sehr viel Wert auf Styling, auf Garderobe, die von vielen ihrer Angehörigen als Mittel der Abgrenzung, der Zugehörigkeit und des Ausdrucks eingesetzt wird. Es dominiert hierbei die Farbe Schwarz. Sie soll Ernsthaftigkeit, Nachdenklichkeit, den Hang zum Mystisch-Okkulten oder etwa Melancholie ausdrücken. Allerdings wird sie auch als schlichtes modisches Stilmittel eingesetzt. Weitere Farben – hauptsächlich, um Akzente zu setzen – sind Blau, Violett, Weiß oder Bordeaux-Rot.

Dass diese Bewegung aus dem Punk stammt, manifestiert sich aber auch in Netzhemden oder Strumpfhosen, oftmals zerrissen, und in den Frisuren.

Wie ich schon schrieb, wuchs die Bewegung durch den Gothic Rock. Doch die einzelnen Musikstile sind sehr unterschiedlich und sind auch in verschiedenen Zeiten einzuordnen:

  • Electro Wave: 1978 – 1995
  • Gothic Rock: 1979 – 1996
  • Cold Wave: 1980 – 1990
  • Ethereal Wave: 1983 – 2004
  • Neofolk: seit 1985
  • Neoklassik: seit 1987
  • Neue Deutsche Todeskunst: 1990 – 1996
  • New Gothic Rock: seit 1999

Gegen Ende der 1990er Jahre kam die Bewegung aufgrund ausbleibender Musik fast völlig zum Erliegen. Hauptgründe waren das Verschwinden von Gothic Rock aus den Discotheken und das Abebben des Dark Wave. Zahlreiche Bands, Labels und Musikzeitschriften stellten ihre Aktivitäten ein oder wandten sich stilistisch sowie inhaltlich anderen Bereichen zu. Besonders zwischen 1996 und 1999 führte dies szene-intern zu einem deutlichen Umschwung.

So erklärte der Künstler Anna-Varney Cantodea von der experimentellen Band Sopor Aeternus 1996: Ob an diesem Niedergang der Gothic-Kultur all die unzähligen Neuerscheinungen schuld sind, die den Markt überschwemmen… ich weiß es nicht. Da ich selbst nicht in Clubs gehe, kann ich nicht einschätzen, was sich im Dark-Wave- und Gothic-Genre alles ereignet hat und welche Musik von den DJs gegenwärtig bevorzugt gespielt wird. Doch wann immer man mir berichtete, wie die Abende verliefen, musste ich fast jedesmal erfahren, wie furchtbar ernüchternd und langweilig es gewesen sei. Anscheinend liefen die ganze Zeit meist neuere Sachen, die einfach nur schlecht waren und man direkt dankbar wurde, sobald sich ein altes Sisters-Stück eingeschmuggelt hatte.

Wie schon am Ende der Punk-Ära erlebte hier das Mutterland Großbritannien einen kulturellen Niedergang, aber weniger wegen fehlender relevanter Bands sondern wegen dem fehlenden Publikumsinteresse. Mitverantwortlich an diesem Umstand war die stetig wachsende Popularität szenefremder, vor allem metal-orientierter Genres, denen auf den Club- und Konzertveranstaltungen der Szene immer mehr Raum gegeben wurde.

Erst ab der Jahrtausendwende wurde die Szene durch einige neue Bands wieder neu belebt. Anders als in den 1990ern, ist dieses Revival jedoch nur auf wenige Ballungsräume, wie Berlin, Leipzig, Westfalen, Los Angeles oder London, beschränkt und knüpft kulturell direkt an die 1980er Jahre an. Damit teilt die Gothic-Kultur das Schicksal anderer Post-Punk-Szenen die sich vornehmlich in den Großstädten verfestigt haben. Eine hohe Anzahl provinziell verteilter Szeneangehöriger nutzt aus diesem Grund das Internet als Kommunikationsmedium.

Also möchte ich zusammenfassend feststellen, dass die Gothic-Bewegung mit der Musik steht und fällt. Sie wurde mit ihr geboren und ist durch den zeitweiligen Niedergang fast gestorben gewesen. Es hat nichts mit einer Glaubensrichtung oder ähnlichem zu tun. Allerdings werden sich manche Gothic-Anhänger fragen müssen, ob sie nicht zu sehr Gothic zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben und deshalb den Bezug zur Realität verloren haben.

Mir liegt nichts daran, die Szene zu verteufeln. Ich hoffe stattdessen, dass dieser Artikel etwas dazu beitragen konnte, die Gothic-Szene in anderem Licht erscheinen zu lassen.

One Reply to “Die schwarze Subkultur aus meiner Sicht”

  1. Ich denke, dass man sich in vieles zu sehr vertiefen kann und somit den Bezug zur Realität verliert. Das ist kein Phänomen der Gothic-Szene. Das kann denm Gamer ebenso passieren wie dem Spielsüchtigen.

    Alles in allem ist der Bericht aber gut. Die Musik ist ein wesentlicher Bestandteil, denn hier werden Gefühle vermittelt und übertragen, stärker als bei anderen Musikrichtungen.

    Die Szene steht und fällt eher mit den immer beliebter werdenden Festivals & Konzerten.

    Liebe Grüße.

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