Ganz Sachsen besteht ausschließlich aus Nazis – eine steile These, oder? Aber genau das höre und lese ich immer wieder zu Geschehnissen hier. Und sorry, Leute: Ihr habt doch wohl den Schuss nicht gehört. Ich bin Sachse, wie ich bereits öfter schrieb. Ich bin auch stolz, eine Heimat zu haben. Ich lasse mich wegen meiner Heimat nicht beschimpfen. Ich bin kein Nazi. Ich reagiere darauf sehr allergisch. So allergisch, wie ich darauf reagiere, wenn irgendwelche realitätsfernen Gestalten durch Gewaltakte meine Heimat besudeln. Ihr seid doch alle krank.
Nein, ich kann mich nicht zurückhalten. Was ich so in den letzten Tagen gelesen habe, lässt mir das Messer in der Hosentasche aufschnappen. Habt ihr sie noch alle? Und ich meine damit sowohl Linke als auch Rechte. Die einen wollen „Bomber Harris“ aus dem Hut zaubern, der am Ende des Zweiten Weltkriegs Dresden bombardiert hatte. Die anderen zünden Flüchtlingsheime an. Die einen stecken alle Sachsen in die Nazi-Schublade, die anderen haben es erst so weit kommen lassen. Eigentlich will ich nichts zu diesen Geschehnissen schreiben, aber ich kann nicht anders.
Ich bin vom Sternzeichen her Waage. Und die Waage will immer diplomatisch sein. Aber bei so viel Dreck, der derzeit passiert, ist doch keine Sau diplomatisch. Ich bin tief erschüttert darüber, was da im Freistaat abläuft. Keine Frage, hier kann niemand ruhig bleiben. Und wer hier ruhig bleibt, ist eigentlich schon tot. Das Thema beschäftigt jeden, den ich kenne. Selbst diejenigen, die sich nicht um politische Themen scheren. Selbst diejenigen, die sich nicht zu den Themen rund um die Flüchtlinge äußern wollen. Was hier passiert, lässt niemanden kalt.
Da wird in Clausnitz in Mittelsachsen ein Bus voller Flüchtlinge bedrängt und bedroht. Die Flüchtlinge sollten dort eine neue Flüchtlingsunterkunft beziehen. Die Leute, die dort protestiert haben, riefen – wie überall auf den teils weltfremden Protestzügen derzeit – das „Wir sind das Volk“ der Friedlichen Revolution der früheren DDR. Nein, die sind nicht das Volk, zumindest nicht die breite Masse des deutschen, respektive sächsischen Volkes. Woher ich das weiß? Ich weiß es nicht, aber ich nehme es mal an.
Bei solchen Drohgebärden trauten sich die Flüchtlinge nicht, aus dem Bus zu steigen. Was machte die Polizei? Sie wand „unmittelbaren Zwang“ an und zerrte die Flüchtlinge aus dem Bus. Zum Schutz vor den Portestlern, wie sie sagten. Alles Quatsch. Der Protestzug gegen die Flüchtlinge war angekündigt, die Polizei hätte nur Willens sein müssen, hier vorbereitet zu sein. Aber was rede ich denn da? Ich weiß nicht, ob da genügend Wille vorherrscht. Ich habe schlimme Dinge dazu gelesen, die ich vorerst für mich behalte.
In der Nacht brannte aber auch wieder eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Ihr Schwachmaten, welche politische Aussage hat das? Das ist doch einfach nur blinde Zerstörungswut. Und die Flüchtlinge werdet ihr dadurch auch nicht los. Glaubt ihr denn ernsthaft, dass sich die Europäische Union davon beeindrucken lässt? Denkt denn wirklich jemand, dass dadurch auch nur ein Flüchtling weniger hierher geschoben wird? Brennt am besten gleich die gesamte Europäische Union nieder. Wenn es euch hilft. Aber wo wollt ihr dann euer jämmerliches Leben fristen?
Das Problem geht aber noch weiter. Denn die Linken, die nichts mit Sachsen zu tun haben, behaupten Dinge über dieses Bundesland, die sie nie und nimmer beweisen können. „Ich kenne solche zu genüge“ oder so ähnlich passt da ziemlich gut. Freital, Heidenau, Clausnitz, Bautzen – alles sächsische Städte. Bravo, deshalb ist in euren Gehirnen jeder Sachse ein Nazi? Nur weil es an der Nordsee- oder Ostsee-Küste naturgemäß viel Wasser gibt, hat auch nicht gleich jeder Bewohner der vielen, teils sehr schönen Orte entlang der Küsten einen Wasserkopf.
Aber weder den Einen noch den Anderen kann man eigentlich einen großen Vorwurf machen. Gut, es gehört sich nicht, Molotov-Cocktails in Asylunterkünfte zu werfen. Es gehört sich auch nicht, Molotov-Cocktails in eine protestierende Menschenmenge zu werfen. Aber der Fisch stinkt nun einmal vom Kopf her. Ich denke nach wie vor, dass die deutsche Spitzenpolitik das Alles so hat kommen lassen. Ich habe es auch hier und da im Blog mal anklingen lassen. Die eigentlichen Schuldigen sind die, die denken, dass sie unser Land regieren können.
Warum um Himmels Willen hat man es nicht durchgezogen, die viel beschworene Entwicklungshilfe in Afrika konsequenter durchzusetzen? Statt einer wirklichen Bewirtschaftungsstrategie, mit der es den Menschen besser geht, hat man lustlos eine Rinne mit einem Spaten gekratzt und sich für diese Leistung einen runterholen lassen. Gleichzeitig hat man mit Geld um sich geworfen, dass ja nicht so viele Flüchtlinge kommen mögen. Und was in Syrien passiert ist, war der deutschen Politik auch schon lang bekannt. Man hätte intervenieren können. Aber man hat es sich zu einfach gemacht.
Aber sich dann hinstellen und einen drauflos labern, dass das Alles gar nicht so schlimm ist – das können die Spitzenpolitiker gut. Und die Behörden – wie Polizei und Co. – haben es zugelassen, dass solche Auswüchse einfach geschehen können, wie sie geschahen. Es kam ja nicht von ungefähr. Die rechten Ausschreitungen gibt es schon eine ganze Weile. Immer wieder konnte man mit Fug und Recht behaupten, dass die Polizei auf dem rechten Auge blind ist. Ich finde keinen Grund, warum das so sein musste.
Es ist aber auch so, dass man sich über die sozialen Netzwerke schnell aufschaukelt. Oder was meinen Sie, warum sich Parolen sowohl von der einen Seite als auch von der anderen Seite so schnell aufschaukeln? Soziale Netzwerke dienen als Brandbeschleuniger in der derzeitigen Situation. Und dann fliegen die Molotov-Cocktails. Glaubt denn irgendwer, dass das der richtige Weg ist? Ich mag mit meinen Worten in diesem und in anderen Artikeln auch als Brandbeschleuniger gelten. Aber irgendwie kann man doch nicht tatenlos dabei stehen und nichts sagen.
Ich habe nämlich auch Dinge gelesen, dass die Leute, die sich weder im linken noch im rechten Spektrum wohl fühlen, sich zu wenig zu solchen Vorfällen äußern. Da ist die Rede davon, dass die breite Mehrheit, die so genannte Mitte der Gesellschaft „willenlos“ oder „gewissenlos“ oder „meinungslos“ ist. Es wird erzählt, dass diejenigen, die weder auf die Einen noch auf die Anderen Molotov-Cocktails werfen, keine „Eier in der Hose“ haben würden. Wie kommen denn der rechte und der linke Mob auf solche selten dämlichen Ideen?
Die reden alle von Demokratie. Es sei demokratisch, Flüchtlingsunterkünfte „zu verteidigen“ und „Nazis keinen Fußbreit“ zu gewähren. Und es sei demokratisch, gegen die Heime notfalls mit Gewalt zu protestieren und „unsere Heimat gegen die Flüchtlingsschwemme zu verteidigen“ und so etwas. Aber das Alles ist eben nicht demokratisch. Es entspricht keiner Demokratie, mit selbstgebastelten Bomben – und Molotov-Cocktails sind nichts anderes – aufeinander oder auf Flüchtlinge loszugehen. Meinungsäußerung: Ja, bitte. Gewalt: Nein, danke.
Die Wut ist aber prinzipiell nachzuvollziehen. Ehrlich. Man kann es nachvollziehen, dass viele Wut und Sorge ob der Flüchtlinge empfinden. Denn mit ihnen wurde ja nicht geredet. Dialog zwischen Politik und Gesellschaft findet nicht statt. Die Leute fühlen sich unverstanden. Und einige wenige stacheln diese Leute an, und schon tobt der Mob. Auf der anderen Seite ist die Wut auf diese Gewaltexzesse auch nachvollziehbar. Und deshalb muss man paramilitärisch „für Ordnung sorgen“ und Menschen verletzen?
Die Demokratie ist in diesem Land auf der Strecke geblieben. Deshalb ist es müßig, darüber zu reden und zu schreiben. Ein ganzes Bundesland in Geiselhaft zu nehmen und jeden in diesem Land als Nazi zu bezeichnen, muss sich trotzdem kein Bewohner des Landes gefallen lassen. Und wenn irgend jemand, der so halbwegs autonom oder so ist, meint, man müsse ganz Sachsen wie im Zweiten Weltkrieg mit Flächenbombardements heimsuchen, ist dieser jemand nicht ganz zurechnungsfähig.
Es gibt viel, was man kritisieren kann. Die ganzen politischen Dinge, die in Sachen Flüchtlinge schief gegangen sind. Die Unterbringung. Rechte Ausschreitungen. Linke Ausschreitungen. Aber auch Flüchtlinge, die zwar hier bleiben wollen und es auch dürfen, aber nicht mitziehen wollen, was auch nur eine geringe Minderheit überhaupt betrifft. All das kann deutlich besser laufen. Tut es aber nicht. Man könnte es ändern. Wenn Deutschland eine Demokratie wäre. So aber ist das eine reine Chaos-Gesellschaft. Und darauf habe ich keine Lust mehr.
Deshalb äußere ich mich auch nicht zu solchen Ausschreitungen. Ich äußere mich nicht dazu, wenn Flüchtlingsunterkünfte brennen und wenn brennende Klamotten auf Menschen geworfen werden. Ich äußere mich nicht dazu, wenn hier Deutschland vor die Hunde geht. Ihr habt es so gut wie geschafft. Seid ihr damit zufrieden?
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