Herdentrieb: Ich erwarte von dir, dass du dich aufregst

Sie kennen doch bestimmt den Begriff Herdentrieb. So funktionieren Herden von Tieren ganz gut, also etwa eine Schafherde. Aber auch Menschen. Der Begriff skizziert auch das Verhalten von Menschen in größeren Ansammlungen. Und letzten Endes ist der Herdentrieb auch ein Auslöser von Krisen auf dem Finanzmarkt.

Aber unterhalten wir uns mal über die großen Menschen-Ansammlungen. Da kann man viel beobachten. Vor allem, was die Entwicklung der letzten Tage und Wochen betrifft. Ja, das wird jetzt hier eine größere Wortwand, die ich Ihnen da vorsetze. Aber vermutlich geht es gar nicht kürzer, wenn man über Schwarmintelligenz in sozialen Netzwerken und dem daraus resultierenden Herdentrieb philosophieren will.

Was ist der Herdentrieb?

Haben Sie mal eine Schafherde beobachtet? Ja, es gibt sie noch. Fahren Sie mal raus aufs Land und gehen einfach mal auf die Weiden. Jedenfalls ist es meistens so, wenn man mal Schafherden sieht, dass die Tiere zusammenbleiben. Der Schäfer wirkt meistens so, als habe er nicht sonderlich viel Stress mit ihnen, obwohl das ja eigentlich nicht so richtig stimmt. Und notfalls wäre ja noch der Schäferhund.

Nehmen wir einmal an, irgendwas unvorhergesehenes würde der Schafherde passieren, würde mitten in der Schafherde einschlagen. Die Tiere würde allesamt auseinanderstauben und Chaos fabrizieren. Es würde lange Zeit dauern, die Tiere wieder einzufangen und wieder eine Herde zu bilden. All das beschreibt wohl ganz gut den Herdentrieb.

In der Psychologie spricht man auch vom Herdentrieb. Damit ist die soziale Bestätigung gemeint. Das beginnt bei den Fotos auf Instagram und endet nicht bei Entscheidungen, die unser weiteres Leben bestimmen. Mit der sozialen Bestätigung ist übrigens gemeint, dass man gern eine Abnick-Community hätte. Man will die Bestätigung haben, dass man es richtig macht oder die richtige Meinung hat.

Das kann durchaus gefährlich werden. Passiert dann irgendwas unvorhergesehenes, kann es schnell zum Auseinanderstauben der ganzen Herde kommen. Das kann durchaus Krisen auslösen. Wir haben prominent den Zerfall der „Piraten“ erlebt. Das würde ich schon in diesem Spektrum sehen. Und jetzt will ich mal dazu kommen, was ich meine.

Teile dies, wenn du das auch so siehst

Dies ist eines der gefährlichsten Tiere unseres Planeten. Jahr für Jahr ist es für vielfaches Leid und Millionen Tote verantwortlich! Links daneben hängt ein ermordeter Wolf.

(Ein Bild mit einem an den Beinen aufgehängten Wolf und daneben ein älterer Herr)

Teile dies, wenn du auch gegen das sinnlose Töten der Wölfe und aller Tiere bist!

gefunden bei Facebook

Dieses Zitat zeigt, was ich meine. Natürlich ist es sinnlos, alle Wölfe zu töten. Und es ist zu verurteilen, wenn ein Wolf ohne Grund getötet wird. Insofern können wir alle diesem Bild zustimmen, oder? Aber ist denn jeder erschossene Wolf sinnlos getötet worden? Genau das wird suggeriert. Und soweit mir bekannt ist, ist das auch falsch.

Aber mit „Teile dies…“ wird suggeriert, dass man sich in eine Art Herde begibt. Ist es nun aber Aufmüpfigkeit gegenüber der Obrigkeit? Oder wie muss ich mir das vorstellen? Um bei dem Wolf zu bleiben: Der steht unter Naturschutz. Jeder vorsätzlich getötete Wolf gilt als Straftat. Insofern sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, diese Tiere „einfach so“ zu erschießen.

Und so ist auch das gefundene Sprüchebild eine Selbstverständlichkeit. Aber sie wird durch „Teile dies…“ noch bekräftigt. Man will Schwarmintelligenz hervor pulen, den Herdentrieb fördern. Solche Bilder und Sprüche, die im zweiten Teil „Teile dies…“ enthalten, werden unfassbar häufig bei Facebook geteilt. Aber außer einem Herdentrieb werden sie nichts auslösen.

Kollektive Betroffenheit

Es sind einige prominente Personen gestorben. Keith Flint von The Prodigy. Mark Hollis von Talk Talk. Der Schauspieler Luke Perry. Der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel. Skispringer Matti Nykänen. Die Liste lässt sich weiterführen. Man könnte jetzt ketzerisch behaupten: Gestorben wird immer. Und in den Zeiten der sozialen Netzwerke wird auch viel mehr darüber bekannt.

Die jeweiligen Fans, Wegbegleiter, wer auch immer werfen dann immer mit entsprechenden Mitteilungen um sich. Die Medien greifen das auf. Und plötzlich verfällt eine „Fangemeinde“ in kollektive Betroffenheit. Das ist alles schlimm, vor allem, wenn es sich wie bei Keith Flint um einen viel zu frühen Tod, zum Beispiel durch Selbstmord, handelt.

Jeder Tod ist schlimm. Wenn man aber beim Beispiel Keith Flint nicht mit „Mach’s gut, Firestarter“ (nach dem größten Hit der Band), sondern mit „I’m gonna send you out of space“ (nach ihrem Durchbruch) daher kommt, wird man schon gern mal beschimpft. Aber wieso eigentlich? Das zeigt aber ganz gut den Herdentrieb unter den Prodigy-Fans.

Ich erwarte von dir, dass du dich aufregst

Wie kann es denn sein, dass sich der Uhle nahezu komplett aus politischen Diskussionen heraushält? Das kann ich Ihnen sagen. Ich will mich eigentlich nicht unnütz aufregen, bzw. will ich Themen erst mit nötiger Distanz kommentieren. Im Normalfall fahre ich damit sehr gut. Und damit habe ich auch keinerlei Probleme.

Ich habe das sogar mal angekündigt. Und wieso sollte ich das dann anders machen? Man darf von mir nicht einfach so erwarten, dass ich mich ständig über irgendwas aufrege. Meistens ist es ja so, dass im Eifer der Diskussion Behauptungen zwar irgendwie stimmen, aber Dinge fehlen. Oder Geschehnisse und Gegebenheiten werden falsch dargestellt.

Worüber soll man sich denn dann aufregen, wenn gar nicht sicher ist, ob das gerechtfertigt ist? Das ist wie „Die Flüchtlinge bekommen die neuesten Handys“. Klar kann man sich darüber aufregen. Aber ist denn wirklich sicher, dass diese Behauptung stimmt? Vielleicht sind es nicht die „neuesten“ Geräte? Und vielleicht werden die Dinger nur geliehen? Bei politischer Aufregung stirbt doch als erstes die gelassene Genauigkeit.

Und dann passiert es doch

Sie haben die ganze Diskussion rund um die Urheberrechtsreform mitbekommen? Naja, nicht aus der Tagesschau, da die ja nichts um 20:00 Uhr darüber und über die einher gehenden Proteste berichtet. Jedenfalls war ich der Meinung, dass auch Blogs betroffen sein dürften bei dem Upload-Filter, der in dem berühmt gewordenen Artikel 13 beschrieben wird.

Ich habe mich da schon ein wenig reingesteigert. Das passiert im Eifer des Gefechts. Denn in den sozialen Netzwerken kocht die Diskussion darüber enorm hoch. Allerdings wurde in der Novelle des Urheberrechts auch darüber geschrieben, wer eigentlich betroffen ist von dem Artikel. Und irgendwie denke ich mittlerweile, dass mein Blog eigentlich gar nichts ändern muss.

Es geht darum, was jemand hochlädt. Auf mein Blog-Dashboard hat „Stand jetzt“ niemand außer mir Zugriff. Und im Kommentarbereich gibt es keine Funktion zum Hochladen. Und darüber hinaus braucht man keinen Account wie z.B. bei Facebook. Es scheint mich also nicht zu betreffen. Aber warten wir es mal ab.

Jedenfalls ist gar nicht die Rede davon. Und da bin einfach nur dem Herdentrieb gefolgt. Mal abgesehen davon, dass durch Filter-Mechanimen alles mögliche tatsächlich denkbar wird, bin ich einer Schwarmintelligenz gefolgt. So haben Sie mitbekommen, wie schnell das passieren kann.

Was will ich damit sagen?

Jeder Mensch hat seine eigene Meinung. Zumindest sollte das so sein. Nicht umsonst steht überall auf so vielen Profilen „Ich bin, wie ich bin. Und niemand wird das ändern.“ oder so ähnlich. Ja, dann lasst euch doch nicht in der Meute treiben. Folgt nicht einfach so dem Herdentrieb. Weder was Idole betrifft, noch die eigenen Aufregerthemen.

Und ich glaube, niemand sollte irgendwas teilen, nur weil man per Sprüchebild dazu aufgefordert wurde. Das sollte doch eigentlich nur passieren, wenn man sich mit dem Thema auseinandergesetzt und eine eigene Meinung dazu hat. Insofern ist hier der Herdentrieb der falsche Grund.

Und so geht das weiter. Am Ende kommt es darauf an, dass man sich selbst informiert, eine eigene Meinung aufbaut und seinen Standpunkt auch verteidigt. Dann braucht man auch kein „Teile dies…“ und keine Schwarmintelligenz, wen man nun mehr betrauern muss und wen nicht. Dann nämlich ist alles entspannter. Vermutlich. Aber ich weiß es halt nicht.

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