PRISM und Tempora sind keine neuen Ideen

Die Welt schaut weiterhin gebannt zu, was mit Edward Snowden passiert, wohin er nun reist und wo er Asyl bekommt. Derweil kommen immer mehr Geschichten ans Tageslicht, die eindeutig aufzeigen, dass die Abhör- und Datensammelmaßnahmen PRISM von der NSA und Tempora vom GCHQ keine neuen Ideen sind, die ganz plötzlich vom Himmel gefallen sind.

Daher ist es jetzt auch immer mehr erklärbar, dass man der Kanzlerin ganz genau auf den Mund und auf die Finger guckt. Denn mal ehrlich, sie MUSS davon gewusst haben. Dass sie sich mehr oder weniger gar nicht äußert und stattdessen über „Neuland“ philosophiert, nimmt ihr niemand mehr groß ab.

Angefangen hat meine Entdeckungsreise mit einem Artikel in „der Freitag“. Aus dem Artikel geht hervor, dass sich 2007 Angela Merkel von einem Lobbyisten beraten lassen hat, um den Euro am Dollar anzupassen. Und jener Berater namens Jeffrey Gedmin steht dafür, dass Europa (also die EU) weiterhin von der NATO kontrolliert werden müsse. Und die, mal unter uns gesagt, wird doch seit eh und je von den USA gelenkt.

Der Historiker Josef Foschepoth hat unter anderem ein Buch geschrieben und mehrere Statements via Interview und dergleichen gegeben, wie sich die Überwachung „früher“ gestaltet hat. Bei der Einführung soll u.a. der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer eine zentrale Rolle gespielt haben. Die Unabhängigkeit der damaligen BRD erkaufte er nämlich mit dem Preis des so genannten „Geheimdienst- oder Überwachungsvorbehaltes“.

Damit konnten die damaligen Siegermächte mit Erlaubnis der damaligen Bundesregierung die Überwachung im großen Stil in Deutschland einführen. Geregelt war das in einer einseitigen Zusatzvereinbarung zum Deutschlandvertrag. Diese Zusatzvereinbarung wurde an der Öffentlichkeit vorbei mit abgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung kam erst über ein Jahrzehnt später. Das hindert aber die damaligen Siegermächte Großbritannien, die USA, Frankreich und die damalige Sowjetunion nicht daran, an ihren Sonderrechten festzuhalten.

Was sich da auftut, ist keine fantasievolle Verschwörungstheorie á la George Orwell. Was „der Freitag“ da angesprochen hat, übersteigt offenbar alles, was man sich vorstellen will und kann. Thriller-Autoren hätten ihre wahre Freude an dem Stoff, aber der ist nun mal keine Erfindung, sondern bittere Realität. Und Angela Merkel schweigt sich darüber aus, weil sie ganz genau darüber Bescheid weiß, was da verhandelt wurde und mit welchem Ergebnis für die deutsche Bevölkerung. Das deckt sich dann ja alles auch noch mit Recherchen, die Rechtsanwalt Markus Kompa im Heise-Magazin Telepolis zusammengetragen hat.

Auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat man von Deutschland aus das Ausland abgehört. Man lauschte nach Westeuropa und setzte dazu „Echelon“ ein. Richtig reagieren konnte man aufgrund eines Berichtes an die EU-Kommission allerdings nicht, denn die diversen Flugzeuge, die im Jahr 2001 die USA heimsuchten, kamen den Abhörern und Mitlesern unerwarteterweise zu Hilfe.

Und diese Aktivitäten gehen immer weiter und sind jetzt sogar gesetzlich unterstützt. Denn es gibt jetzt seit dem 01.07.2013 das „Gesetz zur Bestandsdatenauskunft“. Man könnte auch ganz plakativ dazu „PRISM für Deutschland“ sagen. Das, was mal „Großer Lauschangriff“ oder die „Otto-Kataloge“ genannt wurde, scheint Hühnerdreck gegenüber dem zu sein, was da jetzt im Gesetzblatt steht.

Siegel der National Security Agency (NSA) – By U.S. Government [Public domain], via Wikimedia CommonsOK, also können wir festhalten, die NSA schnüffelt in den Angelegenheiten Deutscher seit ungefähr 60 Jahren herum. Am Ende des Kalten Krieges wurde aber wenigstens noch halbwegs offen darüber berichtet, wie es DER SPIEGEL 1989 getan hat. Dort war die Rede davon, wie im damals noch geteilten Deutschland „Freund und Feind“ bespitzelt wurde. Die große Preisfrage, die man jetzt aber stellen muss, ist: Warum tun das die deutschen Medien jetzt nicht mehr? Warum ereifern sie sich in Sensationsboulevard und nicht in Aufklärung?

Prof. Dr. Christoph Bieber hat hier eine Erklärung gefunden: Edward Snowden hat intransparentes und fragwürdiges Tun hinter den Kulissen an die Öffentlichkeit gezerrt, das noch dazu von den politischen Partnern der Medien gedeckt wird. Und insofern können die Medien nicht mehr einfach so offen und substantiell Kritik üben. Und der Ober-Freiheits-Verfechter Joachim Gauck wird auch einen Teufel tun und die Enthüllungen von Edward Snowden öffentlich für gut befinden, denn er fand ja im ZDF-Sommerinterview die totale Überwachung überall sogar gut und bezeichnete Snowden als schamlosen Verräter.

Kolumnist Michael Spreng schreibt über den fragwürdigen Auftritt Gaucks bei Frau Schausten, dass er eine Chance verpasst hat. Denn schließlich ist ja die Freiheit das Kernthema für den Bundespräsidenten schlechthin. Und das Thema hat er schlichtweg verfehlt. Obama gegenüber hat er den Part des Begrüßungsonkels übernommen, ohne ihm die PRISM-Geschichte unter die Nase zu reiben. Dabei hätte er es besser machen müssen. In der DDR, aus der er schließlich stammt, war Überwachung und Schnüffelei allgegenwärtig. Und auch beim Sommerinterview blieb er eher blass und nichtssagend. Oder wie Spreng es formuliert: Er war „noch zu sehr von “Glück, Dankbarkeit und Freude” durchdrungen„.

So bewegt sich die deutsche Politik-Elite in dem magischen Bereich zwischen Neuland, Freude und Empörung. Man kritisiert die USA nicht. Das schickt sich nicht. Und ganz nebenbei gibt es ja noch die oben beschriebenen Verpflichtungen. Was soll der deutsche Bürger damit anfangen, dass die NSA „verhältnismäßig“ agieren soll? Welches Verhältnis denn bitteschön? Und da ist es klar, dass der deutsche Michel da nur mit den Schultern zuckt und verkündet, dass ihm das eh klar war, dass er überwacht wird.

Man rechtfertigt einfach mal das unkontrollierte und zügellose Einsammeln von Daten. Welche Daten, in welchem Umfang und wer möchte ich gar nicht ausdiskutieren, weil das eigentlich auch keine Rolle spielt, es gibt kein liebes und kein böses Arschloch (Entschuldigung). Man macht das Volk fertig mit immer neuen Anti-Terror-Programmen und Drohkulissen vom Stile „Das Ende ist nah!“. Es interessiert den deutschen Michel schlichtweg nicht mehr. Und darum war der Brandbrief, den Richard Gutjahr in der letzten Woche verfasst hatte, auch so unheimlich wichtig und gut. Er ist übrigens Journalist und freier Mitarbeiter der Chefredaktion beim Bayrischen Rundfunk.

Mein Fazit aus dem Wust an Analysen, die immer wieder einströmen und langsam ein klareres Bild zeichnen: PRISM und Tempora sind nicht neu. Sie werden schon seit vielen Jahren erfolgreich angewendet. Und sie werden nicht beendet, weil sie u.a. von der deutschen Bundesregierung abgenickt sind und keine Gegenwehr bis jetzt erfolgt ist. Wir brauchen uns nicht über Spionage und Datensammelwut zu echauffieren, denn es passiert seit zig Jahren und wurde von noch niemandem unterbunden. Und das scheint die Sorge von Edward Snowden und Co. zu sein. Keine Publicitygeilheit oder noch schlimmeres, was ihm alles schon vorgeworfen wurde.

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