Querdenken in Leipzig: Und alle haben versagt

Querdenken ist ja so ein komischer Haufen, den man von politischer Seite her nicht gewillt ist, korrekt einzuordnen, nämlich: Staatszersetzend und extremistisch. Mir ist es dabei vollkommen scheißegal, ob da bei diesem Haufen ein paar halbwegs normal denkende Leute dabei sind. Was da am Wochenende in Leipzig stattfand, war unsagbar schlimm. Und in mir kocht die Wut. Es ist nicht in Worte zu fassen, was ich fühle. Und niemand muss mir mehr mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede kommen.

Querdenken ist terroristisch organisiert

Am Wochenende machte der Anti-Corona-Weltverschwörungs-Wanderzirkus in Leipzig Station. Es war ein Träumchen, was da abging. Was hier stattfand, war einer zivilisierten Gesellschaft nicht würdig. Dabei hätte man es gar nicht so weit kommen lassen brauchen, wie allenthalben bekannt ist. Ich bin so unsagbar sauer auf die Herrschaften vom Oberverwaltungsgericht Bautzen. Denn die haben wider jeglicher Vernunft eine fatale Entscheidung getroffen.

Wir sehen ja, was diese Leute von „Querdenken“ so antreibt. Es ist schon richtig, dass da alle möglichen Leute darunter sind. Aber müssen die sich mit Rechtsextremisten mit terroristischen Anlagen gemein machen? Es ist für mich komplett unbegreifbar, wie man so etwas machen kann. Außerdem wissen wir doch durch gesunden Menschenverstand: Das Coronavirus wird per Tröpfchen-Infektion übertragen. Abstand und einen Schutz für das Gegenüber durch Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist alles, was man machen kann.

Aber Querdenken wollte es eben nicht tun. Und damit haben sich vielleicht Wirte, Selbständige, lauter vernünftige Menschen gemein gemacht. Und damit sind sie nicht besser als Querdenken selbst. Das Schlimme ist, dass die meisten, die da bei Querdenken waren, bestens organisiert von sonstwo her kamen. Mit Reisebussen, bestens organisiert. Die Busse standen auch an der Russischen Gedächtniskirche. Irgendwelche Airport-Busse aus dem Allgäu oder so. Terror im Klimabus.

Wie konnte es dazu kommen?

Jeder wusste oder ahnte, wer da kommt. Der Korso – der Coronaleugner-Wanderzirkus also – ist ja nicht vom Himmel gefallen. Die waren auch schon in Stuttgart und Frankfurt und so weiter. Überall das gleiche Bild. Deshalb wollte die Stadt Leipzig die Karawane auch nicht in der Innenstadt. Sie verlegte die Show kurzerhand auf das Messegelände am Stadtrand. Das verfassungsgemäße Demonstrationsrecht blieb gewahrt.

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen aber widersprach dem und verlegte das Stelldichein wieder zurück. Erlaub waren 16000 Teilnehmer, die Abstand einhalten und Maske tragen sollten. Und es kam, wie es kommen musste: Es sollen gefühlt und geschätzt irgendwas zwischen 20000 und gar 40000 Teilnehmer beim Aufgalopp gewesen sein. Alle oder fast alle ohne Maske und niemand mit Abstand. Und die Polizei feiert das auch noch als Erfolg?

Wie hätte Abstand gewahrt werden können? Jedenfalls nicht auf dem Augustusplatz. Wieso konnte das Oberverwaltungsgericht das nicht einfach akzeptieren? Und wieso war die Polizei so merkwürdig zurückhaltend? Die Demo wurde dann zwar beendet, aber danach ergoss sich der Tross auf den Ring, und es kam zu Angriffen. Auch hier: Die Polizei hielt sich zurück. Wieso haben sie das gemacht? Ich finde keine sinnvolle Erklärung dafür.

Alles im grünen Bereich

Der sächsische Innenminister Wöller und der Leipziger Polizeipräsident waren gar der Meinung, dass das Alles gar nicht so wild war. Lediglich irgendwelche brennenden Einkaufswagen im Stadtteil Connewitz gaben Anlass zur Sorge, weshalb dort auch Wasserwerfer auffuhren. Und so habe man sich nichts vorzuwerfen. Ja, geht’s denn noch? Es gab ein komplettes Versagen von vielen Seiten. Und die Stadt Leipzig stand ganz allein da. Schämt euch.

Diese merkwürdige Bewegung namens Querdenken, in der Esoteriker, Verschwörungstheoretiker, Extremisten und andere ihr Seelenheil finden, zieht von Stadt zu Stadt mit ihrem Wanderzirkus. Ob Konstanz, Stuttgart, Berlin oder Dresden: Überall das gleiche Bild. Man wusste also, was auf Leipzig zukommt. Nur hat es dieser Laden in der Messestadt mal so richtig eskalieren lassen. Und zwar bewusst und mit Ansage.

Am Wochenende war nichts im grünen Bereich. Es war ein einziges Desaster für die Stadt, für die Gesellschaft und für den Kampf gegen das Virus. All das hätte vermieden werden können, wenn der Querdenken-Tross sein Kumbaya-Gettogether irgendwo in der Walachei oder eben auf der Messe hätte durchziehen müssen und die Polizei vorbereitet gewesen wäre. So müssen sich Oberverwaltungsgericht und Bundes- und sächsische Polizei den Schuh anziehen, versagt zu haben.

Aber vielleicht war das auch schön einfach für Querdenken, denn einer der Richter am Oberverwaltungsgericht vertritt die Meinung, Corona und Grippe gleich zu setzen. Und der Wanderzirkus? Der war dann vielleicht nur „Ach, die wollen nur spielen“. Es war ein unwürdiges Schauspiel, was Justiz und Polizei da boten. Sie hätten sie ja demonstrieren lassen können, denn das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut. Aber die Auflagen hätten eingehalten und die Verletzung geahndet werden müssen.

Corona wird uns das Leben weiterhin schwer machen

Ich habe Menschen in meinen engeren und weiteren Kontakten, die ernsthaft behaupten, dass ich mich viel zu sehr verrückt machen lasse und Corona eh nur ein Schnupfen ist. In meinem engeren Umfeld gibt es Risiko-Patienten. Ich habe Menschen gesehen, die Leistungssportler waren und durch Corona fast zu Pflegefall wurden. Was ist dann mit Risiko-Gruppen? Mir soll niemand damit kommen, dass ich da übertreibe.

Ich hoffe, dass es einer Verwandten bald wieder besser geht. Sie wurde positiv getestet und hat auch unübersehbare Symptome. Wir drücken in der Familie fest die Daumen, dass die junge, hübsche Frau bald wieder auf dem Damm ist. Es kann jeden treffen. Und Corona wird uns das Leben noch sehr lange sehr schwer machen. Warum können wir es nicht einfach so hinnehmen? Wollen wir denn wirklich alle am Beatmungsgerät enden?

Das ist es eben, was mich so unsagbar wütend über Querdenken macht. Und was noch viel schlimmer ist als dieser ganze unsägliche Mummenschanz, den der Haufen da abzieht: Der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist in Gefahr, die Akzeptanz ist in Gefahr, der Frieden in der Gesellschaft ist in Gefahr. Man soll niemandem etwas schlimmes wünschen. Aber insgeheim hofft man, dass diese Aktion am Wochenende gesundheitliche Folgen hat, damit die Gesellschaft sieht, wohin Corona führt.

Am Ende bleibt ein ganzer Haufen Wut. Wut auf zu wenig Polizei-Engagement beim Durchsetzen der Maßnahmen, Wut auf den Wanderzirkus aus vielen Gründen und Wut auf das Oberverwaltungsgericht, das diese Eskalation am Wochenende zu verantworten hat. Nun ist es so, dass ich mich weiterhin verschanzen werde. Wann sich die Lage überhaupt mal dauerhaft ändern wird, steht in den Sternen. Absehbar ist es nicht. Indes zieht Querdenken als Tross weiter. Vielleicht sind sie woanders schlauer.

2 Replies to “Querdenken in Leipzig: Und alle haben versagt”

  1. Absurd ist es dass irgendjemand annimmt das Menschen die gegen Coronauflagen demostrieren sich an diese halten. Den Spuk vor der Oper hätte man mit dem Springbrunnen und ein paar C-Rohren von der Feuerwehr schnell auflösen können. Wenn man denn den Willen und Mum gehabt hätte.

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