Was machen die Piraten?

Ich war nie ganz abgeneigt, was die Piraten anging. Ich war skeptisch. Und immer wieder wurde meine Skepsis von einzelnen Lichtblicken besiegt. Ob mir das nun auch so gehen wird, weiß ich noch nicht. Jedenfalls sind gerade die Piraten wieder einmal unwählbar für mich geworden.

Das ist umso schlimmer, weil die Leipziger Piraten ja derzeit den nach meinem Dafürhalten besten Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl unterstützen. Aber derzeit könnte es sogar sein, dass sie ihm schaden, weil ja die Unterstützerrolle bekannt ist und Leipziger nicht nur die Themen sondern auch die Parteien bewerten.

Gestern flammte eine heftige Debatte bei Twitter auf. Es gibt bei den Piraten mehrere zentrale Personen. Einer davon ist Christopher Lauer, Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus. Ein anderer ist Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschlands. Ich kenne keine Hintergründe. Aber es wurde ein SMS-Wechsel zwischen beiden veröffentlicht. Und zwar von Ponader. Der fühlt sich einer Drohung ausgesetzt. Den Nachrichtenwechsel können Sie u.a. hier nachlesen.

Ich möchte den Nachrichtenverkehr gar nicht groß kommentieren. Nur so viel: SMS-Nachrichten sind meiner Meinung nach immer etwas persönliches. So etwas muss man doch nicht unbedingt veröffentlichen. Das ist aber die Krux bei den Piraten. Durch die bedingungslose Transparenz wird eben alles veröffentlicht, was man veröffentlichen kann.

Ein anderes Schauspiel spielt sich derzeit in Leipzig ab. Da gibt es den so genannten Netznotar. Der will in den Bundestag. Und dabei lässt er sich vom lokalen Fernsehsender bewerben. Der Notar Dr. Thomas Walter wird aber von anderen Piraten u.a. der Lüge und anderem bezichtigt. Nahezu legendär ist folgendes Zitat:

Lieber Dr. Thomas Walter,
Sie sind ein Arschloch

Und alles wieder in der Öffentlichkeit und in Blogs und in sozialen Netzwerken. Im gleichen Kommentarverlauf ist dann zu lesen, welche Auswirkungen solche unsäglichen öffentlichen Personal-Debatten mit sich bringen:

Was bitte wollt Ihr mit solchen Leuten in der Politik? Wollt Ihr den Dicken machen, obwohl Ihr nur Reiskörner im Beutel tragt? Wollt Ihr auf große Höhle machen, obgleich Ihr nur im Erdloch haust?
Mein Interesse an einem Parteibeitritt ist mittlerweile erloschen, auch wenn ich weitgehend hinter den Grundsätzen der Piratenpartei stehe. Einige werden nun jubeln, die Klugen werden nachdenken. Ihr verliert immer mehr Menschen in der Mitte der Gesellschaft, die Ihr dringend bräuchtet, um Euch finanziell und inhaltlich zu stabilisieren und auch, um für breitere Schichten wählbar zu werden.

Themen und Ansätze sind eigentlich genügend da. Und welche Arbeit Martin Delius und Co. in Berlin so machen, ist nicht von schlechten Eltern. Sicher findet sich hier und da noch das eine oder andere Thema mehr, welches die Piraten besetzen. Aber davon wird man nie etwas erfahren, weil man nur die Diskussionen um Animositäten zwischen einzelnen Mitgliedern mitbekommt.

Leute, das schadet Kandidaten, die wirklich arbeiten wollen und die vielleicht ohne solche Debatten wesentlich bessere Chancen hätten. Wie in Leipzig der parteilose Kandidat Dirk Feiertag, der unter anderem von den Piraten unterstützt wird. Nur leider seid ihr Piraten derzeit zu keiner Unterstützung in der Lage, so wichtig sie auch wäre.

Ja, meine Aspekte sind in vielerlei Hinsicht zu kurz gegriffen. Aber ich will ja auch, dass der Artikel gelesen wird. Und das könnte schwierig werden, wenn der Artikel zu lang wird. Nur eins noch:

Neulich habe ich im Fernsehen einen Beitrag über eine rechte Gruppierung gesehen und wollte dieser auf den Grund gehen. Und ich fand auf deren Webseite Videos vom vielleicht aussichtsreichsten Kandidaten der Piraten für die anstehende Bundestagswahl. Ich habe mich vielleicht etwas seltsam ausgedrückt, aber ich war erschüttert, dass ich Videos von ihm dort fand. Und da habe ich eben über Twitter nachgefragt. Die Reaktionen waren dann schon etwas wutentbrannt. Dabei wollte ich doch nur wissen, was es mit den Videos auf sich hat.

Und das ist auch so eins der Probleme der Piraten: Selbst sind sie derzeit ungenau in jedem Themengebiet. Man möchte ja gern mehr erfahren. Aber man liest eben in zig Blogartikeln und in hunderten Tweets praktisch immer wieder das Gleiche, ohne dass eine wirklich abschließende Feststellung getroffen wird. Aber wehe, man ist ungenau in seinen Beobachtungen gegenüber den Piraten! Dann wird man der Falschaussage und Lüge bezichtigt. Und so geht’s dann ja auch nicht.

Aus diesem Grund, nämlich die Unmöglichkeit einer klaren Meinung über die Piraten, sind sie irgendwie nicht wählbar. Schlimmer noch, und ich wiederhole mich: Sie schaden guten Kandidaten wie dem Dirk Feiertag.

Und ich hatte mal die Hoffnung, dass mit ihnen mehr möglich ist. So wie Martin Mißfeldt, der auch dachte, sie könnten etwas bewegen. Also stehe ich da mit meinem Eindruck nicht allein in der Wildnis.

Noch einmal zum Schluss: Die Piraten haben wichtige Themen, die es zu bearbeiten gilt. Die Themen sind für andere Parteien relativ uninteressant, daher wäre eine Bearbeitung durch eine neue Partei gut und richtig gewesen. Einige Positionen sind auch nach wie vor richtig. Aber so lang man sich in diesem Chaos befindet, ist man halt unwählbar, so schade das auch ist.

Und ich weiß schon, was jetzt passiert: Man möchte mit mir darüber diskutieren, dass ich hier und da ungenau bin und dass ich doch wichtiges vergessen habe. Das mag alles sein. Mir ging es bei diesem Artikel um die Außenwirkung, und das man so etwas wie oben skizziert nicht öffentlich tut. Und mir geht es um Leipzig. Wenn die Piraten schon den Dirk Feiertag unterstützen, dann richtig. Einfach nur den Namen und das Logo hinpappen und sich dann in die eigene Chaos-Diskussion zurückziehen wie immer, das ist keine Unterstützung. Und Leipzig braucht dringend einen neuen Oberbürgermeister, der nichts mit der SPD, der CDU oder den Linken am Hut hat.

Danke für die Aufmerksamkeit.

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