Crime Scene Internet: Die Filterblase ist strukturell kaputt

Das Internet ist ein einziger Schauplatz des Todes. Zumindest des Verbrechens. Oder irgendwas in der Art. Jedenfalls ist die Filterblase strukturell kaputt. Wir reden nur noch über Agenturen, soziale Netzwerke, Werbeindustrie und all das. Was war das schön, als man das Internet noch als das benutzen konnte, für das es mal gemacht wurde: Zum Austausch. Jetzt geht es nur noch um Angriffe und Optimierungen und Filter und Blocker und den ganzen Kram, den wir ohne die Kommerzialisierung gar nicht hätten. Ist das nicht ein Trauerspiel?

Der Algorithmus aus der Hölle

Ich verlinke zu gern mal meinen Artikel über einen Mann, dem die deutschen Medien übel mitgespielt haben. Da ich mich auf die Medien verließ, machte ich dieses ganze Spiel auch noch mit. Ich hoffe, dass ich durch meinen etwas längeren Artikel ein wenig wieder gut machen konnte, was da passiert war. Am Ende bleibt ja die Erkenntnis, dass wir alle, die das Internet nutzen, in Algorithmen gefangen sind. Algorithmen sind Handlungsvorschriften, mit denen Probleme oder eine ganze Reihe davon gelöst werden. Dabei führt eine bestimmte Eingabe zu einer bestimmten Ausgabe.

Nein, das denke ich mir nicht aus, das gibt es zu lesen. Wenn gleiche Bedingungen zum gleichen Ergebnis führen, spricht man von so etwas. Google, Facebook und Co. meinen, dass sie uns die Bedingungen vorsetzen können und wir dann immer gleiche Eingaben machen und der Rest eh nicht interessant ist. Deshalb gibt es solche Dinge wie „Ranking“, „angesagte Beiträge“ und dergleichen. Seit 1843, als Ada Lovelace den ersten Algorithmus für Computer aufschrieb, wurde diese Technik immer weiter vorangetrieben, sodass uns Unternehmen vorkauen, was uns zu interessieren hat.

Aber wissen das die ganzen Firmen tatsächlich? Das einzige, wie man da durch kommt, ist doch, dass zwischenzeitlich und immer wieder auf alternative Instrumente zurück gegriffen wird. Sprich: Wir nutzen nicht mehr ausschließlich den Google Chrome mit der Google Suchmaschine. Es gibt ja auch noch den Firefox und den Internet Explorer und andere. Und Suchmaschinen sind DuckDuckGo, Bing, MetGER und so weiter. Man ist nicht auf den Giganten mit den bunten Buchstaben angewiesen. Ich stelle es immer wieder fest, dass ich woanders mehr erschöpfende Informationen erhalte.

Und mit den sozialen Netzwerken ist es doch nicht anders. Facebook bekommt es weiterhin nicht gebacken, dass der Nachrichtenstrom chronologisch erfolgt. Das muss ich immer manuell anpassen. Bei Google Plus habe ich das Ganze schon aufgegeben. Twitter bietet eine gewichtete Anzeige immernoch optional an. Aber alle wollen sie ihre Algorithmen in die Netzwerke daddeln. Ob das den Nutzern gefällt oder nicht. Und wir nehmen das einfach hin. Dass wichtige Sachen damit unterschlagen werden, juckt aber viele Internetnutzer gar nicht. Aber so ist nun einmal das Leben.

Mein Werbebanner prüft die korrekte Schamhaar-Frisur

Entschuldigung, aber ich musste das so drastisch formulieren. Ich habe in der Seitenleiste ein Werbebanner von Adiro. Darunter biete ich Unterstützung für Schulprojekte an. Ob das Werbebanner von Adiro nun den Nutzer verfolgt oder nicht, weiß ich nicht. Ich kann nur mutmaßen. Wenn ich mir die Werbung so anschaue, dann kann das nicht weit her sein, was da „geschnüffelt“ wird. Aber immerhin bringt mir das die Webseiten-Kosten und einen Lolli. Für mehr Einnahmen müssten mehr Besucher ihre Werbeblocker ausmachen. Und das kann ich nicht verlangen.

Denn das haben die Werbeindustrie und die Agenturen und all der Rödel kaputt gemacht. Wenn ich mir überlege, wer da alles mit dran hängt, wenn es um Werbung geht, schnalzt man mit der Zunge. Jeder will von dem hundertstel Cent noch seinen „Batzen“ abhaben. Und deshalb wird optimiert und recherchiert und analysiert. Nein, spielt einfach Werbung aus, aber lasst die Leser in Ruhe. Das können diese Daten-geilen Buden aber alle nicht. Und hier zähle ich AdSense von Google mit dazu. Und über Werbebanner wird nun einmal viel Dreck verbreitet, weshalb die Werbebanner ja ihre Daseinsberechtigung haben.

Würde in der Werbeindustrie nicht so viel Scharlatanerie herrschen, würde das auch ganz anders laufen. Aber schauen Sie mal rüber zu Mobilegeeks, dort gibt es eine schlimme Grafik zu sehen, wer da alles versucht, am Nutzer zu verdienen. Agenturen, Netzwerke, Broker, der ganze Bodensatz der Wirtschaft kramt da mit herum. Dass da auch einige ganz lausige schwarze Schafe mit dabei sind, darüber brauchen wir uns nicht zu wundern. Deshalb ist es nun einmal so, dass die Werbung nicht sein müsste, wenn andere Kanäle irgendwie nennenswert etwas abwerfen würden. Dann wäre auch hier Ende mit dem Banner.

Aber am Ende habe ich mich lang genug über Werbebanner aufgeregt. Diese ganze AdBlock-AdBlockPlus-Geschichte ficht mich nicht mehr an. Ich kann es doch eh nicht ändern. Ja, ich habe auch einen Werbeblocker aktiv. So als Selbstschutz. Denn ich hatte selbst auch mal Viren-Ärger aufgrund von Werbung. Ich werde niemandem den Gebrauch dieser Blocker ausreden. Erst recht nicht Besucher mit aktivem Werbeblocker hier aussperren. Aber es gibt eben teils fragwürdige Strukturen bei den Werbeblockern, die im Prinzip auch nicht astrein arbeiten. Aber so wie mein eines Werbebanner besser als nichts ist, sind Werbeblocker besser als nichts.

Webseiten-Betreiber haben es nicht besser verdient

Ja, da mögen viele Recht haben. Ich habe mir ja auch schon böse Beschimpfungen anhören dürfen. Wieso blende ich ein Werbebanner ein? Wieso mache ich bei der VG Wort mit? Ich Wegelagerer soll lieber arbeiten gehen. Und meinen „Scheiß“ würde eh keiner lesen wollen, weshalb mir auch der Werbeblocker recht geschieht. Wisst ihr was? Bei 41000 eindeutigen Aufrufen pro Monat diskutiere ich nicht mehr darüber, ob das jemand lesen will oder nicht. Wer meine Artikel aber als „Scheiß“ bezeichnet, braucht doch hier gar nicht erst vorbei zu kommen. Das erklärt aber trotzdem nicht die Werbeblocker.

Natürlich haben die Webseiten-Betreiber Schuld daran. Erst waren es die Webseiten, die tausende Popups und Popunders geladen haben, als noch die alten 56-k-Modems aktuell waren. Dann waren es die Webseiten, bei denen den Besucher ganz plötzlich irgendwelche Musik anschrie. Dann kamen die Webseiten, die irgendwelchen Kram hatten, der sich darüber legte und man den Schließen-Button mit der Lupe suchen musste. Und jetzt haben wir die Newsletter-Abo-und-Facebook-Like-Bettel-Overlays. Was trauen sich diverse Webseiten-Betreiber eigentlich sonst noch?

Und dann wird man als jemand mit einem Werbebanner, der noch zusätzlich für Schulprojekte wirbt, in einen Topf mit solchen Scharlatanen geworfen. Aber ehrlich: Ich kann die Nutzer verstehen. Ich öffne ja auch keine Webseite mehr ohne AdGuard und Ghostery. Wie gesagt: Das ist alles Selbstschutz. Und wenn dann alles noch zum Erbrechen optimiert ist, ist kein natürliches Leseerlebnis mehr zu spüren. Aber wir haben wenigstens alles optimal zusammengeschraubt. Mir kommt es so vor, als ob so viele Webseiten-Betreiber einfach die Rechnung ohne die Leser machen, egal wobei.

Kotzt mir nicht ins Internet!

Entschuldigung, aber das musste jetzt auch sein. Ein großes Problem im Internet ist es neben der Werbung und der möglichen Gefahren und eben auch der optimalen Webseiten-Optimierung für die Suchmaschinen (für wen sonst, nicht wahr?) auch die Verwendung von möglichst plakativen Überschriften. Das ist ja schon fast Wegelagerei. Wie abstoßend das ist, sehen Sie an der von mir gewählten Überschrift. Man kann zwar durchaus sagen, dass das Internet ein Schauplatz eines Verbrechens (Crime Scene) ist. Aber solche Überschriften lesen wir sehr, sehr häufig.

Nein, ich meine damit nicht mehr nur Blogs. Auch etablierte Medien, die es seit vielen, vielen Jahren gibt, kotzen einen derartigen Brei ins Internet. Vorwiegend dann noch mit einem optimierten Bla-Text für die sozialen Netzwerke, sodass auch ja heftig darüber diskutiert werden kann. Geht es denn nicht auch ohne dieses jämmerliche Clickbaiting? Ich meine, ich fasle doch auch im Normalfall nicht mit auf Klicks optimierten Überschriften herum. Und ich mit meinem popeligen Blog komme trotzdem auf die erwähnten 41000 Aufrufe.

Ich habe aber auch keinen Markennamen. Ich würde darauf wetten, dass die etablierten Medien keinen Besucherschwund erleben würden, wenn sie nicht mehr vor Klickgeilheit strotzende Überschriften verwenden würden. Und dann könnten Sie auch auf ihre jämmerliche Auf-Facebook-liken-Bettelei verzichten. So aber kotzen die weiterhin lieber ihre Leser voll. Ist das nicht abartig? Und die Leser konsumieren das Gesülze weiter. Dabei gibt es gute Medien, die ganz ohne Clickbaiting auskommen. Namhafte. Aber die anderen interessiert es nicht. Komisch, oder?

Wo bleibt die Internet-Kompetenz?

Wo wir grad beim Clickbaiting waren: Ich habe es so oft mitbekommen, dass solche reißerischen Überschriften gelesen wurden, der Artikel dazu aber nicht. Und trotzdem wurde lauthals das Internet mit irgendeiner unqualifizierten Meinung vollgeschrieen. Wie kann das denn sein? Und ich will Anzeige erstatten! Und raus aus der Gesellschaft! Und wir werden alle sterben. Ein sehr oft beobachtetes Phänomen in den Auftritten der Medien in den sozialen Netzwerken. Auch ich habe Leser, die mal einen Artikel kommentiert haben, von dem sie lediglich die Überschrift kannten. Das ist aber keine Kompetenz, oder?

Es gibt Webseiten, da machen sich die Betreiber eine riesige Arbeit. Ob Sie mich dazu zählen oder nicht, werde ich nicht beeinflussen. Und diese Webseiten-Betreiber werden zusammen mit Webseiten, die mit Werbung zugepflastert sind, in einen Topf gehauen. Sind ja alle böse. Vielleicht bekommen es mehr Webseiten hin, nicht mehr auf die Werbenetzwerke hereinzufallen. Mein Alfahosting-Banner, das mir nichts einbringt und nur Schmuck ist, führt zwar zu Alfahosting, aber es ist statisch eingebunden. Da zählt kein Scharlatan dahinter irgendwas. So etwas müsste sich mehr durchsetzen.

Und die Leute, die ihre Produkte anbieten wollen, sollen sich 1:1 mit Webseiten-Betreibern zusammensetzen. Man findet so eine Lösung wie das Alfahosting-Banner. Man muss es aber wollen. So macht man dann nämlich Werbenetzwerken und Werbeblocker-Netzwerken nebst der ganzen Spionage und dem Absetzen von Schadsoftware das Licht aus. Wo nichts unterdrückt werden kann, weil der Werbeblocker das als Bild und nicht als Banner sieht, dort wird auch so ein Blocker unwirksam und sinnlos. Und die Werbefirmen sollten sich vielleicht überlegen, ob es nicht so einen Weg geben könnte.

Fazit

Puh, ein hartes Stück Brot, oder? 1600 Worte sind es bis hierher. Ich habe es nur satt, mich dafür zu rechtfertigen, dass ich Werbung anzeige. Ich habe es satt, mir Vorwürfe wegen meiner Inhalte anzuhören. Und ich habe es satt, dass man mich für den Weltschmerz verantwortlich macht. Und ich habe es vor allem satt, dass das Werkzeug Internet so schändlich missbraucht wird.

Ich will nicht, dass im übertragenen Sinn die Werbung den Leuten in den Schritt schaut. Und wenn eine Überschrift eine Aussage hat, dann soll die auch im Text wiedergespiegelt werden. Das Internet ist nicht so schlecht, wie es gemacht wurde. Wir wollen das Internet wieder so nutzen, wie es mal gedacht war. Und dabei wollen wir nicht nachverfolgt werden und uns irgendwelchen Dreck aufhalsen. Und wir wollen, dass das, was drüber steht, auch drin steht. Das ist doch nicht so schwer. So lang das aber so ist, ist das Internet eine Crime Scene und die Filterblase strukturell kaputt. Guten Abend.

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