Das Netz soll eine Party sein? – Weltonline mit merkwürdigen Ansichten

Eigentlich denkt man sich, zum Thema ACTA / PIPA / SOPA ist inzwischen alles gesagt. Die Entwürfe und Abkommen und wie man es sonst nennen mag sind Unsinn und realitätsfremd und so weiter. Plötzlich kommt Weltonline mit einer „Meinung“, die ich anders nicht erwartet habe.

Wie man weiß, gehört die Welt zum Axel Springer Verlag – und damit zum Medienkartell. Wie gestern schon bemerkt, das sind die, die in Christian Wulffs alten Socken rumschnüffeln wollen. Wie dem auch sei, bei Weltonline gibt es eine Rubrik namens „Meinung“. Dort werden in einer Art Blog Meinungen von Redakteuren veröffentlicht. Meist geschieht dies zu aktuellen Themen. Und da man nicht nur als Wulff-Diffamierungsmedium innerhalb des Medienkartells gelten will, versucht man sich halt mit einer „Meinung“ zu den unsäglichen Abkommensversuchen.

Frank Schmiechen hat nun also vor sich hin kommentiert. Er lässt verlauten, dass Mami die gleiche Musik wie der Teenie hört und Papi wie ein Teenie angezogen Clubs besucht. Somit, so stellt Herr Schmiechen fest, fallen Abgrenzungen. Bravo, und mittendrin schreit ein Satz in Anführungszeichen, dass samstags Papi „mir“ gehört.

Herr Schmiechen zieht über den Sinn politischer Parteien her. Die sind nämlich wegen der Raucherpausen entstanden. Super, Herr Schmiechen! Ist das noch eine „6“? Ich meine die Schulnote in Geschichte. Ach ja, ich muss ja weiterlesen. Das mit den Raucherpausen ist eine längst versunkene Welt. Und plötzlich hat man – Aufpassen, jetzt kommt’s! – „digitale Landmassen“ entdeckt, um die sich die etablierten Parteien ja nicht kümmern können.

Wow! Respekt! Man lässt eine Welt untergehen, damit neue Landmassen entstehen. Herr Schmiechen ist ein göttlicher Geophilosoph. Nun denn, das ist also seine Erklärung, warum es die Piraten überhaupt gibt: Die Ländereien müssen aufgeteilt und bewirtschaftet werden! Grandios!

Herr Schmiechen kommt dann aber tatsächlich zum Thema. Es geht um die ACTA-Proteste. Er gibt zu, dass die Materie sehr kompliziert ist. Heißt das im Umkehrschluss, er hat sie nicht verstanden? Wenn dem so wäre, hätte nicht jemand anderes den Kommentar verfassen können? Aber schauen wir einmal, was noch so kommt.

Natürlich, gleich im nächsten Absatz kommt das Offensichtliche zutage: Herr Schmiechen hat es nicht verstanden. Er skandiert, dass es sich um „Gegner des neuen Urheberschutzes“ handelt, die für ein freies Internet kämpfen. Hätte Herr Schmiechen gestern mal dem Herrn Wendler von der ARD zugehört, wäre sein Kommentar offensichtlich anders ausgefallen. Noch einmal für die gesamte Weltonline und somit für das Medienkartell: ACTA ist kein neuer Urheberschutz, es nützt – wenn überhaupt – nur den Rechteverwertern, aber nicht den Urhebern.

Herr Schmiechen geht dann gleich richtig in die Vollen. Er gibt doch tatsächlich vor, dass diejenigen, die am lautesten gegen ACTA protestieren, ja dass eben diejenigen das Internet für sich allein beanspruchen wollen. Geht’s noch? Das Internet sollte nicht regiert werden. So war es mal gedacht. Und es hat bisher wunderbar funktioniert. Das Internet gehört allen. Und das, obwohl – Achtung, Gedankenöse – der Herr Döpfner, der dem Axel Springer Konzern und damit der Weltonline vorsteht, gern die Blogger aus dem Internet raushaben will und dann für jegliche Art von Information Geld haben will.

Und dann geht’s gleich richtig zur Sache. Herr Schmiechen wirft dann in die Runde, dass die Befürworter von ACTA – falls es außer den Rechteverwertern überhaupt welche gibt – dafür sind, dass sich „Leistung, Kreativität und Schaffung von Inhalten“ lohnen soll. Richtigerweise bringt er dann an, dass dies nie jemand bestritten hat. Es hat aber auch nie jemand ernsthaft behauptet, dass genau dies erreicht werden soll. Ich verweise hier nochmal auf Ihren Kollegen Wendler vom Bayrischen Rundfunk, Herr Schmiechen.

Er setzt seinen Rundumschlag dann gleich fort, indem er Ansgar Heveling das Internet erklärt. Es sei – was richtig ist – kein rechtsfreier Raum. Und dann haut er mit herrlichem Gemetzel um sich, was sogar „streckenweise recht unterhaltsam“ sei. herr Schmiechen, wie wollen Sie denn mit so einer Polemik den Herren Heveling und Kauder die Angst vor dem Internet nehmen? Ab in die Ecke und schämen!

Die richtigste Ansicht des Kommentators folgt dann. Er erkennt, dass es ein an die digitalen Gegebenheiten angepasstes Urheberrecht geben muss. Und dass sich das bisherige Urheberrecht nicht auf die digitale Welt projizieren lässt. OK, kommen Sie wieder raus aus Ihrer Ecke, Herr Schmiechen!

Er hat ja noch etwas richtiges geschrieben. Man muss sich etwas einfallen lassen. Die Vertriebswege haben sich nun einmal dramatisch geändert. Sicher kann man ernsthaft darüber nachdenken, ob es klug ist, eine Single einer Band zu verschenken, wenn sich der Empfänger dann intensiv mit der Musik der Band beschäftigt. Ein ähnliches Beispiel brachte ich gestern auch in dem oben verlinkten Artikel an.

Derlei Gedankenspiele bringt Herr Schmiechen dann noch an. Er bringt z.B, Buchausschnitte an. Also das, was die Filmindustrie durch die so genannten „Teaser“ macht. Und ja, sich solche neuen Modelle einfallen zu lassen, dafür sind die Verlage und Rechteverwerter zuständig. Und dann klappt es auch mit dem Kunden.

Natürlich hat Herr Schmiechen auch Recht, wenn er meint, dass es dumm ist, wenn man davon redet, Kopieren sei kein Diebstahl. Aber wie will er es denn sonst nennen? Das Original ist ja schließlich noch da. und zum Thema „Kopieren“ gehört eben auch das Zitat. Dazu hat er sich nicht geäußert. Und genau hier setzt eben auch ACTA an. Vielleicht kommt da noch ein Nachschlag des Herrn Schmiechen.

Und mit seinem Schluss-Statement trifft es Herr Schmiechen voll und ganz. Hätten die Verhandlungspartner von vornherein mit offenen Karten gegenüber der Bevölkerung gespielt, wären die Proteste vielleicht nicht so schlimm geworden. Denn dann hätte die Bevölkerung vielleicht Einfluss nehmen können. Aber diese Chance wurde unwiederbringlich vertan. Und ja, Herr Schmiechen, auch die Regierung war überrascht. Schön, dass Sie das auch so sehen.

Ich finde, Herr Schmiechen hat das Thema ACTA nur teilweise verstanden. Es ist auch sehr schwierig. Jedenfalls handelt es sich auch nach Abschluss dieses Artikels um keinen Urheberschutz sondern um Verwerterschutz.

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