Ein Shitstorm, der das Leben zerstörte

Ich halte ja selbst nichts davon, dass man herabwürdigende Äußerungen im Internet ablässt. Vieles geht unter sie Gürtellinie. Und dass daraus ein Shitstorm wachsen könnte, ist auch völlig normal und gerechtfertigt. Aber ich habe einen Shitstorm beobachtet, der a) alle Vorstellungen übersteigt und b) das Leben der Autorin eines Tweets faktisch zerstörte.

Es geht um die kleine, feine Geschichte von Justine Sacco, der bisherigen Managerin der Öffentlichkeitsarbeit – der PR-Managerin also – des Konzerns IAC (u.a. Ask.com, Match.com, Vimeo, About.com, CollegeHumor). Diese Geschichte zerstörte innerhalb kürzester Zeit ihr Leben. Und das nur, weil sie ein wenig Blödsinn bei Twitter geschrieben hat.

Es gibt so Sachen, die tut man einfach nicht. Man beschimpft niemanden wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner politischen Gesinnung oder etwa seiner sexuellen Orientierung. Und man reist nicht als weiße Frau in leitender Position in der Unternehmenskommunikation nach Afrika und erzählt vorher aller Welt via Twitter so etwas:

Der Tweet von Justine Sacco, der ihr Leben veränderte - (C) via Mobilenote
Der Tweet von Justine Sacco, der ihr Leben veränderte – (C) via Mobilenote

In dem vermaledeiten Tweet schreibt sie: „Ich reise nach Afrika. Hoffentlich bekomme ich kein AIDS. Nur Spaß, ich bin ja weiß!“ – Du meine Güte! So etwas schreibt man doch nicht öffentlich! Und schon gar nicht als PR-Tante!  Und wenn man so etwas schon schreibt und die Reaktionen mitbekommt, löscht man ganz schnell das Geschriebene. Oder?

Nein, Justine Sacco hat dies nicht getan. Sie schickte den Tweet ab und bestieg das Flugzeug nach Südafrika. Während des Fluges hatte sie keinen Zugriff auf Twitter und konnte daher nicht verfolgen, was da im Anmarsch war: Hunderte, tausende Nachrichten voller Empörung und Hass prasselten in kürzester Zeit auf Twitter ein. Alle mit dem Hashtag (Lesezeichen) #HasJustineLandedYet.

Als sie dann in Südafrika angekommen war, sah sie das Desaster. Als nichts anderes als einen Shitstorm konnte man das bezeichnen, was da abging. Sie erhielt Drohungen, Empfehlungen, ihr Leben zu beenden usw. Ein kolossaler Mem breitete sich aus. Sie verlor noch vor Weihnachten ihren hochdotierten Job bei IAC und wird wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens keinen Fuß mehr in die PR-Arbeit bekommen.

Weltweit wurde mit dem Finger auf sie gezeigt. Selbst als sie alle ihre Profile in den sozialen Netzwerken gelöscht hatte, hörte das Ganze nicht auf. Es wurden Nachahmer-Profile mit ihrem Namen kreiert, es wurde eine Domain im Internet mit ihrem Namen angelegt. Der Shitstorm geht immernoch weiter. Und er zerstörte innerhalb von Stunden das komplette Leben der Frau.

Noch einmal: Man schreibt so etwas nicht. Aber man treibt mit einem solchen gigantischen Shitstorm niemanden derart in die Wüste. Irgendwann muss auch mal wieder gut sein. Aber scheinbar kann das Internet nicht einfach mal wieder Ruhe geben. Das Ganze hat dann schon ein wenig etwas mit Redefreiheit zu tun.

Sie hat ja versucht, den Fehler wieder gut zu machen. Aber inzwischen war #HasJustineLandedYet ein Selbstläufer geworden, den man nicht mehr einfangen konnte. Damit wurde sie gesellschaftlich unmöglich gemacht. Und das geht meiner Meinung nach zu weit. Und das findet auch Mirko Müller bei Mobilenote so, aus dessen Artikel auch der Screenshot zum Tweet weiter oben stammt.

Jetzt stelle ich mir einfach mal vor, was passieren würde, wenn jemand so eine Meinung vertreten würde: Einwanderer und Asylanten schön und gut. Aber die sollen zum Deutschunterricht gezwungen werden, damit die arbeiten können. Sonst sollen sie wieder raus. So oder so ähnlich könnte die Ausgangsnachricht sein.

Ja, das ist eine vertretbare Meinung. Wer des Deutschen nicht mächtig ist, dem fehlen die sozialen Kontakte, der hat keine Chance auf dem Arbeitsmarkt usw. Aber was würde der Internet-Mob daraus machen? #Aufschrei, #Nazi, #BrauneSoße oder so würden die Hashtags bei Twitter lauten. Aus diesem Grund verkneift man sich eine solche Äußerung, obwohl ich nicht wenige kenne, die ohne rechte Hintergründe genau die Meinung vertreten, dass – nun ja – eingereiste Leute unbedingt die deutsche Sprache lernen sollten.

Man sieht ja, was aus zweifelhaften Äußerungen wie der von Justin Sacco werden kann. Und die Ausländer-Thematik kann in Deutschland nach wie vor schnell dazu führen, dass jemand, der sich dazu äußert, ganz schnell in die rechte Ecke gestellt wird. Obwohl er oder sie dort niemals verortet werden kann.

Hat so etwas nicht auch mit Meinungsfreiheit zu tun? Ich meine einerseits solche Dinge wie Sacco, die ihren schweren Kommunikationsfehler ausräumen wollte und trotzdem nicht in Ruhe gelassen wurde. Und ich meine andererseits Äußerungen, mit denen man völlig grundlos in eine bestimmte und falsche Schublade gesteckt wird. Solche Reaktionen müssen nicht sein. Sonst lässt man es vielleicht ganz sein, im Internet irgendetwas zu äußern.

Shitstorm und Mobbing im Internet sind nicht überall angebracht. Und beides kann Leben zerstören. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, bevor man zu tausenden auf jemanden virtuell eindrischt. Nicht immer ist ein Maulkorb gut, der ja zwangsläufig durch Shitstorms und Mobbings verhängt wird. So etwas dient nicht immer der Meinungsfreiheit.

Ich kann mir übrigens vorstellen, dass man mir mit Hass und Pöbeleien entgegen kommt, wenn man diesen Artikel liest. Es ist lediglich nur Meinung. Ich verurteile ja nicht den Shitstorm gegen Sacco. Aber er war des Guten entschieden zu viel. Irgendwie muss es auch mal wieder genug sein. Das wollte ich damit nur sagen.

5 Replies to “Ein Shitstorm, der das Leben zerstörte”

  1. Gut geschrieben!
    Der Schluss ist allerdings sehr riskant wie ich finde. Meinungsfreiheit beim Thema Rassismus…. Das muss dann schon recht diplomatisch und zurückhaltend ausgedrückt sein, da das einfach ein Thema ist, welches schnell harte Auswirkungen haben kann. Auch Deine Aussage mti dem Deutschunterricht würde ich so unterstützen, ich merke es ja auch täglich im Geschäft, wenn die Kunden kein deutsch können. Nur dies bezüglich wird es in Deutschland wohl nie eine ordentliche Regelung geben.

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