Mythos Windows 10 und der Journalismus, der nichts zählt

Ich habe auf Windows 10 aktualisiert. Wenn es nach den Medien geht, bin ich da jetzt in den Fängen des bösen, bösen Konzerns Microsoft. Microsoft speichert bösartigerweise meine Daten, Windows 10 versendet auf verbrecherische Art eben diese Daten. Und ich muss mich dringend dagegen wehren. Oder so. Wenn man so den ganzen reißerischen Berichten und Expertenmeinungen glauben will, dann fühlt man sich plötzlich so, dass man den Windows 10 Computer aus dem Fenster werfen will, weil man sich aus den Klauen des bösen Giganten befreien will. Aber stimmt das Alles denn?

Als ich die Aktualisierung durchgeführt habe, wurden meine Einstellungen übernommen. Windows 10 wusste von meinen Desktop-Einstellungen, von meinem WLAN-Passwort, von meiner Anbindung an OneDrive und so weiter und so fort. Hintergrund war, dass ich mein bisheriges Windows 8.1 mit meiner Microsoft ID verheiratet hatte. Die habe ich dann auch bei Windows 10 eingetragen, und schon wurde alles übertragen. Wie wäre das denn alles vonstatten gegangen, wenn diese Dinge nicht online bei Microsoft gespeichert werden würden?

Und dann gibt es die Datenschutz-Einstellungen, die in der Kritik stehen und über die diskutiert wird. Diese Einstellungen nimmt man gern mal her und konstruiert mit der EULA, dem Endnutzer-Lizenzvertrag, irgendwas zusammen und verziert es mit hanebüchenen und laut brüllenden Überschriften. Dabei scheint es egal, wie viel davon stimmt. Windows 10 ist ein Besuchermagnet auf jeder Webseite. Und wer mit reißerischen Überschriften daher kommen kann, lockt noch mehr Leser und Besucher an. Das Ganze läuft derzeit mit nahezu mathematischer Präzision ab.

Da werden wilde Dinge über WIFI-Sense behauptet. Damit würde man sein WLAN-Passwort angeblich teilen, und Kontakte würden das Passwort lesen können. Nun ja, man kann den Zugang freigeben. Aber der Kontakt wird niemals das Passwort kennen. Und in Unternehmensnetzwerken können WLAN-Zugänge gar nicht freigegeben werden. Aber irgendwie ist mir so, als ob das Alles gar nicht so etwas neues ist. Nur dass es unter Windows 10 nun präzisiert wurde.

Microsoft hat natürlich auch Zugriff auf die PC-Daten. Selbstverständlich. Aber damit ist nicht gemeint, dass man wie verrückt den Computer durchschnüffelt. Was nämlich in den reißerischen Artikeln gern vergessen wird, ist dass es sich um OneDrive handelt. Ich muss ja den Online-Speicher nicht nutzen. Aber wenn, dann müssen die Daten dort auch mit Virenscanner durchsucht und mit Backup-Mitteln angefasst werden. Ohne OneDrive wäre ich bei der Aktualisierung aufgeschmissen gewesen. Und darauf muss Microsoft Zugriff haben. Natürlich kann sonst der Dienst nicht angeboten werden. Das hat nichts damit zu tun, dass Nutzer ausgeschnüffelt werden.

Und mal ehrlich: Wie läuft das denn bei all den anderen Diensten? Ob es Dropbox, Google Drive, Amazon S3 und all das ist, die Anbieter müssen den Datenbestand durchsuchen dürfen, damit sie sich keine Ausfälle und Störungen ins Haus holen, weil die Daten mit Schadsoftware belastet sind. Außerdem müssen die Anbieter dafür Sorge tragen, dass keine kriminellen Dinge (ja, auch illegale Kopien gehören dazu) über die Cloud-Dienste verschoben werden. Bei allen anderen akzeptieren das die Nutzer, bei OneDrive nicht. Warum bitteschön ist das so?

Mit BitLocker können Festplatten verschlüsselt werden. Den BitLocker-Key kann man auch in der Cloud speichern. Man kann, man muss es aber nicht. Ich kann genauso gut den Key zum Entschlüsseln der Festplatte auf einem USB-Stick speichern oder ausdrucken oder so. Im schlimmsten Fall schreibe ich den Key auf einen Zettel. Wie auch immer, in den reißerischen Berichten wird lediglich von der Cloud-Möglichkeit gefaselt. Andere Möglichkeiten werden gar nicht genannt, und das ist schlicht und ergreifend falsch.

Raubkopierte Spiele werden von Windows 10 automatisch deaktiviert. Ja, was ein Wunder! Wenn jemand mit einer raubkopierten Spiele-Installation daher kommt, wird beim Feststellen der Raubkopie der Online-Zugang zum Spiele Server deaktiviert. Das geht überall hervor, aber man kann durchaus mal mit frei erfundenen Verschwörungstheorien daher kommen. Wieso sollte auch nur ein Anbieter Zugang zu seinen Diensten bieten, wenn der Nutzer nicht dafür bezahlen will?

Windows 10 kostet Geld. So erzählen es uns die Medien. Klar, bei der Verwirrung, die Microsoft da teilweise selbst angezettelt hat, mussten die Medien zu diesem Schluss kommen. Nun hat man auch einfach mal drauflos interpretiert. Aber es ist nun einmal so, dass bis zum Ablauf eines Jahrs nach der Veröffentlichung von Windows 10 das Update kostenlos ist und dann auch niemals Kosten anfallen werden. Wer danach auf Windows 10 gehen will, muss natürlich dafür bezahlen.

Am Ende wird viel über Windows 10 erzählt. Ich habe irgendwo „Privatsphäre ade“ gelesen und all das, was vielen zu Windows 10 einfällt. Aber grundsätzlich ist es so, dass Microsoft umfassende Dienste anbietet. Die kann man nutzen, wenn man denn will. Und um diese Dienste abzusichern, müssen auch von Anbieter-Seite her Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Das machen andere Anbieter auch, und da gibt es kein solches Geschrei wie in Sachen Microsoft.

Wir können uns getrost entspannen und zumindest in Sachen Windows 10 die Aluhüte wieder wegpacken. Und den Medien kann man empfehlen, dass die einfach genauer erklären, was mit Windows 10 realistisch ist. Insofern kann man da nur WParea danken, dass sie da zur Aufklärung beitragen.

2 Replies to “Mythos Windows 10 und der Journalismus, der nichts zählt”

  1. Danke für diesen Artikel, Henning – auch wenn ich ihn etwas spät gelesen habe ;-) Endlich mal einer, der diesen ganzen Nonsens über Windows 10 auf den Punkt bringt! Aber was will man machen: Viele Onlineportale leben von Clickbaits, denn die Werbeeinnahmen müssen sprudeln. Da kommen Verschwörungstheorien gerade recht…

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