Networking am Limit: Will ich das denn?

Sie heißen LinkedIn, XING und neuerdings Polywork. Plattformen für das Networking. Was bescheuert bis zum Schluss klingt, ist es am Ende vermutlich auch noch. Ich frage mich neuerdings bei all dem Kram: Will ich das denn? Ich meine, was bringt es mir, dort mit unzähligen, teils wildfremden Leuten „vernetzt“ zu sein? „Join my bubble“ oder so. Ich denke mir bei so etwas immer: Muss ich für so etwas überhaupt Zeit aufwenden? Wenn ja, warum? Und so richtig vorwärts bin ich halt nicht gekommen.

Was zum Henker ist eigentlich Networking?

Es gibt da ja die dollsten Geschichten. Irgendwelche im Internet „lebenden“ Menschen, die immer mal wieder irgendeine wohlklingende Story veröffentlichen. Recruiter und solche, die sich dafür halten. Menschen, die ihren Kram verkaufen wollen. Aber hat das mit dem klassischen Networking überhaupt noch etwas zu tun? Was bedeutet der Begriff denn überhaupt? Wohl dem, der mal einen Blick in die Wikipedia werfen kann. Denn dort steht was zum Thema.

Das Networking ist eigentlich der Aufbau und die Pflege von persönlichen und beruflichen Kontakten. Es geht um Personen, die in irgendeiner Form in Beziehungen stehen und sich gegenseitig unterstützen. Das findet aber bei den beiden großen Plattformen – XING und LinkedIn – so gar nicht statt. Vor allem LinkedIn wird mehr und mehr zu einer Art Debattierhölle, gepaart mit einer Art Business-Straßenstrich. Sorry für die harten Worte, aber irgendwie geht das so in die Richtung.

Ich hatte vor langer Zeit schon davor gewarnt, dass wir uns zu Tode netzwerken würden. Zu der Zeit ahnte ich ja noch nicht mal, dass Horden von Nutzern den Gedanken von Networking so komplett falsch verstehen würden. Aber vermutlich liegt das daran, dass immer mehr Agenturen die Arbeit für irgendwen da auf den Plattformen übernehmen. Gegenseitiger Austausch findet leider viel zu wenig statt. Jeder preist nur noch irgendwas an oder schimpft wie ein Bekloppter auf irgendeine gesellschaftliche Lage.

Das hat nichts mit Networking zu tun. Gar nichts. Dazu schrauben die Plattformen immer wieder an irgendeinem Algorithmus herum. Was ist dann das Resultat? Man findet vieles nicht mehr. Ich habe mich mal dazu entschieden, LinkedIn der Plattform XING vorzuziehen. Irgendwie bin ich aber aufgrund der Entwicklungen dabei, auch meine Aktivitäten bei der Microsoft-Tochter einzustellen. Denn der Networking-Gedanke spielt ja doch immer weniger eine Rolle.

Was nervt mich denn so kolossal?

Ich war noch nie gut darin, mich in Szene zu setzen. Dafür bin ich der Falsche. Ich mache mein Ding. Und wenn es passt, erzähle ich auch darüber. Ich würde allerdings nie auf die Idee kommen, irgendeinen Sermon über mehrere tausend Worte mit dutzenden Hashtags und einem vielsagenden, komplett gestellten Foto von mir bei LinkedIn abzulassen. Wobei: Ich hatte mal was bei LinkedIn herum gefragt mit Foto von mir. DAS war bisher mein erfolgreichster Post dort.

Aber am Ende ist es doch genau das: Diese Selbstdarstellung, die Selbstbeweihräucherung, viel inhaltsleeres Gesabbel. Das nervt mich kolossal, weil ich so gar nichts damit anfangen kann. Ich weiß auch nicht, was das am Ende bringen soll. Aber ich verstehe halt etwas anderes unter Networking. Ich mag da altmodisch sein. Darum klärt mich mal auf, was diese Einträge sollen. Was bringt das den Leuten, die das machen?

Aber neben den Selbstdarstellern und Verkäufern und Menschenfängern gibt es eben auch die Facebookisierung der Business-Netzwerke. Wieso soll ich auf LinkedIn mit Menschen über die AFD oder Afghanistan diskutieren? Schlimm ist es dann, wenn diese Diskussionen dann den eigentlichen Feed bestimmen. Ach, und dieser Feed wiederum wird so dargestellt, wie es die Plattform gerne hätte. All das gehört eben nicht zum Networking, oder ich habe eine blinde Auffassung dazu.

Es ist ja nicht alles schlecht

Na klar, es gibt auch gute Aspekte an den Plattformen. Das ist dann das, weshalb ich dann doch denke, dass die Business-Netzwerke für das Networking taugen. Ab und zu empfiehlt mir der eine oder andere Kontakte wichtige Informationen oder tauscht sich mit mir über irgendein fachliches Thema aus. Auch Hinweise, wie man dieses und jenes besser machen kann, erhalte ich dort. Es ist also nicht alles verloren. Aber reicht das?

LinkedIn muss sich etwas einfallen lassen, XING sowieso, wollen sie sich nicht vollends abschießen. Denn der neue Star am Himmel vom Networking heißt „Polywork“. Dort läuft einiges anders ab, wie man so derzeit lesen kann. Es kann allerdings sein, dass es deshalb etwas anders abgeht, weil man dort in Kumbaya-Manier am Lagerfeuer sitzt. Es kommt ja niemand ohne eine Einladung rein. Man ist unter sich. Also kann das schon mal so funktionieren.

Das Networking ist an sich enorm wichtig. Allgemein, aber besonders in der Krise, wie man weiß. Machen wir uns das nicht weiter kaputt. Kehren wir wieder dahin zurück, uns wirklich untereinander zu unterstützen. Dann können wir auch in den etablierten Plattformen bleiben. Andernfalls werden sich mehr und mehr die Nutzer zurückziehen. Damit ist dann am Ende auch bloß niemandem geholfen. Oder was meint ihr?

2 Replies to “Networking am Limit: Will ich das denn?”

  1. Hi Henning,
    hatte ja auf Twitter schon kurz was dazu geschrieben. Mich nerven diese ganzen Plattformen nur noch. Warum? Weil es nicht um Netzwerken geht, sondern um pure Selbstvermarktung.
    Der Gedanke des Netzwerkens ist grundsätzlich ja erst mal gut – denn es ist ein nehmen und geben. Doch mir stellt sich das eher so dar, als würde jeder nur bestrebt einen maximalen Gewinn zu erzielen, indem er sich wichtiger nimmt als alle anderen und durch den „frühen Vogel“-Effekt schon zu den grauen Eminenzen, Moderatoren, oder zahlenmäßig starkem Account (die meistens am ehesten neue Follower bekommen – schliesslich haben die ja nicht ohne Grund soviele Follower, Speaker – whatever it is called on the fucking Platforms) zählt, bevor die nächsten Neugierigen auf den Zug aufspringen.
    Wie sonst war denn zu erklären als letztes Jahr dieser Hype auf Clubhouse begann? Die Plattform als solche war doch Käse – mein selbstgemachtes Nerd-House Video-Meeting hätte mehr Funktionen gehabt. Hat keiner genutzt. Weil – und das habe ich ja schon 1000 mal in Blogbeiträgen kritisiert, die Blogger zu blöde zum Netzwerken sind – und statt in kleiner Runde das Netzwerk langsam wachsen zu lassen, sie ihre etliche male aufgewärmten geistigen Ergüsse für so toll finden, dass man auf die große Bühne will..
    Blogs, die mir auf der WordPress-Plattform zu penetrant ihre eigenen Selbstvermarktungsbeiträge um die Ohren hauen, die abonnier ich nicht mehr. Ebenso auf Twitter. Wenn – wie Du es ja auch schon bemerkt hast – die Tweets fast durchgängig nur noch aus #Hashtags mit kommerziellem Inhalt bestehen, bin ich raus.
    Überhaupt ist (hast Du ja auch an deinen Zahlen gesehen) das Feedback über die sozialen Netzwerke gering. Mit anderen Worten könnte ich auch sagen – es ist pure Zeitverschwendung wenn es darauf abzielt Leser oder Abonnenten für den Blog zu generieren.
    Ein durchschnittlicher Twitterer ist – wahrscheinlich? – kein Blogger (wenn, dann vielleicht nicht mal bei WP, denn es gibt ja auch andere Plattformen). Twittern bedeutet m.M.n. auch eher, dass die Leute ihre Gedanken loswerden wollen – es zielt nicht (grundsätzlich) darauf ab, die Gedanken von anderen zu lesen, obwohl es natürlich auch diese Clickbait Tweets gibt wie „wie mögt ihr eure Eier – hart oder weich?“ – als wenn es den Verfasser wirklich interessieren würde. Hier geht es einfach darum Follower zu generieren. Ziemlich armseliges Verhalten – würde ich sagen. Aber scheinbar ist die Zahl der steigenden Followerzahlen für einige Zeitgenossen ein Aphrodisiakum..
    Neeee, danke.. Da schreibe ich lieber länger an einem guten Beitrag und investiere da mehr Stunden Atbeit rein, mache dazu ein anständiges SEO – werde von google unter den Top 10 oder sogar Top 3 gerankt und das ist mir viel wichtiger als mich selber als den Blogger-Überflieger darzustellen, der glaubt er müsste anderen die Welt des bloggens erklären.
    CU
    Peter (aka Dr. Nerd)

    1. Hi Peter,

      ich musste erstmal stutzen, weil dein Kommentar freigeschaltet werden musste. Aber du nennst dich halt jetzt anders. WordPress musste da etwas darüber nachdenken. Sei’s drum. :-)

      Das ist eine vollkommen richtige Beobachtung. Ich bin hin und her gerissen, ob ich überhaupt noch meine Artikel zu SoMe schieße. Denn es rechtfertigt wirklich nicht den Aufwand, was da an Besuchen herum kommt. Ich hab doch mal von dem Hashtag #uhleblog erzählt. Der reißt das Ruder auch bloß nicht rum. Vielleicht auch, weil ich einfach keine clickschlampesken Postings auf den Plattformen abliefere.

      Wenn ich mir so anschaue, was diverse große Nummern auf SoMe abliefern, dann denke ich irgendwie an „Kumbaya my lord“. Die können ihrem Gefolge offenbar alles weismachen. Hauptsache, es kommt von einem großen Account. Ich hatte ja auch mal von den „Content-Tröten“ hier im Blog erzählt. Das ist genau das Thema. Zwar bei Blogs, aber in den SoMe ist das ja nicht anders.

      Ich sehe das wie du: Ich bin kein Überflieger, kein Wissender und eben auch kein Scharlatan. Ich will halbwegs vernünftige Artikel schreiben. Da investiere ich mehr Zeit hinein, als dass ich auf wohlfeile Postings auf den Plattformen Wert lege.

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