Damals. So kurz nach dem kalten Krieg. Oder war es kurz vor Euro? Egal. Es war jedenfalls die Zeit vor Facebook, Twitter, Google+ und den allseits geliebten VZ-Netzwerken. Ja, damals war die große Zeit von MySpace. Und es soll aufgewärmt nun wiederkommen. Na dann Prost!
Bei MySpace machte ich damals meine – wie sagt man so schön – ersten Gehversuche in den Netzwerken dieser Welt. Gefühlt muss das so um die 3 Millionen Jahre her sein. Also jedenfalls vor Jahren. In der Zeit hatte man an jeder Ecke gehört, dass irgendetwas gerade „in“ oder „Trend“ ist bei MySpace. Dieses Netzwerk war damals die „Da-musst-du-dabei-sein-Community“ der Welt.
Also war ich dabei. Gekannt habe ich dort niemanden außer ein paar verkappten Musikidolen, die mich aber nicht kannten. Große Langeweile. Also hatte ich mich mit meinem Profil beschäftigt. Jeder, der schon mal im Ansatz davon gehört hat, dass Webdesigner ein gut bezahlter Beruf ist, hätte sich kaputt gelacht über diesen Unfug, den man da im Handumdrehen zusammengeklickt hatte. Also hatte man ein Profil. Und war irgendwie immer der Freund von – wie hieß der? – Tom, irgend so ein Pseudo-Profil.
Aus lauter Langeweile verlor ich recht bald das Interesse. Ich weiß gar nicht, ob ich mich jemals gelöscht habe. Es ist auch egal. Jedenfalls wurden mit der Zeit Facebook und Twitter interessanter. Und dann kam auch noch Google+ dazu.
Warum erzähle ich Ihnen das? Heute polterte es durchs Internet, dass der Dino der Verkuppler und Verlierer, die Community für Musiker ohne Zenit neu gestartet hat. Es hieß heute, dass MySpace neu gestaltet wurde, dass es praktisch neu erfunden wurde, dass jetzt alles gut wird. Und es hieß doch glatt, dass – aufpassen und anschnallen – Justin Timberlake dem Netzwerk jetzt vorsteht.
Es gibt ein Video, um den MySpace-Uninteressierten – nun ja – anzufixen. Und das könnte sogar funktionieren. MySpace, das werden Sie im Video sehen, ist im iPhone-Windows 8-Facebook-Stil gehalten und geizt alles andere als mit Wow-Effekten. Es sieht wirklich super aus, was da aus MySpace geworden ist. Ehrlich!
Nichts erinnert mehr an die Profile von Benutzern, über deren Geisteszustand man nachdenken konnte, wenn man deren Profile ansah. Dafür überall Interaktion und aufklappende Dinge. Wie gesagt: Wow-Effekte überall.
Kommt da jetzt ein Haken?
Na aber sicher. Wer braucht denn um Himmels Willen MySpace? Gefühlte 800 Milliarden Benutzer aus Weltall, Erde, Hyperraum und drum herum sind bei Facebook. Nochmal so viele bei Twitter und Google+. Dazu kommen noch die ganzen regionalen Netzwerke, die Spezial-Netzwerke und so weiter und so fort. Wer bitte soll sich denn da noch zusätzlich bei MySpace anmelden?
Die Zeiten, als es cool war, bei MySpace angemeldet zu sein, die sind doch lange vorbei. Und nachdem es so viel Angebot gibt, ist der Markt einfach mal übersättigt. Aber wenn es die Facebooks und Twitters und die VZ-Netzwerke dieser Welt nicht gäbe (man vergisst dabei doch glatt noch so.cl von Microsoft und Yammer, ach ja, auch von Microsoft), ja dann wäre MySpace eine Überlegung wert.
Ich schrieb vor mehr als einem Jahr darüber, dass die Gefahr bestünde, sich zu Tode zu netzwerken. Es besteht immernoch die Gefahr, dass man das wirkliche Leben völlig aus den Augen verliert und dann, wenn es zu spät ist, über eine Selbsthilfegruppe wieder an die Realität herangeführt werden muss. Und in solchen Zeiten kommt der Herr Timberlake her und bestimmt: „So, Kinder, jeder nimmt sich mal einen Lappen und wir putzen MySpace wieder ganz fein raus. Und dann werden wir stinkreich und zeigen Mark Zuckerberg mit seinem lächerlichen Facebook mal, wie das läuft.“
Aber so einfach wird es nicht werden. Denn es gibt nicht wenige, die sich wie ich die Frage stellen: Wer zum Geier braucht MySpace? Jetzt muss nur noch jemand daher kommen und Stayfriends aufhübschen wollen.