YouTube und die ewigen Copyright Claims

YouTube geht langsam, aber gewaltig kaputt. Das liegt nicht an der Plattform selbst, sondern was Rechteinhaber dort neuerdings veranstalten. Auf der Plattform sprießen derzeit die Videos von den dort schaffenden Menschen, die über den Verfall der Plattform aufgrund der angeblichen Urheberrechtsverstöße erzählen. Und wenn wir mal ehrlich sind, dann ist da schon etwas an der Aussage dran: Viele der Videos dort gelten aufgrund der Vermittlung von Wissen als „Fair Use“, angemessene Verwendung. Den Rechteinhabern ist das aber egal.

Ich kann hier nicht alles sagen

Ich folge Adam Reader auf YouTube. Er nennt sich dort „Professor Of Rock“. Er erzählt über die Hintergründe bestimmter Lieder oder Alben oder so, interviewt Musiker, Produzenten und so weiter und so fort. Und er hat seine Countdowns über – meinetwegen – die schrägsten Balladen von 1983 (Das habe ich mir gerade ausgedacht). Und er kommt neuerdings mit Aussagen um die Ecke, dass er nicht mehr alles auf YouTube sagen kann, da sonst sein Video abgeschaltet wird.

Jetzt hatte er herausbekommen, dass es nicht um sexuelle Inhalte oder Gewalt oder so etwas in den Liedern ging, von denen er sprach. Seine Videos wurden immer wieder abgeschaltet wegen Copyright Claims. Irgendwer behauptet, dass er die Rechte an – meinetwegen – „Stairway To Heaven“ von Led Zeppelin habe und der Professor Of Rock das Urheberrecht verletzt. Allerdings – um bei den Briten zu bleiben – leben bis auf Drummer John Bonham noch alle, und die wissen gar nichts davon.

Urheberrechte werden immer weiter verkauft. Es ist ein schier unglaubliches Dickicht und Minenfeld geworden. Ihr habt ja sicher auch mitbekommen, dass Bruce Springsteen die Rechte an seinen Songs verkauft hatte. Und so entstehen dann Geschwüre, die du nicht mehr eingedämmt bekommst. Ganz vorn mit dabei sind die üblichen Verdächtigen wie die Universal Music Group, das größte Musiklabel der Welt mit einem Marktanteil von ca. 32%.

Jetzt stellt euch mal Videoschaffende wie Professor Of Rock vor. Der erzählt von „Stairway To Heaven“, wie Page und Plant in Bron-Yr-Aur hockten und gelangweilt geklampft hatten, was dann später zur größten Rocknummer aller Zeiten wurde. Vielleicht hat das die 8-jährige Rotznase, die zufällig YouTube guckt, dazu gebracht, später mal Gitarre zu lernen. Wenn das der Professor Of Rock nicht mehr machen kann, stirbt doch auch ein wenig die Musikkultur, oder etwa nicht?

YouTube und Fair Use

Mit im Bunde derer, die die Machenschaften bei YouTube beklagen, ist unter anderem Musiker und Produzent Rick Beato. Von ihm hatte ich während der Pandemie, als ich zum Musizieren zurückfand, viel über Musiktheorie und Harmonien gelernt. Das hat er gemacht, indem er bekannte Lieder angespielt und dann deren Harmonien auseinander genommen hatte. Genau das ist in den USA, wo Beato und YouTube sitzen, das ganze Geheimnis von Fair Use.

Und ob es nun der Professor Of Rock, Rick Beato, Gitarrist Rhett Shull, The Darkness-Gründer Justin Hawkins oder wer auch immer ist, sie alle wollen ihren Zuschauern etwas beibringen. Fair Use besagt, dass es eben keine Urheberrechtsverletzung ist, wenn ich solches Material verwende, weil ich mich damit inhaltlich auseinandersetze, Kritik übe, Menschen bilde oder sogar das Material parodiere. Also was auch Will Darling mit seinem Kanal EDMTips macht, wenn er zeigt, wie man House-Musik wie XYZ macht.

Und dann kommen irgendwelche Scharlatane – mir fällt nichts besseres ein – um die Ecke und behaupten, das ganze Zeug fiele gar nicht unter Fair Use. Und YouTube schenkt diesen Copyright Claims sogar Glauben. Damit werden diese Videos deaktiviert und die Einnahmen darüber den Scharlatanen ausbezahlt. Ganz ehrlich: Damit schießt sich YouTube in meinen Augen nach und nach selbst ins Knie. Und mehr noch: Die 8-jährige Rotznase von oben wird nie den Drang verspüren, Gitarre zu lernen.

Dann geht doch zu PeerTube!1!elf!

Ich höre schon die Erleuchteten im Fediverse. Sie werden all diese YouTube-Kreativen auslachen und sagen, dass man doch YouTube eh nicht nutzt, sondern PeerTube. Meinetwegen auch noch irgendwas anderes. Das trifft aber nicht den Kern der ganzen Nummer. YouTube ist ja schon etwas anderes. Die Plattform ist eine Wissensplattform, eine Lernplattform, eigentlich so etwas wie eine Bibliothek. Und aufgrund der Größe vielleicht so etwas wie die British Library oder die Deutsche Nationalbibliothek.

Ja, ihr könnt leicht sagen, dass dann YouTube nicht in private Hand gehört. Aber glaubt ihr ernsthaft, dass irgendeine Behörde oder ein Land oder so derart viel in eine Plattform wie YouTube investieren würde? Die weltweit größte Bibliothek, die British Library, hat ein Budget von rund 140 Millionen Pfund, etwa 160 Millionen Euro. YouTube hatte 2019 einen Jahresumsatz von 15 Milliarden US-Dollar. Und PeerTube? Das finanziert sich durch – öhm – Spenden?

Naja, und die Copyright-Scharlatane? Die sehen, dass die Videos, wo der 8-jährigen Rotznase „Stairway To Heaven“ erklärt wird, zehntausende Male aufgerufen werden und dabei eine gewisse Werbesumme generieren. Die melden ihren Copyright Claim, lassen das Video abschalten und streichen die ganze Kohle ein. Fair Use zur Hölle! Und das wollen sich die ganzen YouTuber auch nicht mehr gefallen lassen.

Damit gehen Inspiration und Wissen verloren

Nein, mir geht es nicht darum, irgendein Quatsch-Video zu schützen, wo Menschen lächerlich gemacht werden und bekannte Songs darunter liegen. Oder Videos, in den die Macher keine Eigenleistung unterbringen. YouTube ist eine unfassbare Wissensquelle. Mal abgesehen von den Kreativen rund um Musik: Die ganzen Heimwerker, die dort ihr Können zeigen, oder Menschen, die die Politik erklären. Ihr wisst schon, was ich meine. Das Alles ist von unschätzbarem Wert.

Wenn ich nach Inspiration für ein neues Stück suche, geht das meistens so: Ich habe eine Melodie im Kopf und sie vielleicht in Ableton mit einem Piano-Sound eingespielt oder einprogrammiert. Jetzt passt aber der Sound nicht, und ich suche dann nach einer Inspiration für den Sound. Der soll grob nach – meinetwegen – Faithless, Nils Hoffmann, Lane 8 oder sonstwem klingen. Und mir zeigt quasi Will Darling, wie das geht. Solche Inhalte würden dann halt fehlen.

Dabei wäre es durchaus realisierbar, dass sich YouTube vor die Kreativen stellt. Jeder so genannte Copyright Claim müsste bewiesen werden. Derzeit müssen die Kreativen beweisen, dass sie das Urheberrecht nicht verletzt haben. Die Plattform muss quasi die Beweislast umkehren. Und die generierten Einnahmen dürfen nicht diesen Scharlatanen ausbezahlt werden. Das würde einiges ändern. Aber ich glaube, dazu ist YouTube nicht in der Lage. Schade eigentlich.

GOING to KEEP FIGHTING But What Should I DO? | Professor of Rock
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5 Gedanken zu „YouTube und die ewigen Copyright Claims“

  1. Die Thematik mit PeerTube ist nochmal eine andere: Die Creators leben ja davon, dass YouTube ihnen einen Teil der Werbeeinnahmen auszahlt. Und genau darum ist PeerTube auch keine Alternative: Es gibt dort keine Werbung, was einerseits gut ist, aber damit fehlt dann auch die ökonomische Grundlage für die Erstellung von Videos.

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  2. Das Problem ist vor allem, dass auch für gemeinfreie Aufnahmen Copyright geltend gemacht wird und YouTube das piepegal ist. Zwei amerikanische Violin-Youtuber bekommen reihenweise ihre eigenen klassischen Konzerte abgenommen, weil irgendwer behauptet, da ein Copyright drauf zu haben. Ich habe mal ne Jazzband aufgenommen, die Fats Waller nachgespielt hat. Zack. Copyright. Da war Fats Waller schon 70 Jahre tot.
    Ich veröffentliche alles, wo Musik drauf ist – wo ich selbstverständlich das Copyright habe – nur noch auf Vimeo.

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