23 Jahre „The White Room“ von The KLF

„The White Room“ von The KLF? Das waren doch die Chaoten, die jede Menge Geld mitten in London verbrannt haben. Das waren doch auch die, die ständig mit irgendwelchen Urheberrechtsklagen zu tun hatten. Das waren doch auch die Verrückten, die die BRIT Awards torpedierten.

Ja, und das waren auch die, die der elektronischen Musik im weitesten Sinne einen prägenden Stempel aufgedrückt haben. Alles, was irgendwie elektronisch an Musik in den 90ern in Umlauf kam, war von The KLF und vor allem ihrem Album „The White Room“ geprägt. Da dieses Album Jubiläum feiert und ich es als eins der besten House-Alben ansehe, möchte ich gern an diese verrückte Formation erinnern.

Brüll nicht so!

Stand by the JAMs, motherfuckers!

So brüllt ein Sample im ersten Track, dem namhaften „What Time is Love?“. „The White Room“ ist der Soundtrack zum Film von The KLF mit gleichem Namen. In diesem sind die beiden Mitglieder, Will Drummond (King Boy D. oder Time Boy) und Jim Cauty (Rockman Rock oder Lord Rock) auf der Suche nach dem ominösen weißen Raum, der sie von ihrem Vertrag mit der Ewigkeit entbindet. Wie auch immer, der Film wurde nie veröffentlicht, aber eben der Soundtrack.

The KLF gab es schon lange vor dem Album aus 1991. Sie gründeten sich 1987 als „The Justified Ancients of Mumu“, kurz „The JAMs“ und veröffentlichten in der Folgezeit einiges an Material. So gab es „All you need is love“, ein Remix des Beatles-Klassikers mit Teilen aus „Touch me“ von Samantha Fox, „The Queen and I“, einem „Dancing Queen“-Remix, weswegen sie von ABBA verklagt wurden und einige weitere Stücke, die auf anderen Songs aufbauten. Auf dem Album „Who killed the JAMs“ befindet sich dann auch der oben zitierte Ausspruch.

Sie nannten sich dann „The Timelords“ und hatten einen europaweiten Nummer-1-Hit. 1988 mischten sie die Clubs und Charts auf mit einer sehr intelligenten Mischung aus dem Titellied der „Doctor Who“-Serie, „Block Buster“ von The Sweet und Gary Glitters „Rock and Roll (Part II)“. Das Lied hieß „Doctorin‘ The TARDIS“ nach der Zeitmaschine aus der Serie.

Als The KLF veröffentlichten sie eine ganze Reihe Maxi-Singles, die als „Pure Trance“ unter die Leute gebracht wurden. 1990 erschien dann das inzwischen legendäre Ambient-Album „Chill Out“, das ich auch noch bei Gelegenheit besprechen werde. Das Album war eine Ansammlung von Eindrücken, Tönen, Sound-Effekten, kurzen Liedchen, und alles war zu einem einzigen Track zusammengemischt. Zentrales Element waren Schafe. Aus der Ära der Maxi-Singles und Chill Out wurde dann der Soundtrack „The White Room“ gezimmert. Und wie! (Und jetzt zum Album)

Das legendäre Album „The White Room“

What Time is Love?“ eröffnet das Album. Das Werk dröhnte und stampfte schon 1988 durch die Untergrund-Clubs. Und mit diesem Album machten sie die Clubwelt auch Anfang der 90er mit einem Remix wieder verrückt. Das Lied beginnt mit einem Auszug aus dem letzten Lied, bevor der House-Track beginnt. Laut und elektronisch muss es sein, dann funktioniert das auch.

Mehr dem Ambient zugehörig, folgt dann „Make it rain„, das durch die klare Stimme von Maxine Harvey lebt. Es folgt dann aber der laut donnernde und mit Maschinengewehr-Salven beginnende Hammer „3 A.M. Eternal“ mit Ricardo da Force. Dieses Lied stammt auch aus der Pure Trance Ära und wurde völlig neu produziert. Es ist bis heute ein Klassiker in den Clubs.

Mit „The Church of the KLF“ kommt ein kurzes Intermezzo zu Gehör. Zeit zum Luftholen. Das kurze Stückchen ist aber nur der Warmmacher für „Last Train to Trancentral„, einem erneuten Disco-Knaller, der nur laut richtig funktioniert. Kristallene Arpeggios prasseln wie ein warmer Sommerregen auf den Zuhörer oder Tänzer. Für mich das beste Stück des Albums. Und die Single-Version war dann um einiges anders.

Mit „Build a Fire“ wird es dann endgültig ruhiger. Graham Lee spielt eine Pedal Steel Gitarre, Black Steel spricht über das Mumu Land und Maxine Harvey singt dazu. Ein klassisches Ambient-Stück mit Traum-Einflüssen.

Das Titelstück „The White Room“ ist eine Ethno-House-Hymne. Duy Khiem spielt Klarinette, es kommen Scat-Gesänge und verspielter Rhythmus zur Geltung. Trotz sparsamer Instrumentierung immernoch ein hörenswertes Lied.

Das längste Stück des Albums, „No more Tears„, könnte genauso gut von Jamaica oder aus der Südsee stammen. Die wunderbare Reggae-Elektronik-Ballade (oder wie man das sonst beschreiben will) eignet sich sehr gut, um Erinnerungen wach werden zu lassen. Ein absoluter Hörgenuß auch für nicht mit dem Genre vertraute Hörer.

Abgeschlossen wird das Album mit dem famosen „Justified and Ancient“, das dann später als Single mit Tammy Wynette und Ricardo da Force ein sagenhafter Welthit wurde. Die Ambient-Version auf dem Album mit dem famosen Gesang von Black Steel finde ich aber sehr angenehm, und sie bildet einen runden Schlusspunkt zu dem Album.

Die 45 Minuten sind in meinen Augen in zwei Teile zu unterscheiden: Die ersten 5 Stücke sind mehr House, Acid und Techno, die letzten 4 mehr Ambient. So ist das öfter bei Musikprojekten wie The KLF. Über „The White Room“ wird erzählt, man kann es entweder lieben oder hassen. Ein bisschen von beidem – manches mag man, manches nicht – geht nicht. Dem stimme ich soweit zu.

Das Album war stilprägend für ganze Scharen von DJs und Musik-Projekten. Etliche Bands haben angegeben, diese Platte als ihr Vorbild anzusehen. Viele Projekte versuchten sich daran, auch so zu klingen wie The KLF. Niemandem ist es gelungen.

Was danach geschah

The KLF waren wie ein Geschwür in der Musikbranche, da sie sich auch viel über die Musikindustrie lustig gemacht haben. Das zeigten sie eindrucksvoll in „The Manual (How to Have a Number One – The Easy Way)“, einem Handbuch zum einfachen Erreichen der Nummer 1 in den Charts. Und sie verließen eindrucksvoll das Musikgeschäft, und zwar in folgenden Akten:

  • Mit der Metal-Band Extreme Noise Terror veranstalteten sie 1992 beim BRIT Award einen bis heute legendären Auftritt: Sie schossen mit Maschinenpistolen und Platzpatronen ins Publikum. Nach 2,5 Minuten war der Spuk vorbei und The KLF verkündeten „The KLF has now left the music business“. Es konnte noch eben verhindert werden, dass eimerweise Schafsblut ins Publikum geschüttet wurde, aber auf der Aftershow-Party gab es einen Schafskadaver mit einer Aufschrift „Ich starb für dich. Guten Appetit!“
  • Nach diesem Auftritt wurde dann offiziell von der Band verkündet, dass alle Aktivitäten beendet werden. Auch der Verkauf jeglicher Tonträger wurde ab Mai 1992 untersagt.
  • 1994 traten sie erneut in Erscheinung, als sie 1 Million Britische Pfund in 50 Pfund Noten öffentlich verbrannten. Das nahmen sie auf und verkauften den Dokumentar-Film.
  • 1997 traten Cauty und Drummond nochmals in Erscheinung als alte, greise Herren, die wild und schräg „K Sera“ (eine Veralberung des Lieds „Que sera“) aufnahmen. Das Lied wurde sofort wieder ein Hit. Aber dies war nur ein kurzes Lebenszeichen.

The KLF waren einfach mal die Punker der elektronischen Musik. So laut und schräg und innovativ, wie sie waren, so schrill und derb musste der Abgang sein. „The White Room“ ist somit ein Denkmal für die ausgekochtesten Produzenten Großbritanniens. Und wer weiß, vielleicht kommen sie ja tatsächlich wieder.

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