Es war mal wieder die Zeit der großen Eurovision. Der ESC 2025 fand in Basel statt. Und alter Falter, was war das für eine große Show! Wie nicht anders von Schweizern zu erwarten war, war dieses Mega-Event allerbestens organisiert, wie man so mitbekommt. Und meine Fresse, was war das für ein Finale! Wir müssen mal kurz – wirklich kurz? – über den Eurovision Song Contest reden. Eine uralte Show-Reihe. Aber angestaubt war da nichts. Ich hatte beste Unterhaltung mit einem würdigen Sieger.
Die Puppen, die Kriege, die großen Gefühle
Ich hatte ehrlich gesagt die schwedisch-finnischen Sauna-Kasper KAJ ganz oben auf dem Zettel, was den Sieger beim ESC 2025 betraf. Aber ich habe mich irgendwie getäuscht. Klamauk und Kasperei fand zwar in Form von „Espresso Macchiato“ aus Estland statt, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Aber es standen andere Dinge im Vordergrund. Meine Fresse, hat der „JJ“ abgeräumt! Ein Counter-Tenor mit einer schweren Ballade, die zur Techno-Hymne mutiert. Das war extremst mutig.
Und die israelische Nummer? Jaja, Netanjahu und die Auslöschung der palästinensischen Bevölkerung, der Völkermord im Gazastreifen und all das hin oder her. Yuval Raphael sang halt davon, wenn man Leid erfährt und weint, soll man wenigstens nicht allein weinen. Sie war dabei, als die Hamas das Supernova Sukkot bombardiert hatte. Und so schlimm das Alles war, das Lied versprühte mit der Komposition auch Hoffnung. Ich habe die These, wenn das Lied die Ukraine vertreten hätte, wäre das mit weitem, weitem Abstand der unwidersprochene Sieger geworden.
Auch so ging es außer bei Estland und Schweden in den obersten Plätzen um große Gefühle: Der Typ, der so tat, als sei er Superman, der dann aber trotzdem nur der Typ von „um die Ecke“ war. Die Geschichte der pontosgriechischen Vorfahren, die nirgendwo richtig gewollt waren. Die viel zu früh verstorbene Mutter. Das albanische Gebet nach Güte in dunklen Zeiten. Die schweizerische Reise zu sich selbst, um zu erfahren wie man so wurde, wie man ist.
Großartige Geschichten. Und nebenher eben auch die Hommage an die ferngesteuerte Puppe France Galle, nur dass die Puppe nun selbst aufdreht. Da waren schon ein paar richtig dicke Brocken dabei. Natürlich nahm auch die Ukraine Bezug auf ihren Krieg, nicht nur Israel, und bittet den Gebetsvogel, was immer das auch sein sollte, um Hoffnung und Freiheit. Klar, worum denn sonst? Der ESC 2025 war meiner Meinung nach ein sehr starkes Teilnehmerfeld.
Liebe, Sex und Mystisches
Na klar, kaputte und verschwendete Liebe fand auch statt. Nicht nur beim österreichischen Siegerlied. Auch beim deutschen Beitrag, der in die Halle geballert wurde. Oder bei der großartigen Endzeit-Nummer aus Litauen. Und es fand einiges an Sex statt. Ich hab mich gefragt, warum brüllt denn Erika Vikman so? Es muss nicht ganz Europa von Höhepunkten erfahren. Und was bitte war das für eine Nummer aus Malta? Und es gab Skurriles beim ESC 2025.
Ja, weitgehend gehören Tommy Cash, KAJ und Laura Thorn zu den Skurrilitäten. Absurd wurde es aber mit Gabry Ponte für San Marino. Er hätte es lassen sollen. Und der britische Spice-Girls-Aufguss? Da mochte ich viel mehr die mystischen Beiträge für Lettland, Albanien und Polen. Und überhaupt war lange, lange Zeit, wie die Teilnehmer-Lieder bekannt waren, Shkodra Elektronike mit „Zjerm“ mein Favorit, länger als KAJ mit dem Sauna-Klamauk.
Der ESC 2025 hat einen würdigen Sieger
Ach, kommt, mal kurz ein paar Worte zu „Wasted Love“ von JJ. Der philippinisch-österreichische Counter-Tenor Johannes Pietsch singt davon, ein Ozean der Liebe zu sein, und wirft ihr (oder ihm, keine Ahnung) vor, Angst vor Wasser zu haben. Was für ein Bild! Dazu das Bühnenbild mit dem tosenden Ozean, die extrem hohe Stimme, die bombastischen Moll-Teppiche. Joar, das hatte schon überzeugt. Ich tat mich aber schwer mit der Techno-Einlage zum Ende hin.
Ich dachte mir, dass das nie und nimmer funktionieren könnte. Aber – Alter Schwede – wie das funktioniert hatte! Was für ein würdiger Sieger, was für ein spektakuläres Siegerlied mit einem JJ, der für das Lied, an dem er mitgeschrieben hatte, restlos alles auf der Bühne gelassen hatte. Meine Fresse, das hat mich schon total umgehauen. Und so hat die beste Ausgabe der Musikshow das beste Stück zum Sieger gewählt. Passt.
Dass es immer die besonderen Lieder sind, habe ich ja schon mal herausgearbeitet, als ich das für mich beste ESC-Stück aller Zeiten benannt hatte. „Nocturne“ von „Secret Garden“ steht für mich immernoch ganz oben auf der Liste der besten ESC-Lieder aller Zeiten. Und wie gesagt, der ESC 2025 hat auch wieder so ein besonderes Stück. Und damit höre ich jetzt auf mit dem Schwadronieren.
Ja, das war schon ein kurzweiliger Abend! Mit manchen Stücken konnte ich so gar nichts anfangen und bei etlichen Outfits war ein kurzer Moment Fremdschämen angesagt… aber unterm Strich hat sich das lange Wachbleiben da doch gelohnt. Auch ohne Espresso Macchiatto. :D
Es waren viele Lieder dazwischen, wo ich dachte „Schönes Lied“. Aber eben auch nur das. Zum so hören ok, aber für so etwas wie ESC zu ruhig und unauffällig. Der Sieger holte mich tatsächlich überhaupt nicht ab. Ein gelungenes Gesamtpaket hingegen waren für mich die Damen von Tautumeitas. Man wollte gar nicht wegsehen. Es sah so toll aus und klang auch toll.
Naja und immerhin wurden wir nicht letzter…
Also ich bin absolut kein Fan vom ESC und habe die Zeit für mich sinnvoller verbracht. An und für sich ist der ESC vielleicht eine gute Sache. Für meinen Geschmack ist das aber zu viel Show und die Musik nicht ansprechend.