Musiktipp: „The Raw & The Cooked“ – Die Kannibalen der Achtziger

Was lief dieses Album bei mir! Ich möchte gern an eins der ungewöhnlichsten Pop-Soul-Jazz-Motown-Albums der Musikgeschichte erinnern, was am Ende des Jahres 1988 erschien und damals die Musikwelt erschütterte und bis heute auszugsweise im Radio gespielt wird.

Die „Fine Young Cannibals“, wie sich die Herren Roland Gift, Andy Cox und David Steele nach dem 60er Jahre Jazz-Melodram „All The Fine Young Cannibals“ (dt. Titel: „Früchte einer Leidenschaft“) nannten, wollten sich nie anpassen und sahen das Showbusiness immer skeptisch. Sie gaben sogar den „Brit Pop Award“ für „the Raw & The Cooked“ zurück, weil sie sich nicht für einen Fototermin inkl. Werbemöglichkeit für Margaret Thatcher hergeben wollten.

Vor „The Raw & The Cooked“ gab es 4 Jahre vorher das Album „Fine Young Cannibals“, danach nur noch einige Zusammenstellungen. An den Erfolg von „The Raw & The Cooked“ kam kein anderes Album von den drei Herren aus Birmingham mehr heran. Dabei war es keineswegs vorhersehbar, dass das Album einen derartigen Erfolg hatte, war die Musik eigentlich viel zu spröde für den Mainstream.

Das Album beginnt mit dem unverwechselbaren „She drives me crazy„, das über Nacht die Musikwelt durcheinander geschüttelt hat. Mit schrägen Gitarren, einem staubtrockenen Drumcomputer und einem gurgelnden Roland Gift kam es daher und wurde zu einem der größten Hits der britischen Musikgeschichte.

Verfolgt wird der Opener dann durch den Kracher, der durch ein blechernes Gitarrenriff selbst den letzten aufweckt. „Good thing“ erhöht noch einmal die Schlagzahl und begeistert durch 60er Jahre-Klang und ein atemberaubendes Piano-Solo in der Mitte der etwas über drei Minuten.

Es folgt ein etwas ruhigeres Stück mit „I’m not the man I used to be„. Das sehr reflektive Werk, das über das Älterwerden philosophiert, kommt mit einem sehr ruhig singenden Gift, düsteren Orgelklängen und einem wüsten Soul-Rhythmus daher.

Danach geht es in den Achtzigerjahre-Untergrund mit einem eher schwächeren „I’m not satisfied„. Ein verstörender Drumcomputer begleitet Streicherteppiche und einen ruhigen Gurgelgesang von Roland Gift.

Die erste Hälfte des Albums wird durch „Tell me what“ beschlossen, meiner Meinung nach ein Juwel der Platte, der ebenso gut in den 60er Jahren aus den weltberühmten Motown-Studios hätte kommen können.

Wir bleiben dann zur Eröffnung des zweiten Aktes ungefähr in dieser musikalischen Ära und widmen uns „Don’t look back„. Man vermutet die Haartollen, enge Jeans und Lederjacken, während das Lied ohne großes Aufwärmen sofort zur Sache kommt.

Das 7. Stück des Albums ist wieder ein staubtrockenes Funk-Stück. Mit „It’s OK (It’s alright)“ kehren die Kannibalen zurück zum Anfang des Albums.

Als achten Song hören wir das schwächste Lied des Albums. Der einzige Ausfall auf dem Album ist meiner Meinung nach „Don’t let it get you down„. Das nicht direkt schlechte Lied wirkt auf dem trockenen und warmen Album durch seine kühle und psychodelische Art wie ein Fremdkörper.

Versöhnt wird man aber durch die 60er Jahre Schwoof- und Schmalznummer „As hard as it is„. Und hier schmachtet Herr Gift über Liebe, Herzschmerz und wie schwer doch alles ist.

Der Rausschmeißer dieses Albums ist dann „Ever fallen in love„, einem Lied, das lang vor diesem Album bereits fertig war und bereits 1986 im Film „Gefährliche Freundin“ vorkam. Mit diesem Gassenhauer begeistern DJs heute immernoch wahre Völkerstämme bei 80er Jahre Parties.

„The Raw & The Cooked“ ist ein Meisterwerk von Musik, die sich nie anpassen wollte und die so gar nicht in die wilden und quietschbunten 80er passte. Aber genau das macht das 36 Minuten kurze Album aus. Und Sie werden lachen, Sie können das Album sogar noch kaufen, z.B. bei Amazon.

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