Da staunt der Bub nicht schlecht: Die gute, alte Lok ist erster deutscher Fußball-Meister. Sie soll es werden, wenn es nach einem Rechtsanwalt geht. Der vertritt den VfB Leipzig als Insolvenzverwalter und hat großes vor. Wie bitte? Der VfB Leipzig? Dieses gescheiterte Nachwende-Projekt? Ich will sie nicht veralbern, so etwas habe ich wirklich gelesen. Und wie das immer so ist: Selbst bei den merkwürdigsten Meldungen ist ein wenig Wahrheit dahinter. Also schauen wir mal hin.
Die Geschichte des 1. FC Lokomotive Leipzig ist etwas verworren. Den Club gibt es seit dem 20. Januar 1966. Angefangen hatte alles mit einer SG Probstheida im Jahr 1946, aus der 1949 die BSG Erich Zeigner Probstheida entstand. Die spaltete sich dann in eine BSG Einheit Leipzig-Zentrum und die BSG Einheit Leipzig-Ost auf. Erstere Betriebssportgemeinschaft ist mittlerweile der ATV Leipzig.
Nun ja, aus dieser BSG Einheit wurde dann 1954 der SC Rotation Leipzig, der um Teile des SC Lokomotive Leipzig angereichert dann zum SC Leipzig wurde. Das war 1963. Und 1966 spaltete sich die Fußballabteilung dann ab und nannte sich fortan 1. FC Lokomotive Leipzig. Das ist hier übersichtlich dargestellt. Und diese Lok spielte bis zur Wende erfolgreich Fußball und war auch international vertreten.
1991 nannte man sich dann VfB Leipzig, weil man sich in der Tradition des ersten Fußball-Meisters sieht. Der wurde 1896 gegründet, allerdings 1946 aufgelöst. Und jetzt wird es interessant. Die SG Probstheida wird hergenommen als Nachfolgeverein zum VfB. Es war aber ein neuer Verein, der 1946 gegründet wurde. Und 1966 wurde dann mit „Lok“ nochmal ein neuer Verein gegründet. Der kann rein vom Logischen her nichts mit dem VfB Leipzig vom 13.05.1896 zu tun haben.
Wie auch immer, die Lok hieß dann ab 1991 VfB Leipzig. Allerlei merkwürdige Geschehnisse brachten den Club zum Zusammenbruch. Ständige Trainerwechsel, Wechsel an der Spitze, steigende Schulden und Misswirtschaft. 1999 war der Club schon mal am Ende, das Insolvenzverfahren wurde nicht konsequent durchgezogen. Der Schuldenberg wuchs und wuchs. Am 21. April 2004 wurde entschieden, dass der Verein aufgelöst wird. Und das wurde dann im Juli 2004 durchgeführt.
Am 10. Dezember 2003 gründete sich der 1. FC Lokomotive Leipzig. Parallel zum dahin siechenden VfB. Man fusionierte in der Region und übersprang Spielklassen, und letztlich spielt man nun fünftklassig. Man stellt sich nach wie vor so hin, dass man der erste Fußball-Meister sei. Aber seit Dezember 2003 kam kein Fußball-Meister aus Leipzig. Oder habe ich etwas nicht mitbekommen? Das will nun ein Rechtsanwalt ändern. Friedbert Striewe ist der Insolvenzverwalter des VfB Leipzig.
Ja, da reibt man sich verwundert die Augen: Ist. Nicht wahr. Und der will mit Wohlwollen des Sächsischen Fußball-Verbandes den VfB Leipzig, der offenbar immernoch irgendwo existiert, mit dem 1. FC Lokomotive Leipzig verschmelzen. Da der VfB drei mal deutscher Meister wurde, würde die 2003 neu gegründete Lok dann einen Meisterstern bekommen. Und das halte ich dann doch für reichlich eigenwillig.
Nichts gegen die Ehrung des VfB Leipzig. Aber der vor 120 Jahren gegründete erste deutsche Fußball-Meister hat nichts, aber auch gar nichts mit dem heutigen 1. FC Lokomotive Leipzig zu tun. Der damalige VfB hörte 1946 auf zu existieren. 1966 wurde die alte Lok gegründet und 2004 als neuer VfB aufgelöst. Die neue Lok wurde 2003 gegründet. Es ist unverdient, dass sich die Lok in die Liste der deutschen Fußball-Meister einreiht. Was hat der jetzige Club denn dafür getan? Oder sehe ich da etwas falsch? Man darf mich da gern aufklären.