Beatrix von Storch und der Schießbefehl auf Flüchtlinge

Kanonen auf Spatzen: Wenn es nach der Alternative für Deutschland ginge, sollten Grenzer jetzt scharf auf Frauen und Kinder schießen dürfen. Ja, ich weiß, was deren Chefin erzählt hat, dass das Alles nur das letzte Mittel wäre. Ich habe das schon mitbekommen. Man redet da von einer „Ultima Ratio“ in Sachen Schießbefehl. Uns dürfte aber schon lange klar sein, dass diese Partei nicht so etwas wie die Stimme des Volkes ist. Diese Partei ist ein Wolf im Schafspelz, der uns noch lange Kopfzerbrechen bereiten wird.

Nicht nur Spitzenpolitiker sind entsetzt, was da dieser Tage von der AfD zu hören war. Auch viele politisch denkenden Leute wollten kaum ihren Ohren trauen, als davon berichtet wurde, was AfD-Vize Beatrix von Storch da von sich gegeben hat. Das ist alles an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. Das hat sie auf ihrer Facebook-Seite von sich gegeben:

Es ist so weit. Wir diskutieren (bar jeder Kenntnis) den „Schiessbefehl“. (Was für eine Verhöhnung der Mauertoten!) Schießen? An der Grenze? Die Empörung – grenzenlos.
Menschen, die aus Österreich einreisen, haben kein Asylrecht (Art 16 a Abs. 2 GG). Ihnen ist die Einreise zu verweigern (18 Abs. 2 AsylG). Und wenn Sie das HALT an der Grenze nicht akzeptieren, „können die Vollzugsbeamten im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen einsetzen.“ (§ 11 UZwG).
Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. Die Menschen sind in Österreich in Sicherheit. Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren.

Beatrix von Storch, 30.01.2016 18:58

Um hier mal was klarzustellen:
Ich bin grundsätzlich gegen Gewalt gegen Kinder, das umfasst auch den Einsatz von Schusswaffen gegen minderjährige Migranten durch die Polizei.
Gewalt ist immer das allerletzte Mittel. Die Beamten der Bundespolizei machen einen guten, aber auch schweren Job. Dabei ist für sie die Nutzung der Dienstwaffen genau geregelt. So in 11 UND 12 UND 13 UZwG.
Wir haben keine Forderungen aufgestellt, sondern die Rechtslage referiert. Nach meiner Meinung soll der Bundespolizeipräsident die Grenzpolizei personell in einer Weise aufstellen, die jeden Schusswaffeneinsatz – auch gegen erwachsene Migranten -höchst unwahrscheinlich macht.

Beatrix von Storch, 31.01.2016, 13:35

„Ich habe bejaht, daß „Frauen mit Kindern“ mit Waffengewalt am Übertritt der grünen Grenze gehindert werden sollen. Ich beziehe mich dabei auf die geltende Gesetzeslage. Gegen Kinder ist der Schusswaffeneinsatz richtigerweise nicht zulässig. Frauen sind anders als Kinder verständig, so dass der Einsatz hier unter den gesetzlich engen Grenzen der §§ 11,12 und 13 UZwG zulässig sein kann.

Niemand möchte den Einsatz von Schusswaffen gegen Menschen. Gleichwohl ist die Debatte um den Einsatz zur Grenzsicherung vor dem Hintergrund der geltenden Gesetze zu führen. Diese regeln in den §§ 11 ff UZwG klar, dass Schußwaffen überhaupt nur eingesetzt werden können, wenn alle andere Maßnahmen unmittelbaren Zwanges erfolglos waren, und daß gegen Personen der Einsatz erst nach erfolglosem Warnschuss und Schuss gegen Sachen in Betracht kommt. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit wird dazu führen, daß es letztlich zu keinem Einsatz gegen Personen kommen muss. Die Forderung der AfD lautet: Grenzschutz unter Anwendung der geltenden Gesetze, unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. So ist es auch in der Vergangenheit praktiziert worden. Auf eine kleine Anfrage 1996 (Drucksache 13/5845 vom 17.10.1996) bezifferte die Bundesregierung seinerzeit die Anzahl von Schusswaffeneinsätzen zum Grenzschutz mit 103, wobei 4 Personen verletzt worden sind. Wir wünschen uns, daß es zu diesen Fällen nicht mehr kommen muss.“

Beatrix von Storch, 01.02.2016, 07:37

Merken Sie etwas? Frau von Storch bezieht sich auf deutsche Gesetze, auch auf das Grundgesetz. Und das trotz der Tatsache, dass weite Teile der Partei, deren Vize-Vorsitzende sie ist, grundgesetzskeptisch eingestellt sind. Sie glauben nicht, dass sie das tatsächlich von sich gegeben hat? Dann schauen Sie sich mal die drei Screenshots an:

bvs1

bvs2

bvs3

Die studierte Rechtswissenschaftlerin, die geborene Herzogin von Oldenburg, schreibt also davon, dass das Grundgesetz regelt, dass aus Österreich einreisende Menschen kein Recht auf Asyl haben. Die von ihr benannte Passage sagt das hier:

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

Absatz 1 sagt, dass politisch Verfolgte Asyl genießen. Politisch Verfolgte aus einem EU-Land bekommen hier kein Asyl. Jetzt ist da viel juristisches Gefasel mit dabei. Um aber mal beim Beispiel Österreich zu bleiben, würde ich das so interpretieren: Wird ein österreichischer Bürger in seinem Heimatland politisch verfolgt, kann er zwar nach Deutschland kommen. Aber nach Asyl braucht er nicht zu fragen. Syrische Kriegsflüchtlinge sind aber seltener österreichische Bürger. Also, liebe Frau von Storch, damit ist das Thema ja wohl verfehlt. Bliebe das Asylgesetz, in dem bei Paragraph 18 steht:

(2) Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn
1. er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist,
2. Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird, oder
3. er eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, und seine Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt.

Diesen Quatsch mit Österreichern, die als syrische Flüchtlinge einreisen, lassen wir mal weg. Sucht nun also jemand Asyl in Deutschland, darf der nicht aus einem sicheren Drittstaat kommen. So als Bürger. Das sind ja Syrer nicht. Aber die kommen über Griechenland und Co. nach Europa. Sie müssten dort registriert werden. Und dort müssen sie bleiben. Wenn, ja wenn das viel beschriebene Dublin-Abkommen nicht existieren würde, das eine Verteilung von Flüchtlingen regelt. Also auch Quatsch, wie ich finde.

Dann haben wir noch das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes, auf das sich Frau von Storch bezieht. Frau von Storch erzählt uns hier, dass jeder, der auf ein „HALT“ nicht reagiert, vor dem Gesetz automatisch ein Angreifer sei und deshalb beschossen werden dürfe. Steht das so im Gesetz?

(1) Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, daß die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuß ersetzt werden.

(2) Als Grenzdienst gilt auch die Durchführung von Bundes- und Landesaufgaben, die den in Absatz 1 bezeichneten Personen im Zusammenhang mit dem Grenzdienst übertragen sind.

Lese ich das falsch, oder steht dort wirklich, dass ein Warnschuss abgegeben werden darf, wenn jemand abzuhauen versucht? Ich erinnere mich an meine Bundeswehr-Zeit, in der wir natürlich auch so etwas lernten. Es gab 3 Schritte: „Halt!“ und danach „Halt, oder ich schieße“ und danach bei fehlender Reaktion der Warnschuss in die Luft. Ein dummer Fehler brachte mal einen Toten, weshalb der leitende Wachhabende dienstliche Konsequenzen zu tragen hatte. Das heißt doch, dass ich als Bundeswehrangehöriger niemanden „abknallen“ darf, wenn der ein „Halt“ ignoriert, liebe Frau Storch.

Und so geht das weiter. Ich könnte die Worte von Frau Storch immer weiter auseinander nehmen. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Sie hat jetzt nicht wortwörtlich den Schießbefehl gegeben (darf sie ja auch gar nicht) oder zum Halali gegen Flüchtlinge geblasen. Aber sie hat Stimmung gemacht. Und irgendwo war zu lesen, dass sie es tatsächlich für gut befinden würde, wenn an der Grenze per Waffengewalt gegen Flüchtlinge vorgegangen werden sollte. Ein Screenshot einer Unterhaltung zeigte, dass sie ausdrücklich auch Frauen und Kinder damit meinte. Später nahm sie dann die Kinder heraus.

Wie auch immer das Alles gemeint ist. Ich halte diese Entwicklung für sehr gefährlich. Was jetzt die AfD ist, war in den 1920er Jahren die NSDAP: Splitterpartei, erst nicht ernst genommen, markige Sprüche zelebrierend. Was dann 10, 12 Jahre später begann und 1945 endlich beendet wurde, ist bekannt. Ich will jetzt den Teufel nicht an die Wand malen. Aber was diese Partei so erzählt, ist nicht so sehr weit weg von dem, was vor 90, 95 Jahren schon mal erzählt wurde.

Ich halte auch nichts davon, dass einfach alle Flüchtlinge ungebremst durchgewunken werden, weil sich kein anderes Land der EU für deren Registrierung und Betreuung zuständig fühlt (Meine Meinung sollte hinlänglich bekannt sein). Dass dann aber jeder, der aus dem Südosten über Österreich nach Deutschland will, als Aggressor hingestellt wird, der erschossen gehört, ist einfach mal schlimmes Gedankengut. Es ist gefährlich, was da gerade passiert. Und es wird immer schlimmer. Wir sollten vorsichtig sein. Vielleicht befinden wir uns schon in der Weimarer Republik 2.0.

5 Replies to “Beatrix von Storch und der Schießbefehl auf Flüchtlinge”

  1. Bei all dem darf man eines nicht vergessen und sollte es immer wieder betonen – diese Frau ist Juristin! Das macht mir die größte Sorge. Die kommt schon mit Dingen nicht klar, wo sie eigentlich Fachwissen besitzen soll (also Gesetze lesen und verstehen), wie sieht das dann erst bei anderen Dingen aus.

    Fakt ist für mich, mit diesen Forderungen und dem Gehampel danach hat diese „Partei“ nun endgültig gezeigt, wessen Geistes Kind sie ist. Die ganze gefährliche Fratze haben sie gezeigt. Denn wenn sie schon gegen Flüchtlinge samt Müttern und Kindern so vorgehen will, was passiert dann erst mit Gegnern im eigenen Land?

    Noch schlimmer finde ich es aber, es gibt noch Leute, die das Geschwätz gut heißen, relativieren oder als Anlass nehmen uns alle mal zum „denk mal nach“ aufzufordern. Auch aus meinem persönlichen Umfeld bei Facebook wieder. Da zeigen sich auch manche „Fratzen“ wo ich das niemals vermutet hätte.

    Und in 15 Jahren müssen wir dann unseren Kindern und Enkeln sagen „Das haben wir doch alles nicht gewusst und auch nicht gewollt“.

    LG Thomas

    1. Naja, ich denke schon, dass die Frau von Storch allerbestens mit ihrem Kerngeschäft zurecht kommt. Man sagt Juristen nicht umsonst nach, dass sie alles als Auslegungssache deklarieren. Ich denke, mit ihren Worten wird nur dargestellt, dass man Gesetze auf verschiedene Arten auslegen kann. Und das ist das Fatale.

      Wer jetzt immernoch denkt, dass man der AfD hinterher rennen muss, der wird bald sehen, wem sie tatsächlich zuwinken. Ich halte nicht viel von einem In-die-rechte-Ecke-stellen. Aber ich kann nicht anders, irgendwie hat man doch bei der Partei keine anderen Gedanken mehr übrig. Und wer nun behauptet, dass nun endlich jemand „die Wahrheit spricht, wie sie wirklich ist“, wird sich über kurz oder lang selbst belügen. Aber dann soll man nie behaupten, man habe von nichts gewusst.

  2. Die Empörung ist groß in Berlin.
    Zwei Dinge stoßen mirdabei auf.
    1) Der Vergleich mit dem schießbefehl an der innerdeutschen Grenze.
    Dieser hinkt gewaltig, hatte der doch das komplette Gegenteil zum Ziel.
    Nämlich Menschen am verlassen eines staates zu hindern und nicht in erster linie die illegale Einwanderung.
    2) Das ständige fordern nach Schutz der EU-Außengrenzen.
    Damit kann man das Problem mit dem schießen schön anderen an den Hals hängen.
    Was dann dazu führt das Griechenland und ein paar andere
    Anrainerstaaten im Mittelmeerraum dann wohl Flüchtlinge
    aufhalten sollen.
    Wie denn bitte?
    Durch nettes zu reden?
    Oder wie ist dann dort ein Verhindern der Einreise über den Seeweg möglich?
    Sperrung der 3- Meilen Zone?
    Was macht man mit den ganzen Seelenverkäufern, Schlauchbooten die ankommen?
    die Leute aufsammel und zurück schippern?

    Natürlich würde sich auch sehr wenig Personal finden
    das bereit wäre auf Frauen und Kinder zu schießen.

    Man kann nur hoffen das es in DE in Zukunft keine verheerenden Anschläge gibt.
    Denn dann würde es wirklich gefährlich.

    Hier muss einfach auch öffentlich bei allen Asylsuchenden, Migranten u.s.w. geworben werden den die Polizei zu unterstützen um Verdächtige Personen beizeiten zu ermitteln.

  3. Deine Erläuterungen zum militärischen Gebrauch der Schußwaffe sind alle richtig und das entspricht dem, was dem „Ossi-Grenzer“ als Schießbefahl vorgehalten wird – gibt es also über all. Der funktioniert abher in der Reihenfolge „Halt…… bis zum gezielten Schuß zur Bewegungsunfähigkeit“ nur wenn sich der Flüchtling entfernt – also flüchtet. (Grenzdurchbruch alla DDR von innen nach außen). Beim Asylflüchtling würde der BGS ja in Richtung Drittstaat schießen müssen. Die Österreicher wären hoch erfreut. Andernfalls wären die Flüchtlinge schon auf deutschem Boden und würden dann erschossen (bewegungsunfähig. Sind sie aber auf Deutschen Boden muss erstmal geprüft werden, ob sie nicht doch einen Asylgrund haben. Also diese Damen haben es nicht mal juritisch begriffen. Vom wahren Erleben, wie das so ist, wenn man mit unterladener Waffe alleine im Dunkeln sitzt und auf das Knacken im Wald, das Rauschen des Windes und das Kommen des Flüchtlings hört, mal ganz zu schweigen. Würde es richtige Tinte kosten sollte man es sich sparten zur AfD was zu sagen, das haben sie nicht verdient.

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