Der bundespolitische Scherbenhaufen und die FDP

Die Jamaika-Sondierungen sind zu Ende. Der FDP wurde der schwarze Peter zugeschoben. Alle waren unredlich. Das gehört sich nicht für eine Regierungsbildung. Und mit dem Wort „alle“ meine ich nicht nur die Unionsparteien, die Grünen und die FDP, sondern auch die, die sich mutmaßlich in die Opposition abgeduckt haben. Die deutsche Bundespolitik steht seit der vergangenen Nacht vor einem Scherbenhaufen. Wer war denn nun die oder der Schuldige? Und wie geht es nun weiter?

Viele politische Verlierer

Kurz vor Mitternacht verkündete FDP-Chef Christian Lindner, dass die Jamaika-Sondierungen zu Ende seien. Man wolle lieber nicht regieren, statt falsch zu regieren. Die Statements dazu können Sie überall nachlesen. Und schnell war man dabei, der FDP die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich bin mir aber nicht so ganz sicher, ob das der Wahrheit entspricht. Natürlich: Christian Lindner, Nicola Beer und Wolfgang Kubicki haben hoch gepokert. Aber ich weiß nicht, ob es stimmt, wenn man nun behauptet, sie hätten sich verzockt.

Vier Wochen lang haben alle Beteiligten gepokert. Als Außenstehender dachte man sich oft genug, dass das doch alles nicht wahr sein konnte. Die vier Parteien haben immer davon palavert, man hätte den Willen zur Regierungsbildung. Dann musste es aber auch irgendwann mal voran gehen. Bis zuletzt aber verschanzte man sich hinter argumentativen Nuancen und spielte Politiker-Mikado: Wer zuerst nachgibt, hat verloren. Dieses beschämende Verhalten aller Beteiligten hat dem Ruf der Spitzenpolitik enorm geschadet, war der doch eh schon angeknackst.

Angela Merkel hat verloren, weil ihre Stärke der einenden Moderation nicht ausgereicht hat. Horst Seehofer hat verloren, weil man sein Lavieren eigentlich nur noch satt hat. Die Grünen haben verloren, weil ihr Die-anderen-waren-schuld-Fingerzeigen unglaubwürdig ist. Die FDP hat verloren, weil sie die Gespräche hat platzen lassen. Aber auch die SPD hat verloren, weil sie sich bequem in der Opposition eingerichtet hat und eine trotzige Dagegen-Haltung an den Tag legt. Und Linke und AFD auch, weil es derzeit keine Partei gibt, der deren Wähler eins auswischen können.

Wer war denn der Schuldige?

Klar ist es Blödsinn, die Schuldfrage zu diskutieren. Aber wie ist das eigentlich? Der FDP wird vorgeworfen, von Anfang an die Sondierung platzen lassen zu wollen. Weil Christian Lindner am Wahlabend gesagt hat, er wolle sich nicht in eine Regierung zwingen lassen? Und CDU-Vize Julia Klöckner erklärt vor laufender Kamera, Lindner hätte seine Erklärung zum Abbruch vom Zettel abgelesen, und wertete dies als Indiz für einen lange geplanten Abbruch. Aber das sind doch alles irgendwie Juristen. Um Rechtsstreit zu vermeiden, muss jedes Wort glatt gebügelt sein.

In einer ersten Annahme war ich durchaus der Meinung, dass die FDP die Verhandlungen bewusst platzen ließ. Bei Twitter wurde Christian Lindner schon als „Merkel-Mörder“ hingestellt. Aber war es wirklich so? Oder haben sich CSU und Grüne nicht vielmehr einen erbitterten Machtkampf geliefert, bei dem die FDP zerquetscht worden wäre? Ich weiß es nicht. Aber die Vermutung liegt nahe, dass ausgerechnet die beiden kleinsten Parteien in der Konstellation die dicksten Lippen riskiert hatten und die FDP einfach ihre Ziele nicht mehr verfolgen konnte.

Schuld ist aber sicherlich auch Angela Merkel. Ein Raute-bildendes „Sie kennen mich“ mag in der Wahlwerbung funktionieren. In energischen Sondierungsgesprächen reicht das eben nicht aus. Hier hätte „Mutti“ einfach mal mit der Faust auf den Tisch hauen müssen, um Seehofer und Özdemir in die Schranken zu weisen. Hat sie aber nicht, weil das nicht ihre Art ist. Ach, und die SPD ist auch in gewisser Weise schuld, weil sie die vier Parteien – und da bin ich bei Lindner – in diese Verhandlungen gezwungen hatte.

Wie geht es nun weiter?

Tja, bis dieser Text erscheint und reihum gelesen wurde, könnte natürlich schon wieder alles anders sein. Aber wenn wir einfach mal drauflos spekulieren, wie es nun weitergehen könnte, dann komme ich zu dem folgenden Schluss. Es wird keine Neuwahlen geben, und am wahrscheinlichsten ist eine schwarz-grüne Regierung aus CDU/CSU und Grünen. Es wird eine Minderheitsregierung sein, die sich immer wieder der starken Opposition gegenüber beweisen muss. Aber das wäre Demokratie. Und dann wollen wir mal sehen, was das Land weiterbringt.

So unwahrscheinlich ist es nicht einmal, dass dieses Bündnis sogar erfolgreich wäre, denn sehr weit waren sie in den Jamaika-Sondierungen ja nicht voneinander entfernt. Und die SPD muss dann auch immer mal wieder Farbe bekennen, will sie nicht als Fundamental-Opposition wie die AFD in Erinnerung bleiben. Vielleicht kommt ja auch die AFD aus ihrer dunklen Ecke heraus. Schwarzgrün wäre vielleicht wirklich die beste Wahl. Aber das müssen wir erstmal abwarten. Vielleicht wird ja wieder alles komplett anders.

6 Replies to “Der bundespolitische Scherbenhaufen und die FDP”

  1. CDU/CSU werden Neuwahlen anstreben und hoffen das der AfD nach deren Selbstzerlegung die Wähler abhanden kommen und es dann für Schwarz-Grün oder Schwarz- Gelb reicht.
    Die SPD sollte dass nutzen und sich endlich auf Ihre Wurzeln besinnen und ein Bündnis mit der Linken anstreben. Wenn es mit dieser Stratgie dann rechnerisch reicht werden die Grünen ganz schnell auf den Zug aufspringen.
    Es muss endlich Schluß gemacht werden mit der Klientelpolitik für die oberen 10%.

    Zu befürchten ist das Neuwahlen das Chaos noch vergrößern wenn nicht klare
    Ansagen erfolgen wohin die Reise gehen soll.

    1. Dein zentraler Satz ist der mit der Klientelpolitik. Ich glaube, das ist der gesamte Krebsschaden. Vermutlich wird es aber nicht zu Neuwahlen kommen. Die Angst vor komplettem Chaos im Bundestag ist dann doch noch zu groß. Und so darf man hoffen, dass sich alle irgendwie darauf besinnen, dass sie dem Land und den Bürgern dienen. Mal sehen, wie das weitergeht, wenn sich alle die Wunden geleckt haben.

  2. Die Schuldfrage, die Schuldfrage.. Ich kann das nicht mehr hören. Also nicht falsch verstehen, ich mein damit natürlich nicht Deinen Artikel, sondern eben auch das ewig-selbstgerechte-mit-dem-Finger-auf-andere-Gezeige unserer sogenannten Volksvertreter. Mich nervt das aber nicht nur in der Politik, sondern auch in unserer zunehmend von Selbstvermarktung geprägten Gesellschaft. Hauptsache selbst gut aussehen und den schwarzen Peter immer dem anderen zuschieben. Naja, muss man sich wohl damit abfinden.

    1. Hallo Stefan, da ist schon was dran. Insofern ist die Besetzung unseres hohen Hauses vielleicht doch viel mehr ein Spiegelbild der Gesellschaft. Vielleicht muss man nur selbst gut genug den Selbstdarsteller geben und den schwarzen Peter seinem Nachbarn zuschieben, dann wird das schon alles gut.

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