Israel und die Frage: Darf man das?

Beim Angriff Russlands gegen die Ukraine spricht man von Kriegsverbrechen, beim Angriff Israels auf Gaza ist das ein bedauerlicher Umstand? Ich weiß, dass ich hier mit zweierlei Maß messe. Die Politik und alle möglichen Leute, die irgendwas zu beiden Kriegen zum besten geben, tun das aber auch. Ich finde, die humanitären Katastrophen im Nahen Osten und in der Ukraine kommen viel zu wenig zur Sprache. Ich will mich aber auch den „Nationalstaat des jüdischen Volkes“ konzentrieren, wohl wissend, dass das dem Blog nicht gut tun wird.

Der Fremdkörper im Nahen Osten?

Ich will jetzt gar nicht auf die überall von allerlei deutschen Politikern in Kameras und Parlamente gesprochene „deutsche Staatsraison“ eingehen. Dass so etwas, was einmal als größtes Verbrechen der Menschheitsgeschichte bekannt wurde, nie wieder passieren darf, sollte jedem klar sein. Allerdings rechtfertigt das in meinen Augen eben nicht, dass man widerspruchslos alles hinnimmt, was Israel so tut und auch getan hat. Und das meine ich wirklich so.

Ich will auch überhaupt nicht darauf eingehen, ob es einen Staat Israel überhaupt bedarf. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten, was so mancher Schwurbler da behauptet. Ich stelle halt nur die Frage, wie es denn dazu kommt, dass dieser Staat gefühlt gegen alles und jeden im Nahen Osten Krieg führt und kein Land dort Israel gern als Nachbarn hat. Ich will es nicht bewerten, aber ich glaube, es gehört zu diesem Konflikt dazu. Aber da kann ich mich irren.

Ich frage mich, ob es denn gerechtfertigt ist, dass sich dieses Land Teile anderer Länder unter den Nagel reißen will. Die wichtige Frage dabei ist, ob das ein Land einfach so darf. Bei der Ukraine ist sich die „Weltgemeinschaft“ einig, dass das Landraub sei, was Russland da betreibt. Und was Israel mit den Golanhöhen in Syrien, mit dem illegalen Siedlungsbau im Westjordanland und mit dem Gazastreifen macht? Was ist das? Ich frage bloß, ich bewerte nicht.

Mich wundert halt überhaupt nicht, dass Israel gegen alle möglichen Länder irgendwelche Kämpfe ausfechtet. Das Land wirkt eben nicht unbedingt wie der Nachbar, den man sich wünscht, sondern leider eher wie ein Fremdkörper. Und ich betone hier gern explizit, dass es mir um den Umgang des Landes mit seinen Nachbarn geht, nicht um die Menschen und erst recht nicht um die jüdische Religion. Ich gehöre keiner Religion an. Wer bin ich also, das irgendwie einordnen zu wollen?

Was macht Israel eigentlich mit den Palästinensern?

Ja, es ist überhaupt keine Frage: Die palästinensische Terror-Organisation Hamas hatte aus dem Gazastreifen heraus mit Unterstützung des Iran oder so den Staat Israel angegriffen und dabei weit über 1000 Menschen ermordet. Das ist ein Fakt, den stellt niemand, der noch halbwegs richtig tickt, in Frage. Allein knapp 400 unschuldige Besucher des Psytrance-Festivals „Supernova Sukkot Gathering“ kamen zu Tode.

Dass das eine Vergeltung aus Israel zur Folge haben wird, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Und dass die Terroristen die israelischen Gefangenen und die friedliche palästinensische Bevölkerung als menschliche Schutzschilde hernimmt, war irgendwie auch klar. Was aber macht denn da jetzt Israel? Der ganze Gazastreifen wird bombardiert, das größte Freiluft-Gefängnis der Welt wird ausgehungert, Frauen, Kinder, alte Menschen finden nirgends Schutz.

Und dann sprechen Spitzenpolitiker und Spitzenmilitärs davon, den Gazastreifen „zu säubern“. Fragen dann deutsche Journalisten deutsche Spitzenpolitiker, wie dies einzuordnen ist, sagt keiner von denen, dass das ethnische Säuberungen oder gar Kriegsverbrechen sein sollen. Aber genau das sind diese grausamen Bombardements durch Israel. Das Ganze wird gern auch mal als Völkermord angesehen. Und man darf nicht darüber diskutieren? Es ist deutsche Staatsraison? Wieso?

Ist es kein Kriegsverbrechen, was Israel da macht? Ich kann es ja verstehen, dass man der Hamas habhaft werden will. Dafür muss das palästinensische Volk draufgehen? Sind dem rechtskonservativen rechtsradikalen Ministerpräsidenten Menschenleben völlig scheißegal? Und mehr noch: Wenn der keine Gelegenheit auslässt, Deutschland anzuprangern, dass die Nazis die Juden auslöschen wollten, darf man ihm doch auch mal sagen, dass er die Palästinenser auslöschen will.

Boah, ich schreibe mich hier komplett in Rage, aber ich musste das so aufschreiben. Gegen Netanjahu gibt es einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und unsere deutschen Politik-Schergen reden von einem „bedauerlichen Umstand“? Haben die eigentlich noch alle Tassen im Schrank?

Jeder soll sein Ding machen können

So, Uhle, koch mal wieder runter. Einatmen, ausatmen… Geht’s wieder?

Es gibt unfassbar viele gute Menschen auf diesem Planeten. Ich bin mir auch zu 100% sicher, dass die Mehrzahl der Russen, der Ukrainer, der Israelis, der Palästinenser, der Jemeniten, der Iraner, aller möglichen Völker gute, positive Menschen sind. Die wollen alle keine Kriege, die wollen, dass jeder sein Ding machen kann. Im Nahen Osten, in der Levante haben sie Jahrhunderte lang friedlich nebeneinander her gelebt, diese ganzen Völker, die es dort gab und gibt. Das muss doch drin sein.

Wieso um alles in der Welt soll das nicht gehen? Es muss doch möglich sein, sich auf etwas zu einigen, was jedes Volk als Anstand ansieht. Und es ist nun einmal nicht anständig, anderen Völkern das Existenzrecht oder das Recht auf ein eigenes Land abzusprechen. Jeder hat das Recht, sein Ding zu machen. Warum soll das nicht gehen? Wieso müssen auf der einen Seite die Ukrainer um ihr Land fürchten und auf der anderen Seite die Palästinenser?

Man muss doch dann auch mal richtig mit der politischen Faust auf den Tisch hauen und die Grenzen aufzeigen. Oder – anderes Thema, um nicht immer nur Krieg zu haben – wenn es Gerüchte und Hinweise gibt, dass Israel das Voting beim diesjährigen Eurovision Song Contest beeinflusst hat, muss man dem nachgehen und das Land dann auch mal ausschließen. Das kann doch nicht so schwer sein. Es sei denn, man will die ständigen Aufregungen.

Ich glaube nach wie vor daran, dass die Menschen viel besser auf der Welt zusammenleben könnten, wenn jeder dem anderen auch mal was gönnt und sich jeder an einen gemeinsamen Anstand hält. Allerdings bezweifle ich, dass die Menschheit dazu in der Lage ist. Schade eigentlich, dass so eine hoch entwickelte Spezies solche Defizite hat. Oder sehe ich das falsch?

Man darf Israel kritisieren

Die Nummer mit dem ESC ist natürlich nicht so relevant wie der Völkermord. Und sorry, ich bleibe dabei, dass Israel genau auf diesem Trip ist. Aber darf man das Land überhaupt kritisieren? Ich finde: Ja. Ich finde, es muss auch mal genug sein, dieses Land mit Samthandschuhen anzufassen, ungeachtet von Verbrechen des Landes gegen ein anderes Land. Man muss doch auch Israel mal sagen können, dass die sich auch benehmen müssen.

Deutsche Staatsraison hin oder her, Israel darf deshalb trotzdem nicht machen, was es will. Meiner Meinung nach wird das Land durch einen Verbrecher regiert. Das darf und muss man so benennen. Die Israelis selbst wollen diesen Krieg, soweit ich das mitbekommen habe, gar nicht. Dann muss es auch anders gehen, die Hamas unschädlich zu machen, oder? Jedenfalls muss man das ganze Thema wirklich auch kommentieren können, ohne als Antisemit dazustehen. Und das ist es, was ich bei all dem Krieg hoffe.

Einfach mal weitersagen

8 Gedanken zu „Israel und die Frage: Darf man das?“

  1. Da hast du aber einen rausgehauen! Ich finde es gut, wenn man die Emotionen, die da mitschwingen, so deutlich um die Ohren gehauen bekommt. In unserer Blogosphäre ist es in dieser Hinsicht viel zu ruhig. Danke für den Link.

    Antworten
  2. Ich würde nicht jedem Punkt zustimmen, muss ich auch gar nicht. Einfach Respekt, dass du deine Gedanken zu diesem Thema so klar artikulierst, ist irgendwie selten zu sehen in Zeiten, in denen ja nicht anecken für viele offenbar wichtiger ist, als zu seinem Punkt zu stehen und so ehrliche Fragen zu stellen.

    Antworten
    • Siehst du, das ist mein Punkt. Ich habe Unmengen an Fragen zu Israel, ohne dass ich dann gleich ein Antisemit sein muss. Im Gegenteil. Ich will ja, dass alle miteinander auskommen. Aber ich kann es eben nicht akzeptieren, was da in Gaza stattfindet. Als ob die Bewohner kein Recht darauf haben, mit den Nachbarn klarzukommen.

      Antworten
  3. Dat Thema iss nix für meinen Blog, daher hier eine Antwort.

    Warum ist das nichts für meinen Blog? Kurze Antwort: Ich kann das alles nicht mehr einschätzen, was da passiert. Ich finde es einfach nur fürchterlich. Ja, die Hamas hat richtig übel gewütet, dafür muss es dieser Organisation sprichwörtlich an den Kragen gehen. Rechtfertigt das aber, ein komplettes Volk zu terrorisieren und zu bombardieren? Ist es Rechtfertigung dafür, Frauen, Kinder und alte Menschen durch das Land zu treiben? Immer auf der Flucht vor dem nächsten Bombenangriff? Nein! Das kann und darf es nicht sein. Und daher muss das auch kritisiert werden, auch wenn die Kritik dann Israel trifft. Leider ist es heute so, dass man damit schnell Gefahr läuft, als Antisemit und Palästinenser-Freund abgestempelt zu werden – und das nervt mich maximal an. Das typische schwarz-weiß-Denken und das einsortieren in Schubladen. Aber das hat man ja inzwischen bei allen Themen. Einmal was gegen das Gendern gesagt, zack, bist Du Frauen-Queer-Wasweißich-Feindlich.

    Antworten
  4. Ich glaube, einschätzen kann das keiner mehr, zumal die allgemein schlechte Situation für alle Seiten dort schon seit Jahren vor sich hin siecht. Und ich habe durchaus öfter den Eindruck, daß KEINE Seite ernsthaft an Frieden interessiert ist. Mir scheint, die letzten, die sich wirklich bemüht haben, waren Jitzchak Rabin und Jassir Arafat.
    Mit der Geiselnahme allerdings, die die Situation dann noch mehr verschlechterte, bin ich dann eher auf der Seite Israels – ABER NICHT auf der Seite von Netanjahu. Der ist nicht anderes als ein mieser Faschist, ein Verbrecher, eine Schande. Aber er ist ja nicht der einzige Verbrecher in hohem Staatsamt… *hüstel*
    Wäre der Überfall und die Geiselnahme nicht gewesen, wäre der schon lange da, wo er hingehört: im Knast! Denn auch in Israel selbst ist er nicht unbedingt beliebt.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar