Landtagswahl in Sachsen: Zeit zu handeln

Heute ist der vierte Geburtstag von PEGIDA. In ungefähr zehneinhalb Monaten ist Landtagswahl in Sachsen. Es wird Zeit, dass wir mal uns darüber unterhalten. Denn wenn wir ehrlich sind, ist der ehemals hochgelobte Freistaat im Osten der Republik kurz davor, zum „Failed State“ erklärt zu werden. Obwohl ich nicht mehr wirklich politisch bloggen will, ist genau das mein Thema im Abwasch der Woche.

Landtagswahl in Sachsen: Was steht uns bevor?

Voraussichtlich am 01. September 2019 wird die Landtagswahl in Sachsen stattfinden. Wenn alles so weitergeht wie bisher, werden wir in Sachsen erleben, wie es ist, wenn eine Landesregierung wild zusammengepuzzelt werden muss, will man nicht mit extremen Kräften im Bett liegen. Im Folgenden mal eine kurze Übersicht darüber, was so der aktuelle Trend von Anfang September 2018 ist:

ParteiErgebnis 2014Trend 2018+/-
CDU39,4%29,7%-9,7%
LINKE18,9%18,4%-0,5%
SPD12,4%10,6%-1,8%
AFD9,7%24,5%+14,8%
GRÜNE5,7%6,5%+0,8%
NPD4,9%0,00%-4,9%
FDP3,8%5,9%+2,1%
FREIE WÄHLER1,6%2,0%+0,4%
Sonstige3,5%3,9%+0,4%

Wie Sie sehen, wird die AFD der übergroße Wahlgewinner sein. Und die CDU wird der übergroße Wahlverlierer sein. Meine Fresse! Sachsen! Jede vierte Stimme für Rechtsextreme? Spinnt ihr? Ich sauge mir das ja nicht aus den Fingern, das kann man überall nachlesen, zum Beispiel hier. Jetzt kann ich viel behaupten, dass das eine Demokratie aushalten muss, wie hier. Aber nochmal: Jede vierte Stimme!

Jetzt rechnen wir mal die Prozente der NPD der AFD nun hinzu. Was haben wir dann bei dem blauen Laden für einen Gewinn? Ungefähr das, was die CDU verliert. Man könnte jetzt sagen: Die von der CDU enttäuschten Wähler wandern zur AFD ab. Das muss nicht genau stimmen. Aber wenn wir uns an der Behauptung aufhalten, dann müssen wir nach den Gründen suchen. Ich habe da so eine Ahnung.

Laut in Ostsachsen

Als wir vor der letzten Bundestagswahl im Elbtal Urlaub gemacht hatten, fielen mir die vielen Plakate der AFD auf. Darauf standen solche markigen Sprüche wie „Wer (Name vergessen) wählt, wählt Merkel“. Wer also mit der Merkel-Politik nicht einverstanden war, solle lieber AFD wählen. Bis heute fehlen mir Positionen der Rechtsextremen, die sich nicht um „Ausländer raus“ drehen. Und die Masse an Wahlplakaten der AFD überraschte mich als Leipziger.

Wie dem auch sei: Man hat immer Sachsen in den höchsten Tönen gelobt, der Freistaat war DER Musterschüler schlechthin. Wenn Sie aber die Novelle „Apt Pupil“ (Der Musterschüler) von Stephen King kennen, wissen Sie ja, dass der Junge im Buch den Gegenspieler Dussander dazu brachte, grauenvolle Dinge zu tun. Und wie wäre es denn, wenn Musterschüler Sachsen auch auf diesem Weg ist?

Ich weiß, dass die AFD in Leipzig nicht so das große Thema ist. Vielleicht liegt das auch daran, weil Leipzig traditionell anders ist als Dresden und Ostsachsen. Denn dort haben sie Verdrängungsängste aus dem Osten (Polen) und dem Süden (Tschechien). Und wir haben die Lausitz, wo niemand weiß, inwiefern es dort eine Zukunft mit und ohne Braunkohle gibt.

Aber Ministerpräsident Kretschmer ist halt nicht laut genug und zeigt den Regionen auch keine Perspektive auf. Damit gibt sich die Bevölkerung nicht zufrieden. Sie sind dort vielleicht zum kleinsten Teil wirklich extrem, der Rest protestiert dagegen, dass die Landes- und Bundesregierung den ländlichen Teil vergessen hat. Das merkt man übrigens auch in Mittelsachsen.

Kann man das Ruder herumreißen?

Der Freistaat Sachsen ist in der Außendarstellung nahe einem „Failed State“. Damit werden Staaten bezeichnet, die ihre grundlegenden Funktionen nicht mehr erfüllen können. Oder anders gesagt: Sachsen ist drauf und dran, die eigene Staatsgewalt zu verlieren. Das sieht man an Chemnitz oder an der immernoch tätigen Organisation „Skinheads Sächsische Schweiz“.

Obwohl es Sachsen im ostdeutschen Vergleich wirtschaftlich und gesellschaftlich ziemlich gut geht, dürfte aufgrund der Einschätzung der Freistaat in einer Reihe mit Südsudan, Somalia, Syrien oder Haiti rangieren. Ja, das ist drastisch formuliert. Aber wenn aus anderen Bundesländern von „Blauhelmtruppen nach Sachsen“ erzählt wird, zeigt das, welche Außendarstellung Sachsen abliefert.

In Sachsen ist das große Problem, dass seit den ersten Landtagswahlen die CDU durchregiert. Das macht betriebsblind. Man denkt, dass man alles wie immer wieder in den Griff bekommt. Deshalb ja auch die Bürgergespräche von Michael Kretschmer, die an sich als sehr positiv einzuschätzen sind. Aber so prekär, wie das in Sachsen derzeit aussieht, kann man eben nicht vorgehen wie immer.

Blöd ist halt, dass in Sachsen gar nicht so viele Asylbewerber angekommen sind, sich aber die Menschen dennoch bedroht fühlen. Die Sache ist halt, dass die Asylbewerber ungenügend betreut werden. Auch ihnen wird keine Perspektive gegeben. Durch PEGIDA und Co. wurden jede Menge falsche Aussagen verteilt, und der Protest wuchs. Hier hätte man viel früher aufklären müssen. Die CDU hat sich zurückgehalten. Und das kann man nicht mehr korrigieren.

Gibt es eine Alternative?

Man hat hier in Sachsen den Eindruck, als ob man die Untätigkeit und das Phlegma der Bundesregierung und der Landesregierung abstrafen will. Da kann Michael Kretschmer noch so sehr Tablets in die Schulen bringen wollen. Aber das, was er in Sachen Flüchtlingspolitik einfordert, nämlich beherztes Handeln, lässt er selbst oft genug vermissen. Und ganz ehrlich: Parolen holt man sich vom Original (AFD), statt von der Kopie (CDU).

Während alle Parteien irgendwie ähnliche Ergebnisse in Umfragen erzielen, explodieren die Ergebnisse bei der CDU (in die eine Richtung) und bei der AFD (in die andere Richtung). Die AFD kommt mit lauten Protesten, unter anderem gegen die Waldschlösschenbrücke in Dresden (AFD-Sachsen-Chef Urban), oder mit dem Kampf gegen „Problemwölfe“ (Schatzmeister Hütter). Alles Themen, die man mit der Bevölkerung diskutieren könnte.

All das macht aber die sächsische CDU nicht. Man macht in vielen Dingen so weiter wie bisher. Das will aber die Bevölkerung nicht. Und weil die anderen Parteien in Sachsen viel zu lieb sind, wird es wohl zum Showdown zwischen der CDU und der AFD kommen, wenn die Landtagswahlen stattfinden. Da können Dulig (SPD) und Zastrow (FDP) noch so sehr den Haushalt sauber haben. Es interessiert einfach nicht.

Es wirkt hier tatsächlich so, als gäbe es nur noch CDU oder AFD. Das macht das Bundesland kaputt. Und das wird zum echten Standortnachteil. Wer nun schon mit der Landesregierung (CDU und SPD) nicht einverstanden ist und mit Grünen, Linken und FDP nichts anfangen kann, muss dennoch keine AFD wählen. Man hat auch noch ein paar Optionen mehr. Aber Alternativen gibt es sehr wohl.

Zeit zu handeln

Nach 1000 Worten komme ich zum zweiten Teil der Überschrift. Aber es ist wirklich Zeit zum Handeln. Ich wies schon einmal darauf hin, dass man gern darauf hinweisen sollte, dass der Osten bunt bleibt und es auch „das andere Sachsen“ gibt. Viel hat es nicht genützt. Das liegt daran, weil so viele Weltverbesserer mit erhobenem Zeigefinger diese Idee proklamieren. Wer mich kennt, weiß aber, dass ich da nicht dazu gehöre.

Ich sehe es aber auch nicht ein, aus mir einen Rechtsextremen machen zu lassen. Die AFD finde ich abscheulich, und ich mache mich auch nicht mit hetzerischen Äußerungen gemein. Aber wie bekommt man es denn hin, dass Sachsen kein Hort des Rechtsextremismus ist, ohne dass man mit Flüstertüte und erhobenem Finger durch die Gegend eiert? Das ist die große Preisfrage. Und ich habe noch nie einen Preis gewonnen.

Ich habe versucht, auf das positive Sachsen aufmerksam zu machen. Interessiert hatte es niemanden. Bei der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen könnte es ein böses Erwachen geben für jeden, der nicht so richtig mitbekommt, wie gefährlich die AFD werden kann. Das muss verhindert werden. Ich habe kein Rezept dafür. Ich weiß halt nur, dass wir Sachsen nicht in die Binsen gehen lassen dürfen.

Klar ist die AFD eine demokratische Partei, sonst dürfte sie nicht bei Wahlen antreten. Sie ist es aber auch nicht, da ihre Vorhaben bei einer womöglichen Regierungsbeteiligung etliche Bürgerrechte abschaffen würden. Und deshalb muss ein weiterer Zuspruch für diese extreme Partei unbedingt verhindert werden. Und hier ist unbedingt Zeit zu handeln. Sonst wird Sachsen ein „Failed State“.

2 Replies to “Landtagswahl in Sachsen: Zeit zu handeln”

  1. Man kann nur immer wieder vor der AfD warnen.

    Allerdings sollten die Politiker der „alten“ Parteien mal langsam bewegen und aktiv werden. Immer nur sagen ich bin dagegen aber nicht aufzuzeigen wofür sie denn sind und sich vor allem stark machen wollen, reicht eben nicht aus. Und es darf auch nicht beim Wollen bleiben, es muss dringend gehandelt werden. Siehe Lausitz, siehe Ostsachsen, Mittelsachsen, die ländlichen abgehängten Gebiete.
    Politiker müssen Visionen haben, die sie ihren Wählern erklären müssen und sich so Unterstützung holen. Immer nur der aktuellen Tagespolitik hinterherzuhecheln und dankbar über jedes Stöckchen der AfD zu springen reicht einfach nicht

  2. Dieser Blogbeitrag reiht sich ein in dem massiven Strom der Meinungs- und Gesinnungsflut. Am besten wird diese Flut mit dem Prinzip der NPCs (Non-player character) aus den USA beschrieben.

    Die Sachsen sind es und waren schon immer ein Problem, das wusste schon Karl der Große, oder die Nationalsozialisten – die den Sachsen ihre Sprache verboten -, oder die SED, die mit Dresden und Leipzig 1989 ja auch Recht bekamen. Und heute macht Dunkeldeutschland schon wieder Ärger.

    Wer aber mal kurz den bangen Beobachtungsblick von „Rechts“ abwendet, könnte vielleicht eine andere Gefahr erkennen. Peter Sloterdijk aus „Zorn und Zeit“ 2006 (weit vor der AfD):

    „Dass sich der linke Faschismus als Kommunismus zu präsentieren beliebte, war eine Falle für Moralisten. Mao Tse-tung war nie etwas anderes als ein linksfaschistischer chinesischer Nationalist, der anfangs den Jargon der Moskauer Internationale pflegte. Gegen Maos fröhlichen Exterminismus gehalten, erscheint Hitler wie ein rachitischer Briefträger. Doch man scheut noch immer den Vergleich der Monstren. Das massivste ideologische Manöver des Jahrhunderts bestand ja darin, dass der linke Faschismus nach 1945 den rechten lauthals anklagte, um ja als dessen Opponent zu gelten. In Wahrheit ging es immer nur um Selbstamnestie. Je mehr die Unverzeihlichkeit der Untaten von rechts exponiert wurde, desto mehr verschwanden die der Linken aus der Sichtlinie.“

    Oder Politikwissenschaftler und Publizist Klaus Hornung im Jahre 2000 (weit vor der AfD):

    „Die (extreme) Linke war schon immer Meister im Besetzen der Begriffe und damit der Köpfe – beginnend mit Marx und Lenin. Der rot-grüne Block in Deutschland und seine willigen Helfer in den Medien haben diese Tradition seit Jahren erfolgreich fortgesetzt. Es ist ihnen gelungen, den eigenen politischen Standpunkt und Willen als den allein „demokratischen“ auszugeben und die Gegner mit den Begriffs-Keulen ‚Faschismus‘, ‚Rassismus‘, ‚Fremdenfeindlichkeit‘ etc. zu belegen und damit a priori aus dem politischen Diskurs auszuschalten. […] Der Linksfaschismus marschiert im Gewand der antifaschistischen Demokratie.“

    Jetzt aber schnell wieder nach Rechts schauen und natürlich auch nach Sachsen – man weiß ja, wer ständig Probleme bereitet.

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