Liebe Anonymous, Urhebern mit einem Pranger zu kommen, ist grober Unfug

In der Urheberrechtsdebatte wird man immer größeren Peinlichkeiten gewärtig. Mittlerweile kommt mir vieles davon nur noch als Kindergarten vor. Da gibt es Brandreden, Wutausbrüche, Offene Briefe und so weiter und so fort. Und immer wieder kommt es zu Kampagnen. Und da wird es lächerlich. Wenn es nicht so bösartig wäre, könnte man sogar darüber lachen.

Es gibt allerlei Urheber, die sich Sorge um ihr künftiges Auskommen machen. Man erinnert sich sehr gut an den interviewten Wutausbruch von Sven Regener, der sich vorkam, als würde ihm ins Gesicht uriniert werden. Man erinnert sich auch an den Offenen Brief der Tatort-Autoren und allerlei Beiträge in Nachrichtenmagazinen und auf Nachrichtenportalen.

Ich kann die Herrschaften Urheber ja verstehen. In gewisser Weise ist man als Blogger auch einer, ein Urheber. Aber: Schießt man mit solchen Brandreden und überdimensionierten Veröffentlichungen nicht gewaltig über das gesteckte Ziel hinaus? Ich finde es gut und richtig, dass über das Urheberrecht, so wie es derzeit besteht, gestritten und diskutiert wird. Aber die Herrschaften Urheber, die eine eigene Kampagne am Laufen haben, schießen hier teilweise mit Kanonen auf Spatzen.

Zeitweise kommt mir das Rauschen aus der Urheber-Ecke so vor, als würde erst einmal jeder Nutzer von Werken der Urheber als potentieller Kostenlosnutzer, als Filesharer, als Urheberrechtsverletzer bezeichnet. Und selbst wenn man dem Autor dann das eigene Exemplar eines Buches von ihm unter die Nase hält, wird man als Mal-wieder-irgendwo-ausgeliehen-Nutzer bezeichnet. So, lieber Werkerschaffer, lieber Urheber, kann man nicht mit den Nutzern umgehen. Ausdünstungen von manch einem von euch könnten dann dazu führen, dass…

  • das Buch eben nicht mehr verliehen wird, um dem Leihenden auf die Qualität des Autors aufmerksam zu machen, damit der Leihende eventuell das kommende Buch kauft
  • eben keiner mehr zu Youtube schaut, ob die Band xyz ein neues Album veröffentlicht, woraus schon das eine oder andere Hörbeispiel zu vernehmen ist
  • der Blogger xyz eben keine Filmrezension über den neuen Film von Filmemacher(in) ABC verfasst, um ggf. mehr Zuschauer ins Kino zu locken

Es ist unbestritten, dass es jede Menge Leute gibt, denen das Urheberrecht völlig egal ist, und das mit allen Konsequenzen. Aber der Großteil der Nutzer von Material von Urhebern hat dieses Material auf irgendeine Weise erworben. Wenn von dem Erwerb der eigentliche Urheber nicht genug bekommt, sollte sich dann der Urheber eher fragen, was er bei den Verhandlungen mit seiner Verwertungsfirma falsch gemacht hat.

Dies alles sollte man sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Möglicherweise spielen auch solche Gedanken eine Rolle, wenn man dann sieht, wie wenig Akzeptanz das derzeitige Urheberrecht hat. Es ist vielmehr zu einem Verwerterbegünstigungsgesetz mutiert. Und so kommen wir nicht weiter.

Es bringt aber auch niemanden weiter, sich hinter dicken Mauern zu verschanzen und immer weiter zu bomben. Die Urheber machen dies, indem sie einfach eine Kampagne “Wir sind die Urheber” aus der Taufe heben. Die Gegner – also Anonymous – machen dies, indem es die Kampagne “Wir sind die Filesharer” gibt.

Wie gesagt, ich kann die Intention der Urheber durchaus nachvollziehen. Wenn aber auf der Webseite folgendes Zitat geschrieben steht, dann frage ich mich, ob man sich nicht etwa vom Regen in die Traufe begibt:

Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen.

Das Urheberrecht soll gegen eine feudale Abhängigkeit eingeführt worden sein. Mag sein. Aber die Urheber haben sich in eine neue Abhängigkeit begeben – nicht feudal, dafür wirtschaftlich. Dass sich dies bei weiterer Zementierung der Urheber-und-Verwerterfront negativ für den Konsumenten auswirken könnte, ist eine der größten Befürchtungen eben jener, der Konsumenten. Dann nämlich wird Kunst und Kultur wieder ein Luxusgut und wir haben die feudale Abhängigkeit zurück.

Aber so wie Anonymous argumentiert, so kann es nicht gehen. Ich unterlasse jegliches Zitat von der Webseite. Es ist zu großer Unfug, der da getrieben wird. Und so etwas erhält keinen Link von mir. Jedenfalls sollte klar sein, dass die so genannten Filesharer gegen geltendes Recht verstoßen. Und das kann man nicht gutheißen.

Sicher, es wird niemanden geben, der nicht schonmal etwas ohne Bezahlung heruntergeladen hat. Trotzdem sollte man sich davor hüten, in den Singsang einzustimmen, der davon redet, das Urheberrecht abschaffen zu wollen. Solche Beiträge sind völlig substanzlos und laufen tatsächlich unter grobem Unfug.

Denn wer wird wohl noch Werke schaffen, wenn er nichts dafür bekommt? Richtig, niemand. Mit einem solchen Kindergarten wie bei “Wir sind die Filesharer” kommt man keinen Schritt weiter. Das Einzige, was passieren wird, ist: Die sowieso verhärteten Fronten werden komplett zementiert. Und das kann nicht das Ziel sein.

Man kommt sich als Konsument ja schon ein wenig so vor, als ist man in einem abscheulichen Guerilla-Krieg zwischen die Fronten geraten. Anonymous haben Daten von Urhebern veröffentlicht. Autoren werden einfach mal so bloßgestellt. Urheber werden auch einfach mal so bedroht. Das ist kein Umgang mit Werkschaffenden. Und eben andersherum wird erst einmal jeder Konsument als potentieller Filesharer hingestellt. Das ist auch nicht fair.

Man kann zusammenfassen: Zwei Gruppen von Holzköpfen und Dickköpfen treffen hier aufeinander. Vielleicht solltet ihr euch – Urheber und Filesharer – einfach mal kasernieren lassen. In einem Guerilla-Krieg ähnelnden Aktionen könnt ihr dann übereinander herfallen. So lang, wie hier unreif aufeinander losgeschossen wird, sollten sich alle anderen heraushalten. Das Ergebnis weiß ich jedenfalls schon: Das Urheberrecht wird zementiert werden. Es wird am Ende sowohl für Urheber als auch für Konsumenten nicht das ergeben, was eigentlich gewünscht war. Die Nutznießer werden die Verwertungsgesellschaften und die Industrie sein.

Wenn ihr das so wollt, bitteschön.

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