Urheberrechtsreform: Schon mal davon gehört?

In Europa steht eine ziemlich groß angelegte Urheberrechtsreform an. Wir haben uns ja schon zu Artikel 11 und vor allem Artikel 13 unterhalten. Und nun soll das Europäische Parlament darüber abstimmen. Ende März, hieß es neulich. Dann war aber plötzlich alles anders. Aber haben Sie davon mal in der Tagesschau oder beim ZDF heute gehört? Nein? Glückwunsch.

Was soll das mit der Urheberrechtsreform?

Wir sind uns alle einig, dass es zu einer Urheberrechtsreform kommen muss. Die rechtlichen Rahmenbedingungen von vor unzähligen Jahren sind eben nicht mehr zeitgemäß. Das habe ich immer wieder hier im Blog ausgeführt. Deshalb ist es gut und richtig, dass man sich ernsthaft damit beschäftigt und auch etwas ändern will.

Aber wie das immer so ist: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So ist auch bei der anstehenden Urheberrechtsreform auf europäischer Ebene nicht so richtig eitel Sonnenschein. Bevorzugt werden Lobby-Verbände, geschädigt oder eingeschränkt werden Nutzer, Kunden, kleine Anbieter. Und über diese Schieflage will offenbar niemand der verantwortenden Politiker reden.

Aber ich habe doch noch gar nichts davon gehört…

Wie mir ergeht es Ihnen vielleicht auch. Man schaut sich die abendliche Tagesschau an. Die um 20 Uhr. Das ist die wohl wichtigste Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. Obwohl diese ominöse Urheberrechtsreform alle möglichen Urheber und alle Anwender und Kunden betrifft, verliert diese Sendung seit Wochen kein Wort darüber.

Sie haben vielleicht am Rande davon gehört, dass es unzählige Proteste gegen diese Erneuerung der Richtlinie gibt. Diese sind auch berechtigt, wie ich hier im Blog immer wieder ausgeführt habe. Aber da Sie davon nichts in den Nachrichten erfahren haben, denken Sie vielleicht, dass es sich um ein paar verstreute Pizza-fressende Nerds handelt, die weiter die Urheber beklauen wollen.

Das wollen sie ja gar nicht. Vielmehr soll es ein zeitgemäßes Urheberrecht geben, das nicht nur einigen wenigen Unternehmen dient, sondern der großen, breiten Masse. Darüber hätte man reden können, wenn man schon wichtige Nachrichten präsentiert. Die Tagesschau ist da nicht die einzige Sendung, die ZDF-Sendung „heute“ ist da nicht anders.

Na klar berichten die Öffentlich-Rechtlichen Sender über die Urheberrechtsreform. Bei „heute+“ mitten in der Nacht, zum Beispiel. Oder irgendwann im Nachmittagsprogramm auf der ARD. Aber dann, wenn das größte Publikum dabei ist, verlieren beide Sendungen kein Wort darüber. Wieso machen die das so?

Die im Europäischen Parlament werden es schon richten…

„Die EU-Politiker werden sich schon was dabei gedacht haben. Und schließlich haben die ja auch noch Zeit, sich das richtig zu überlegen“. So ungefähr denkt man vielleicht hier und da über die Angelegenheit. Und dann kommt der EU-Politiker Manfred Weber von der CSU um die Ecke und macht ganz komischen Quatsch.

Ursprünglich sollten die Parlamentarier am 25. März über die Urheberrechtsreform befinden. Allerdings waren für den 23. März großflächige Proteste angekündigt. Was machte Manfred Weber? Der wollte am liebsten die Abstimmung vorziehen. „Es gibt Proteste, die sind uns aber ziemlich egal“, könnte der gedacht haben.

Ach, davon haben Sie auch nichts gewusst? Ihnen war nicht bekannt, dass der Wille der Völker der Europäischen Union den Politikern völlig egal ist? Glückwunsch, auch Google News hat dazu keinen Artikel. Komisch, oder? Aber wenigstens weiß die Wikipedia von de Entwicklungen.

Mit anderen Worten: Ob es nun die Parlamentarier Axel Voss und Manfred Weber sind oder das gesamte Europäische Parlament, es geht nicht an, dass sie sich über gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse hinweg setzen. Die Parlamentarier werden es also nicht richten, die Völker müssen es ihnen beibringen.

Die Urheberrechtsreform ist gefährlich

Ich bin ja selbst Autor und genau genommen auch Verleger. Urheber also. Ich müsste doch eigentlich wie der Produzent der Band „Die Ärzte“ über die Urheberrechtsreform jubeln. Da diese aber höchst gefährlich ist, kann man dieses Pamphlet nicht bejubeln. Was als Lobpreisung verkündet wird, ist in Wahrheit ein Angriff auf die freie Kultur des Internets.

Gerade jener Artikel 13, um den sich so viele Diskussionen ranken, hat es in sich. Das ist der berühmt gewordene Upload-Filter. Nein, der wird nicht so genannt, aber technisch ist nichts anderes als so ein Filter praktikabel. Und nein, nicht jede Webseite / Plattform, muss den einführen, nur diejenigen, die…

  • länger als drei Jahre bestehen
  • einen Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro erwirtschaften
  • mehr als fünf Millionen Besucher monatlich haben

Das Blöde ist, dass alle drei Punkte ausgeschlossen sein müssen, um keinen Upload-Filter einbauen zu müssen. Bei mir wäre es der erste Punkt, der bei mir greift: Mein Blog wird im April 10 Jahre alt. Und für mich ist so ein technischer Krampf einfach nicht zu stemmen. Wie soll ich das auch machen? Und wie soll ich das bezahlen?

Darüber muss man berichten. In den Hauptnachrichten. Denn es könnte ja sein, dass dadurch viele kleine Publikationen sterben. Man darf nicht nur große Verlage und Rechteverwerter anhören und sich auf sie beziehen. Es geht auch um den kleinen YouTuber, Blogger, Instagram-Nutzer. Und deshalb ist die Reform enorm gefährlich.

Man könnte ja den Upload-Filter auch missbrauchen

Wenn man denn einmal dabei ist, solche Filter-Mechanismen in der Urheberrechtsreform durchzudrücken, dann kann man doch gleich weitermachen. Wieso sollte man nicht einfach mit der Zeit alle möglichen Begehrlichkeiten befriedigen, die mit Technologie wachsen? Und sagen Sie jetzt nicht, dass das nicht passieren wird.

Was ist mit den Maut-Scannern? Die können problemlos zur Fahndung nach Verbrechern und Terroristen benutzt werden. Ach, und ganz nebenbei können wir damit auch Bewegungsprofile erstellen. Nicht, dass das Google, Facebook und Co. nicht machen. Aber staatlicherseits? Und so etwas könnte auch mit den Upload-Filtern passieren.

Wieso sollte man die nicht umfunktionieren können, um unliebsame Wort-, Bild- und Film-Meldungen zu unterbinden? Und wenn, warum macht man es dann nicht gleich auf Provider-Ebene? Vielleicht denken wir nur einfach mal kurz darüber nach, welche Möglichkeiten sich ergeben.

Die Welt braucht ein freies Internet

Letztlich kann so etwas, was als Upload-Filter eingeführt wird, über kurz oder lang zu einem Social Score führen. Da gibt es in China mit WeChat. Dort ist es manchen Menschen, die beim Staat aufgrund von Meldungen in Ungnade gefallen sind, nicht erlaubt zu fliegen. Oder sie bekommen schlechter Kredite.

Letzten Endes ist ein freies Internet ein elementarer Bestandteil einer Demokratie. Wird dies durch diese Urheberrechtsreform beschnitten, ist dies ein Angriff auf die Demokratie. Nicht der Islamische Staat wäre das dann, sondern die Volksvertreter in Brüssel. Aber seit wann vertreten Volksvertreter eigentlich das Volk, das sie gewählt hat?

Das Urheberrecht muss reformiert werden. Aber nicht zu Gunsten von wenigen und zu Lasten von vielen. Insofern wird diese Novelle die Freiheit von allen in der EU beschränken. Und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

7 Replies to “Urheberrechtsreform: Schon mal davon gehört?”

  1. > Das Blöde ist, dass alle drei Punkte ausgeschlossen sein müssen, um keinen Upload-Filter einbauen zu müssen.
    Sicher? Echt jetzt? Alle 3?
    Also wenn irgendein Blog oder sowas > 3 Jahre besteht, muss es so einen Scheiss Filter installieren? Auch wenn man nur 5 Besucher im Monat hat und 0,- Umsatz???

  2. Nein muss ein „normales“ Blog nicht… und auch kein privat betriebenes Forum oder eine der neuen, nicht-kommerziellen Plattformen… und ich bin recht sicher, dass auch dieses Blog hier nicht betroffen ist, es sei denn (und ich hätte es nicht bemerkt), dass hier im Kommentarbereich „große Mengen urheberrechtlich geschützter Inhalte“ durch die Besucher des Blogs hochgeladen würden und der Betreiber die zulassen würde, um genau DAMIT Geld zu verdienen.

    In Artikel 2 Nr. 5 der Direktive ist legaldefiniert, wen die Pflicht betrifft… und das zielt ganz klar auf die „Giganten“ (YouTube, Instagram, Facebook, Twitter), die genau solchen Content nicht aus Nächstenliebe erlauben und zugänglich machen, sondern um kräftig daran zu verdienen (meist mittelbar).

    Trotzdem lehne ich entschieden ab, dass hier eine Filterpflicht eingeführt werden soll, denn das ist der Grundstein für echte Zensurmechanismen… gibt es die erstmal, ist der Schritt viel kleiner, dies auszudehnen, so dass es irgendwann auch andere trifft (und vielleicht auch andere „unliebsame“ Inhalte).

    1. Genau darüber sind sich die Gelehrten aber alles andere als einig. Sonst wäre der Aufschrei ja nicht so groß. Es wie bei der DSGVO. Da war auch lange Zeit nicht wirklich bekannt, in welchem Umfang was zu erfolgen hat. Ich würde mich zwar freuen, wenn mein popeliger Blog nicht filtern müsste. Aber ein Risiko bleibt halt. Und so lang das nicht geklärt ist und von den Entscheidern den Inhalt kaum jemand versteht, so lang kann doch niemand ernsthaft darüber abstimmen.

      Natürlich werden damit solchen Mechanismen wie der Zensur die Türen geöffnet. Viele haben das vielleicht als Verschwörungstheorie abgetan. Aber technisch ist das dann ja absolut kein Problem mehr. Und wenn es „nur“ deshalb wäre: Diese Reform ist eindeutig abzulehnen.

      1. Gehöre ja auch irgendwie zu den „Gelehrten“ ;-) … und der Aufschrei liegt ja in der Sache an sich begründet… nämlich dass hier das Urheberrecht durch vollkommen bekloppte Mechanismen, die auch noch die Gefahr einer weitergehenden Zensur begründen, durchgesetzt werden soll, was schon so zu erheblichen Einschränkungen der Freiheit der Nutzer führen wird. Das kann man als vernünftiger Mensch nur ablehnen.

        Sowas macht aufgebracht und man schreit:„Halt!“ Und in dieser Situation neigt man dazu, manche Details zu übersehen und die Sache schlimmer einzuschätzen, als sie letztlich ist. Das ging mir auch mal ne Weile so… bzw. ist mir auch schon passiert… im Bereich der Regulierung des E-Dampfens. Als mir dann aufgefallen ist, dass ich da überreagiere, habe ich mich dazu erzogen, mir solche rechtlichen Sachen mit mehr (zeitlich und persönlich) Abstand genau anzuschauen und auch meine Emotionen, so gut es geht, abzuschalten. Meist blieb dann noch genügend ärgerlicher Dreck übrig, aber manche Sachen, die (emotionsgetrieben) behauptet wurden, trafen dann doch nicht zu.

        Und was den Art. 13 anbelangt, wird da auch emotionsgetrieben einiges verbreitet, was nach meiner Rechtsauffassung eben nicht zutrifft. Art. 2 Nr. 5 ist gar nicht so schwammig formuliert. Das einzige, was letztlich Auslegungssache sein wird, ist der Begriff „große Mengen“. Das kann aber egal sein, denn die Zielrichtung, aus wirtschaftlichen Gründen geschützten Content durch Nutzer zuzulassen, ist sehr präzise und nimmt damit i. d. R. nicht-kommerzielle Blogs (also da den Kommentarbereich) und andere nicht-kommerzielle Plattformen echt aus.

        Davon abgesehen… wenn man User-Content zulässt, muss man ja eh und trotzdem darauf achten, dass da nix urheberrechtlich Geschütztes unerlaubt hochgeladen wird… nur ohne die in Art. 13 vorgeschriebenen Mechanismen… sondern so, wie bisher ja auch schon.

    2. Ihnen ist schon klar, dass Ihr Kommentar genug Schöpfungshöhe beinhaltet, um als urheberrechtlich geschütztes Werk zu gelten. Und nicht nur Ihrer, auch die anderen Kommentare sehen hier nicht wie „nur heisse Luft“ aus. Also alles „urheberrechtlich geschützte Werke“, für deren Upload das Forum da ist. Es müssen halt keine kommerziell verwertete Werke sein (diese Einschränkung scheint Herr Voss zwar bei vielen seiner Äusserungen im Kopf zu haben, im Text steht sie nicht. Obwohl vorgeschlagen)..

      Und damit ist auch dieses Blog in der Richtlinie und der Betreiber muss zukünftig von mir die Lizenz erwerben, mein Werk zu veröffentlichen. Und die Lizenz von allen Urhebern, die ich in meinem Kommentar zitiere. Und alle Werke filtern, die dies verlangen. Wird er das? Oder die Kommentar-Funktion abschalten?

  3. Also normale Blogs sind nicht betroffen – gut, dass wir nicht ganz normal sind ;-)
    Gut erklärt, PepeCyB, aber ich glaube auch nicht das nur die Giganten betroffen sein sollen. Und wenn, werden die es auf uns abwälzen uo. wieder einen neuen Verdienst daraus generieren.

    Meine größte Sorge ist aber das digitale Kleinhirn der „Filter“: Denn guckt mal, wie oft die Brüssler Brunnenfigur, die Venus von Willendorf wg. Porn gelöscht wurden.
    Und andererseits schaut man in 100ere Arschlöcher und Vorderteile die einen aus FB & Co entgegenhängen. Das ist ja wurscht, wenn die animieren Würste da tanzen.
    Aber wehe, einer lädt eine 250 Jahre alte Statue hoch (das Bild mein ich ;-)) die nix an hat – schon brandmarkt einen die „KI“ als PornDealer oder so.

    Oder YT: Wieviele geschützte Songs sind da oben? Millionen, Milliarden? Und dann willst die ersten Gitarrenübungen der Tochter hochladen, wo sie Happy von Pharrell Williams miträllert und BUMM! „Sie Verbrecher Sie, sie laden soeben geschützen Content … blabla“

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