Wir koalieren uns jetzt zu Tode

Es wird wohl wieder eine Große Koalition unter der Merkelraute geben. Das kann man gut oder schlecht finden. Es ist aber nicht zu ändern. Die mutmaßlich künftigen Koalitionäre aus CDU, CSU und SPD haben sich nun zusammengerauft und zu Ende sondiert. Heraus gekommen ist, dass man gern über eine neue Koalition verhandelt. Die kleinste aller Großen Koalitionen auf Bundesebene wird wohl eher weiter wursteln. Am Ende steht wohl ein „sozialdemokratischer Suizid“ und eine voran geschrittene Irrelevanz der Christdemokraten.

Was heißt denn „Große Koalition“ überhaupt?

Vom Begriff „Große Koalition“ spricht man, wenn die beiden mandatsstärksten Parteien ein Regierungsbündnis eingehen. Gemeinhin ist da die Rede von den Volksparteien. Es gab mal Zeiten, in denen die beiden deutschen Volksparteien eine richtig große Koalition stellten und quasi um die 80% aller Sitze im Parlament innehatten. Im aktuellen Bundestag haben die künftigen Koalitionäre noch 57% der Sitze. Von „groß“ kann da eigentlich nicht mehr die Rede sein. Dennoch wird man nicht müde, den Begriff „GroKo“ durchs Land zu tragen.

Große Koalitionen haben auch immer den Charme des Aussitzens. Dabei hätte doch gerade eine solche Konstellation die Möglichkeit, große Projekte anzugehen. Alle reden sich da den Mund fusselig und erwähnen beiläufig die Digitalisierung, die Nachhaltigkeit, die Bildung, die Rente, Familienpolitik und so weiter und so fort. Soll es dann konkret werden, werden die Großkoalitionäre immer dünnhäutig und wortkarg. Das ist ein ziemlich seltsames Verhalten. Denn eigentlich müssten sie sich gar nicht verstecken. Sie haben die meisten Sitze, sie bestimmen die Politik. Normalerweise.

Problematisch an Großen Koalitionen ist aber auch immer, dass die Ränder gestärkt werden. Und dann kann es mal zu richtigen Umwälzungen kommen. Niemand im Parlament wollte die AfD drin haben. Dabei halte ich das für völligen Quatsch. So lang sie demokratisch gewählt wird, hat sie auch ein Recht auf Sitze. Und letztlich muss das eine Demokratie aushalten können. In Österreich sind sie durch ihre Dauer-GroKo schon weiter und haben eine Mitte-Rechts-Regierung bekommen.

Zu Tode gelangweilt, aber „Weiter so“

Nach dem angeblich so erfolgreichen Abschluss der Sondierungsgespräche palaverten Politiker irgendwas davon, dass das ein „Aufbruch“ sei. Aber um das Ganze wirklich als so etwas zu bezeichnen, wäre es sinnvoll gewesen, sich wirklich mal aus der Deckung zu wagen und so etwas wie eine echte Bürgerversicherung zu beschließen. Stattdessen wirft man dem Volk das Leckerli der Parität bei der Krankenversicherung vor die Füße. Nein, das ist kein Aufbruch, das ist die gleiche Langweile-Show wie die letzten Jahre.

Man hätte eine klare Kante auffahren können, was die Europapolitik betrifft. Es heißt ja ständig „Europäische Gemeinschaft“. Die hätte man von anderen einfach auch mal knallhart einfordern können, will man schon Europa stärken, wie es Europa-Hansel Martin Schulz immer behauptet hat. Es wäre so viel drin gewesen, um wirklich etwas zu verändern. Diese Chance hat man vertan. So macht man eben „weiter so“ und wird sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, wenn es nicht so schlimm wie prophezeit kommt.

Eine Große Koalition hat die Möglichkeit, wirklich große Dinge zu bewegen. Oder sie sitzt sie einfach aus. Eine Große Koalition stärkt immer die Ränder. Dabei könnte sie jeden mitnehmen. Daran ist dem Konstrukt aber nicht gelegen, weshalb eine drohende erneute Bundestagswahl – spätestens 2021 – dafür sorgen könnte, dass die beiden Volksparteien endgültig marginalisiert sind und die Ränder die eigentliche Macht ausüben. Spätestens dann ist es vorbei mit dem „Weiter so“. Es könnte aber auch mit so vielem anderen vorbei sei. Wie mit der Demokratie und der Stabilität. Aber macht mal weiter. Koaliert euch zu Tode.

2 Replies to “Wir koalieren uns jetzt zu Tode”

  1. Die Große Koalition wurde abgewählt. Daher besteht die neue Regierung aus… der großen Koaltion.
    So kann sich eine politische Elite natürlich auch seiner demokratischen Wählerschaft entledigen.
    Sollte es in der Tat erneut zu einer GroKo kommen, so ist dies für die regierungspolitischen Funktionäre von CDU/CSU und SPD gewiss kein Selbstläufer, sondern eher das Streichholz an einem hochexplosiven Pulverfass.
    Denn durch die Bildung einer GroKo hat man zwar eine regierungsfähige Mehrheit, aber gewiss keine Mehrheit, die man als Regierung haben will.
    Das Ergebnis der AfD zur Bundestagswahl war Alarmsignal genug und würde bei Neuwahlen wohl noch höher ausfallen.
    Was bleibt also? Ne GroKo auf Biegen und Brechen.
    Doch, wenn Koalitionen schon mit der Brechstange geschmiedet werden müssen, dann sollten die Koalitionspartner auch mit ähnlicher Entschlossenheit in die Legislaturperiode gehen. Wenn der Bürger nach Veränderungen ruft, darf es definitiv kein „Weiter so!“ geben.
    Ich hoffe, es wird auch von den richtigen Perosnen gehört.

    1. Hallo Matthias,

      jetzt komme ich endlich dazu, deinen ausführlichen Kommentar zu beantworten.

      Ich denke mittlerweile, dass die Zündschnur am Pulverfass entzündet wurde. Jetzt muss man es einfach mal beobachten, wie sich das weiter entwickelt. Kommt man noch zusammen oder nicht? Tritt jemand die Zündschnur aus oder nicht? Ich habe den Eindruck, dass die Sondierungsgespräche auf dem absolut kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht wurden. Zu mehr war man nicht bereit.

      Mir fehlt der Wille, eine echte Veränderung einzuleiten. Nur mit der Beteuerung „Deutschland geht es gut wie nie“ kommt man nicht mehr weiter. Das wurde den Griechen schon in der Antike zum Verhängnis.

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