Was habe ich den Kerl gemocht! Phillip Boa war immer anders, immer irgendwie schräg. Und er war nie völlig weg. Im Schnitt alle 2 – 3 Jahre gab es wieder irgendwas neues von ihm zu hören. Er, der alternde Avantgarde-Künstler, hatte in den Achtzigern und Neunzigern die Massen zum Toben gebracht durch Hymnen wie „This is Michael“, „Container Love“ oder „And then she kissed her“. Jetzt gibt es was neues von ihm auf die Ohren.
Ernst Ulrich Figgen – so heißt der Herr bürgerlich – ist mir seinen 51 Jahren tatsächlich etwas in die Jahre gekommen. So überrascht es nicht, dass er auch mal etwas nachdenklicher daher kommt. Irgendwann ist es eben auch bei ihm an der Zeit, eine Art Resümee zu ziehen. „Standing blinded on the Rooftops“ (Geblendet auf den Dächern stehen) aus dem neuen Album „Bleach House“ (Bleichhaus) ist so ein Beispiel dafür.
Er philosophiert darüber, dass es immer schon für alles mögliche zu spät war, auch als er noch jung war. Man könnte fast meinen, das Lied wäre eine Art Autobiografie. Und das Lied an sich ist überraschenderweise fast Pop-Musik. Ich habe Phillip Boa in den letzten Jahren aus den Augen verloren, sodass ich nicht sagen kann, ob das eine konsequente Weiterentwicklung ist. Aber im Vergleich zu früheren Werken klingt es dann doch sehr ruhig.
Ich finde „Standing blinded on the Rooftops“ sehr gelungen. Man muss sich daran gewöhnen, dass die blonde Sirene Pia Lund nicht mehr mit von der Partie ist. Aber das macht fast gar nichts. Denn es scheint, als erzählt der exzentrische Musiker, der als einer der bedeutendsten deutschen Musiker der letzten 30 Jahre gilt, über sich selbst. Da wäre eine andere Stimme als seine irgendwie fehl am Platz gewesen, finde ich.
Das Album „Bleach House“ erschien am 22. August und kann überall begutachtet und sicherlich auch gekauft werden. Aber dieser Artikel wäre nicht vollständig ohne eine Hörprobe. Bei Tape.TV gibt es das offizielle Video. Auf das Lied an sich bin ich durch die Klangwelt aufmerksam geworden.