48 Jahre „Child in Time“ von Deep Purple

„Deep Purple In Rock“ hieß 1970 das 4. Album der britischen Hard Rock Band Deep Purple. Auf diesem befindet sich mit „Child in Time“ eine der beeindruckendsten Nummern, die es je auf Tonträger geschafft haben. Ein Lied, dessen Text aus einer spontanen Laune heraus entstand, wurde zu einem Protestsong gegen den Krieg. Die anklagende Gesangsleistung von Ian Gillan ist bis heute unerreicht. Auch wenn das Alles nur Zufall war. „Child in Time“ wird 48 Jahre alt.

Sweet Child in Time…

Süßes Kind, mit der Zeit wirst du die Linie sehen. Die Linie, die gezogen wurde zwischen dem Guten und dem Bösen. Sieh dir den blinden Mann an, der auf die Welt schießt. Die Kugeln fliegen umher und fordern ihren Tribut. Wenn du böse gewesen wärst! Und, Gott, ich wette, das warst du. Und du wurdest nicht getroffen von dem umher fliegenden Blei. Du solltest lieber deine Augen schließen und dich verneigen und auf den Querschläger warten. Ich will dich singen hören.

Anmerkung zur Interpretation

Allein schon beim Titel des Liedes gibt es Verwirrung. Einerseits kann man den Titel durchaus als „Kind der Zeit“ interpretieren. Sinnvoller ist es aber, weil es eben auch zum restlichen Text passt, dass es ein „Du wirst schon sehen“ ist. Deshalb passt da besser „Kind, mit der Zeit…“. Ob das Lied tatsächlich so gedacht war, wie es letztlich beim Publikum ankam, lässt sich nicht mehr ermitteln. Aber die Aussage im Text ist nach dem Titel recht klar.

Die Mutter aller Protestlieder

„Child in Time“ ist quasi der Inbegriff der Protestlieder. Es gilt als musikalischer Protest gegen den Vietnamkrieg. Später wurde das Lied dann der Soundtrack der osteuropäischen Freiheits- und Widerstandsbewegung. Die Wirkung, die das zehnminütige Lamento erzielt, wird auch heute noch kaum verfehlt. Damit gilt das Lied als eins der einflussreichsten Lieder der Musikgeschichte.

Dabei war das Lied mehr eine spontane Eingebung. Und die hohen Schreie von Ian Gillan hatte er der Anekdote zufolge aufgrund des Liedes und mit Hilfe seiner engen Hose entdeckt. Laut Gillan macht dies dann „Child in Time“ überhaupt erst so groß. Das Lied war für ihn Alptraum und Segen zugleich. Und es ist für ihn ein Schock gewesen, über 20 Jahre später in Osteuropa „Child in Time“ als Hymne vorzufinden.

Das Lied ist geprägt von einer einfachen Orgel-Figur, dem leisen Strophengesang, dem lauten, hohen und fast kreischenden Wehklagen und einem rockigen Gemetzel aus Ritchie Blackmores Gitarre und John Lords Orgel. Dieses Lied ist Kunst. Nicht umsonst ist es eins der bekanntesten Stücke überhaupt, auch ohne dass es jemals Single war. Und „Child in Time“ wurde für die Ewigkeit gemacht und ist in Kriegszeiten immer wieder aktuell.

Das Lied

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Deep Purple-Child in Time
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7 Replies to “48 Jahre „Child in Time“ von Deep Purple”

  1. Also, „die Mutter aller Protestlieder“ ist wohl nur aus den Blick deiner jugendlichkeit so zu sehen. Das ist vielleicht eine Schwester oder gar Tochter.
    Außerdem haben wir den Titel wegen seiner Länge und des „schmusefaktors“ geliebt. Vom Text haben wir mit unseren „Tom und Peggy Englisch“ nichts verstanden.
    Mehr in den Bereich der Mutter kommt da vielleicht „sag mir wo die Blumen stehen“. Da könnte ich mich dann aufregen, wenn spätgeborene Werbefutzies das Lied, ohne den Text je bis zum Ende gehört zu haben, für Dehnerwerbung nutzen.
    Child in Time ist zum Glück zu lang für Werbung

    1. Hallo Klaus,

      ja, du hast ja Recht. Womöglich findet man noch viel ältere Protestlieder. Ich rege mich auch bei so einigen Liedern auf, die für die Werbung missbraucht werden. Wenn man es genau nimmt, wäre es bei dem, was sie sich so herausnehmen, gar kein Wunder, wenn irgendwann doch mal Ian Gillan zu Corega Tabs schreit.

    2. Du sprichst mir aus dem Herzen. Tom und Peggy kenne ich auch noch. Aber dieses und gerade DIESES Lied, Kustwerk aber mit Sicherheit diese Ballade ist leider wieder so aktuell wie in den letzten 40 Jahren nicht mehr. Aber Du und ich, wir müssen den Krieg der da droht nicht mehr bis zum Ende miterleben. Als alter Deep Purple-Fan habe ich mir, wie in der DDR nicht anders möglich den Text phonetisch „runtergehört“ und dann mithilfe eies Wörterbücher übersetzt und dann für mich gedeutet. Muß sagen, dieTexte von einem gewissen Robert Zimmermann sind schwieriger. Alles Gute Henning

  2. A propos „Mutter aller Protestlieder“. Wie wäre es mit „Masters of War“ von Bob Dylan von 1963. Oder „Universal Soldier“ von Donovan von 1964. „Where have all the flowers gone“ von Pete Seeger von 1955 wurde schon erwähnt, 1962 von Marlene Dietrich auf deutsch populär geworden, später von Joan Baez auch gesungen u.a. „Eve of Destruction“ wäre zu erwähnen. Und da gibt es z.B. „Mackie Messer“ von Bert Brecht und Kurt Weil, endlos gecovered als „Mack the Knife“.
    „Denn die einen sind im Dunkeln
    Und die andern sind im Licht.
    Und man siehet die im Lichte
    Die im Dunkeln sieht man nicht.“
    Protestsongs gibt es viele, sie reichen geschichtlich weit zurück. Auch die Arbeiterbewegung ab dem 19. Jahrhundert ist voll davon. Ein weites Feld. Woody Guthrie fällt mir noch ein.

  3. Na ja als Protestsong habe ich das damals nicht wahrgenommen, war halt eine geile Nummer. Anti- Kriegs- Songs würde ich wie bereits erwähnt eher bei “Where have all the flowers gone” und “Eve of Destruction”. Man darf nicht vergessen, Rocksongs waren damals generell Protestlieder. Die Songs der Rolling Stones, Who, Cream, Kings, Jimi Hendrixs und selbst der Beatles waren in ihrer Zeit alle revolutionär. So fühlten wir das damals auch und wurden wegen dieser „Hottentottenmusik“ von fast allen Älteren beschimpft. Der Mainstream war ein völlig anderer und Rockmusik kam in den Sendern so gut wie nicht vor. Daraus resultierte auch der Erfolg von Radio Luxemburg und den Piratensendern, die in der Nordsee rund um die Uhr die heißesten Songs spielten. Unvergessen ist mir dabei Radio Caroline. Der Film „Radio Rock Revolution“ gibt die Stimmung dieser Zeit sehr gut wieder. Ich hatte Glück, denn der amerikanische Soldatensender AFN spielte häufig Rock. So kam ich auch in den Genuss von Supremes, Marvin Gaye, Temptations, Otis Redding, James Brown und die vielen anderen Motown Künstler.

    1. Hallo Conrad und sorry, dass es etwas gedauert hat.

      Viele Rocksongs sind doch Protestlieder. Man erinnere sich nur an „Born in the USA“ von Springsteen. Und ja, revolutionär war Rock eigentlich auch immer. Haha, den Begriff „Hottentottenmusik“ kenne ich auch. Mein Vater nannte alles, was nicht die typische Klassik-Musik war, genau so. Ich glaube, solche Sender, wie du sie genannt hast, gibt es gar nicht mehr so großartig. Aber dafür haben wir ja das Internet.

  4. Ich habe „Child in Time“ tatsächlich immer so verstanden, dass es um ein „Kind dieser Zeit“ geht. Ein Kind, das in diese Zeit „geworfen“ wurde, wie der Existenzialismus sagen würde. Die Interpretation „du wirst schon sehen“ habe ich nicht, auch weil ich „you’ll see the line“ als eine poetische Form von „wirst du an der Front ankommen“ lese. In einem Live-Auftritt (https://www.youtube.com/watch?v=2tsUn2UreZc 8:48) singt Ian Gillan auch „the line that’s drawn between // the good of us and the bad of us“, also eine von anderen gezogene Trennung zwischen Menschen, die der Sänger mit „wir“ bezeichnet.

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