#LSR: Von Scheinargumenten, Zahnbürsten und Lügen

Also… Noch einmal zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Die Emotionen kochen ja mittlerweile immer weiter hoch. Ich möchte heute auf geschriebene Erzeugnisse hinweisen, die mir heute mal eben über den Weg gelaufen sind. Und zwar werde ich das nicht so machen, wie das böse, böse Google. Ich werde das tun, wie man es eben macht, wenn man sich mit seiner eigenen Webseite an der Diskussion beteiligt. Kann ja nichts schaden.

Der Schutz des geistigen Eigentums in der digitalen Welt ist für mich die größte kulturpolitische Herausforderung unserer Zeit.

Ist das nicht ein schöner Satz, den der Kulturstaatsminister Bernd Neumann formuliert hatte? Diesen Satz hat er Anfang März 2012 geäußert. Geliefert hat ihn die Webseite der Bundesregierung. Im weiteren Verlauf findet man Aussagen, dass sich Neumann als „Anwalt der Kreativen“ sieht und reitet wie ein Wilder auf dem Begriff „Geistiges Eigentum herum“. Und dann kommt zum Abschluss des verlinkten Artikels folgende Aussage. (Entschuldigung, dass ich diese Aussage zitiere.)

Presseverlage müssen ein eigenes rechtliches Fundament zur Durchsetzung ihrer Rechte im Internet haben. Es kann nicht sein, dass profitorientierte Anbieter gratis auf Inhalte zugreifen. Das Prinzip der Verwertungsgesellschaften muss auch hier greifen.

Also der profitorientierte Anbieter ist zweifelsohne Google. Wie sich Google angeblich in schamloser Art und Weise bedient, so wie es die Presseverlage gern darstellen, wird weiter unter geschildert. Jedenfalls muss man das jetzt regeln und eine Abgabe (Wollen wir sie Keesepfennig nennen?) einführen.

Der ehemalige Medienredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und nun freier Journalist und Herausgeber des BildBlog, Stefan Niggemeier, schreibt in seinem eigenen Blog, dass die Verlagshäuser mit nicht mehr als zwei Argumenten das Leistungsschutzrecht in die Welt reden. Eins davon ist ein „Rationales Scheinargument“, das andere ein „Emotionales Hilfsargument“.

Es geht grob gesagt um die Aussage von Neumann oben. So wie Google arbeitet, ist es also unzulässig. Und wenn nicht, ist es eben eine Gesetzeslücke, die zu schließen ist. Und so wie Google mit dem Verlinken auf Presseerzeugnisse Geld verdient, ist es ungerecht. Darum soll die Politik Mittel und Wege finden, den Verlagen ein Stück vom Google-Kuchen abzugeben. Das eigentliche Problem der Verlage schildert Stefan Niggemeier in folgendem Satz:

Keine Verfassungsgrundsätze, keine Rechtsprinzipien, nicht der Schutz des sogenannten »geistigen Eigentums«, sondern die schlichte Tatsache, dass zur Zeit im Internet das Betreiben einer Suchmaschine lukrativer ist als das Erstellen journalistischer Inhalte.

Nun ja, und dann wurde der Entwurf eben gestern verabschiedet. Und schon kommen Spaßmedien daher und betiteln Google als dreistes Unternehmen, das sich an der Leistung der armen Verlage bereichert. Es ist dann tatsächlich die Rede von „Konsorten“. Konsorten sind ja einerseits Mitglieder eines Konsortiums, andererseits Mittäter bei einer Straftat. Also ganz üble Zeitgenossen. Sowas wie die Heuschrecken, die ganze Konzerne dem Erdboden gleich gemacht haben.

Ich verlinke absichtlich nicht auf die Ergüsse des Menschen, der in dem Organ als „Gründungsintendant des Deutschlandradios“ geführt wird. Den Link finden Sie aber bei Stefan Niggemeier. Jedenfalls – das ist sicher vielen klar – kann man hier schon von Lüge reden. Wenn man genau hinsieht, könnte auch das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person Google Inc. verletzt worden sein. Ich bin kein Rechtsexperte, aber es hat in der Vergangenheit strafbewehrte Abmahnungen und Unterlassungsklagen für weit weniger gehagelt.

Was der Schreiberling in dem bei Stefan Niggemeier verlinkten Wortgeschwurbel da zusammengeschrieben hat, ist nicht fair. Und ob sich das Google bieten lässt, steht auf einem völlig anderen Blatt Papier. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass da noch eine Reaktion kommen könnte.

Alles in allem könnte man in jedem Fall mit Fug und Recht behaupten, dass die Verlage neidisch sind. Und das schreibt ein Verlag. Und zwar der in Berlin sitzende Tagesspiegel. Entschuldigung, aber das gehört einfach mal verlinkt. Frau Sauerbrey bringt nämlich ein wunderschönes Beispiel, wie absurd die Forderung von Axel Springer Verlag, WAZ-Gruppe und Co. ist:

Man stelle sich vor, das Unternehmen A stellt ein Produkt her, sagen wir, Zahnbürsten. Das Unternehmen B stellt die Zahnbürsten in seinem Schaufenster aus und leitet Kunden schnell und unkompliziert an A weiter. Unentgeltlich, denn das Interesse an Zahnbürsten ist so groß, dass Unternehmen B von der Werbung leben kann, die außerdem in dem Schaufenster zu sehen ist. Trotzdem ist A, der Hersteller, sauer. Er erwirkt, dass die Regierung Unternehmen B das Geschäft untersagt. Dafür, dass B die Zahnbürsten bewirbt und dem Hersteller Kunden zuleitet, soll es jetzt zahlen. Verrückt, oder?

In der Tat, das ist völlig verrückt. Das Beispiel zeigt noch besser die Unsinnigkeit der Forderung auf, als es die Beispiele „Taxifahrer soll der Kneipe Geld zahlen, dass er der Kneipe Gäste bringt“ und dergleichen je tun können.

Nun ja, zukünftig wird Frau Sauerbreys Aussteller Unternehmen B eben etwas anderes ausstellen. Vielleicht die Zahnbürsten von Unternehmen C. Was hat denn Unternehmen A dann gekonnt? Wenn nun also Google dafür zahlen soll, dass es auf die Verlage verlinkt, wird das wohl der Gigant zukünftig nicht mehr tun. Vielleicht verlinkt Google dann aber vermehrt auf Blogs?

Ich werde von Google ganz sicher kein Geld per Gesetz einfordern, dass mir der Gigant den einen oder anderen Besucher zu mir schickt. Man weiß ja nie, was dabei herauskommt. Dass die Verlage wegen der Verlinkung von einer „Kostenlosmentalität“ schreiben, verstehe, wer will. Wer hat denn mehr davon? Google oder die Verlage?

Thierry Chervel und Anja Seeliger vom Perlentaucher entlarven jedenfalls einen Kommentar in einer hessischen Tageszeitung als „leserverarschenden Zynismus“ und befürchten, dass es demnächst Zeit ist, einen Nachruf zu verfassen, der da heißt: „Das Internet war eine Episode der Freiheit“. Schließlich entlarven sie auch eine „fromme Lüge“ eines anderen Berliner Organs, wenn dieses behauptet, dass Suchmaschinen Zeitungstexte auf ihren Seiten veröffentlichen würden. Das tun sie nämlich nicht. Sie nennen die Überschrift des Artikels, den sie als Link darstellen, und die ersten Worte des jeweiligen Artikels. Und zwar nicht der aus der Zeitung, sondern der aus „Zeitung – Online“.

Also, liebe Medien: Verkauft eure Zahnbürsten – äh, Zeitungstexte – äh, Inhalte an wen ihr wollt. Wenn ihr nicht wollt, dass euch Google auflistet, ist es keine Schwierigkeit, das Ziel zu erreichen. Ihr wollt aber gelistet sein. Das ist euer Wunsch. Und für diesen Wunsch soll der, der euch diesen erfüllen soll, auch noch zahlen? Und was macht ihr als Gegenleistung?

 

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