Leipzig, oder: Wenn eine Großstadt platzt

Leipzig platzt aus allen Nähten. Und es wird noch weitergehen. Das haben die Leute auf dem Amt für Statistik in der Stadtverwaltung nun festgestellt. Was nach einer fürchterlich guten Nachricht klingt, hält auch den einen oder anderen Pferdefuß bereit, den man durchaus bei allem Freudentaumel mit im Auge behalten darf. Und das ist nicht mal böse gemeint.

Leipzig ist eine komische Stadt. Seit ungefähr 100 Jahren leben kontinuierlich mindestens eine halbe Million Menschen hier. In den Dreißiger Jahren waren es zeitweise sogar um die 700000. Das normalisierte sich dann bis zur Wende auf um die 550000. Danach ging es rapide abwärts um über 100000 Einwohnern. Seitdem geht es wieder stark aufwärts auf zuletzt knapp 580000.

Dabei sind die ganzen Eingemeindungen wohl schon rein gerechnet, die in den Neunzigern stattfanden. Mit denen wollte man verhindern, dass noch mehr Leute in den Speckgürtel ziehen. Damit erreichte man aber auch, dass Leipzig mutierte. Von der ehemals kompaktesten Großstadt Deutschlands zu einer der flächenmäßig größten Großstädte.

Aber die freien Flächen zwischen eingemeindeten Ortschaften und Industriegemeinden wurden nun auch mittlerweile zugebaut. Und die Stadt wächst weiter. Das macht sich bemerkbar in immer vollen öffentlichen Verkehrsmitteln und Dauerstau auf den Straßen. Spätestens 2018 wird die Marke von 600000 Einwohnern gefallen sein. Und man prognostiziert für Leipzig wieder alte Höchststände von 700000 und mehr.

Hier zieht aber der Wohnungsmarkt nicht mit. Abgesehen von den Verkehrsproblemen, ist es auch schwierig geworden, in Leipzig eine Bleibe zu finden. Will man den Kollaps der Stadt vermeiden, muss hier dringend eingegriffen werden. Ob es bei Bus und Bahn, bei der Infrastruktur für den Individualverkehr oder bei Immobilien ist, die Stadtverwaltung muss handeln.

Jetzt könnte man natürlich hergehen und die Zuwanderung dafür verantwortlich machen. Das ist natürlich ein sehr wichtiges Argument. Ohne Zuwanderung wären nicht 576000 in der Stadt, sondern nur 450000. 76000 Einwohner haben einen Migrationshintergrund, 50000 sind Ausländer. Die nun aber für den drohenden Kollaps verantwortlich zu machen, ist unsinnig.

Nein, Leipzig ist eine attraktive Stadt. Sicher auch für Unternehmen, die vielleicht nicht so viel für Gehälter pro Kopf ausgeben müssen wie anderswo, meinetwegen weiter westlich in Deutschland. Diese Rahmenbedingungen hat die Stadtverwaltung provoziert, indem Leiharbeit und all das billigend in Kauf genommen wurde. Und nun steht man vor dem Dilemma, eine funktionierende Wirtschaft und großen Zuzug zu haben, aber nichts in Sachen Infrastruktur und Wohnraum getan zu haben.

Hat man etwa gedacht, dass die Arbeitskräfte in Hotels unterkommen wollen, die in den Industriegebieten stehen würden? Man hat es schlicht versäumt, beizeiten die Bedingungen für bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und so ist das auch mit der Mietpreisbremse, die hier mal versucht wurde. Und so hat man Zuwachsraten, die an den Enden nicht zusammenpassen wollen. Und das kann nicht auf Dauer gut gehen, oder etwa doch?

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