Leipzigs Schlaglöcher und Tunnel – Vorboten der Oberbürgermeisterwahl

Leipzig erlebt ja bisher keinen wirklichen Winter. Da ist es um so erstaunlicher, dass man als Autofahrer trotzdem zum wagemutigen Slalomkurs genötigt ist. Aber das und vieles andere soll sich ja ungemein verbessern, wenn man den Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl Ende Januar glauben darf.

Auf Anregung eines Bekannten möchte ich einmal kurz die illustere Runde, die sich ums Leipziger Neue Rathaus schlägt, beleuchten. Ich hege hier keineswegs den Anspruch, eine vollständige Übersicht zu liefern. Ich möchte aber einen kleinen Einblick geben, was den Leipzigern bevorsteht oder gar droht.

Burkhard Jung – Oberbürgermeister – „Vielfältig, sozial, erfolgreich“

Er gibt sich gern als Macher, als Schaffer, als – nun ja – alles mögliche. Er hat eine Vision von Leipzig. Die nennt er auf seiner Webseite „Leipzig 2020“. Klingt irgendwie nach Agenda 2010 oder Stuttgart 21. Und so einen hatten wir schon einmal, seinen Vorgänger nämlich, Ex-Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee.

Seine Themen sollen für die kommenden 7 Jahre sein:

  • Nachhaltiges Wirtschaftswachstum: Leipzig soll nicht gesundgeschrumpft werden. Vielmehr soll es auf allen Bereichen nachhaltig wachsen. Dazu will er „zukunftsweisende Projekte“ durchsetzen. Gemeint sind hier wohl solche Sachen wie der überflüssige City-Tunnel oder der Ausbau des Lindenauer Hafens.
  • Soziales: Er möchte keine Zweiteilung der Stadt in Problem- und Nobelviertel. Er möchte gute Bildungsangebote und gute infrastrukturelle Rahmenbedingungen schaffen.
  • Kultur: Ja, er hat Recht, wenn er schreibt, dass Leipzig eine herausragende Kulturlandschaft bietet. Die möchte er erhalten und ausbauen.
  • Bürgerschaft: Er legt Wert darauf, dass Leipzig immer eine bürgerliche Stadt „ohne Obrigkeitshörigkeit“ war. Er schreibt etwas davon, das so klingt, als wolle er die Bürger Leipzigs mitnehmen. Allerdings passt das doch nicht so wirklich zum Visionär Jung. Er möchte aber die Bürger mit in die Stadtentwicklung einbeziehen. Ein hehres Ziel.
  • Internationalität: Ja, Leipzig ist eine weltoffene Stadt. Und er drängt auf eine Länderfusion. Irgendwo habe ich vom „Reich Mitteldeutschland“ gelesen. Und das macht mir ein Stückchen Angst.

Burkhard Jung ist ein Visionär. Aber seine Ziele und Ansichten wirken etwas abgehoben. Damit wird der Mann einfach nur teuer für Leipzig.

Horst Wawrzynski – Herausforderer Nr. 1 – „Leipzig. Besser. Machen“

Der ehemalige Leipziger Polizeipräsident tritt als angeblich größter Widersacher von Jung an. Er ist alles andere als unumstritten. Seine Thesen sind:

  • Bildung und Familie – In die Zukunft investieren: Er will Schulen und Kitas schneller sanieren lassen. Dazu will er gar eine Stabsstelle für Fördermittelabruf schaffen. Und er will freie Träger von Kitas besser unterstützen.
  • Wirtschaft – Ermöglichen statt blockieren: Er will ein direkt beim Oberbürgermeister angesiedeltes Unternehmeramt als zentrale Anlaufstelle für alle Verwaltungsverfahren schaffen. Und er will Leipziger Unternehmen bei Ausschreibungen stärker berücksichtigen.
  • Sicherheit – Agieren statt reagieren: Klingt wie Polizeistaat? Er steht für Präventionsmaßnahmen an Schulen. Er steht für stärkere Präsenz von Ordnungshütern.
  • Verkehr – Konzepte statt Experimente: Er schreibt offen von den Experimenten, die dem SPD-Oberbürgermeister vorgeworfen werden. Er schlägt konkrete Konzepte vor, da es neben vernünftigen Straßen eben auch an Konzepten mit Zukunft hapert.

Das kann man alles innerhalb seiner Positionen nachlesen. Am meisten stößt mir der drohende Polizeistaat übel auf. Eine pulsierende Stadt wie Leipzig braucht natürlich ein vernünftiges Ordnungssystem. Aber eine Rund-um-die-Uhr-Präsenz bringt die Stadt nicht weiter.

Barbara Höll – Die Linke aus dem Bundestag – „Barbara statt Burkhard – Substanz statt Show“

Sie bringt es schon mit ihrem Wahlspruch auf den Punkt, den die Leipziger am meisten kritisieren: Burkhard Jung wird viel zu viel Show vorgeworfen. Wie gesagt, er ist ein Visionär. Und als solcher muss er nicht auf das vorhandene Budget gucken. Aber Leipzig braucht etwas realistisches. Hölls Positionen sind dann entsprechend die folgenden:

  • Politischer und wirtschaftlicher Neuaufbruch: Der Schwung der Nachwendezeit hat deutlich nachgelassen. Missstände und Skandale werden bagatellisiert. Sie schreibt, dass sie Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Seriosität bringen will. Und sie will dabei die Interessen der verschiedenen Gruppierungen Leipzigs mitnehmen. Sie legt Wert auf Ressourcenschonung und Innovation und steht u.a. gegen die Ausbeutung anderer Kontinente.
  • Leipzig als Solidarstadt: Die Löhne sollen lebenssichernd durchgesetzt werden. Familien und alle Aspekte darum stärken. Dazu gehört für Sie natürlich auch der Oberbegriff Bildung. Sie möchte Ältere mir einbeziehen und das Leben von Behinderten erleichtern. Leider kommt der wichtigste Aspekt in einer Stadt wie Leipzig mit großem wirtschaftlichen Potential und hoher Arbeitslosigkeit etwas kurz: Sie möchte Wohnraum bezahlbar gestalten.
  • Wirtschaft: Anders als Jung möchte sie an kommunalen Unternehmen festhalten. Außerdem legt sie Wert auf den Mittelstand und auf die nachhaltige Wirtschaft. Sie empfindet die derzeitigen Bedingungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge als nicht fair und möchte dies dringend abändern.

Von Rot zu Dunkelrot möchte ich mir nicht wirklich vorstellen. Aber Barbara Höll hat Recht. Gezaubert wurde lang genug. Und das war für Leipzig vor allem teuer. Ich habe den Eindruck, als würde sie etwas sinnvoller mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgehen.

Felix Ekardt – Der grüne Forscher – „Kinder, Klima, Klein-Paris“

Zunächst einmal: Ich habe kein Foto gefunden, bei dem die Nutzung klar geklärt ist. Darum gibt es hier keins.

Er kritisiert in seinem Wahlprogramm die „Ganz Große Koalition aus SPD, CDU und Linkspartei“, die seit Jahren Leipzig regiert. Er schreibt so, als würde der Wahlkampf der drei vorgenannten Kandidaten eine einzige Show sein. Und das sind seine Positionen:

  • Klein-Paris: Er schreibt von der einmaligen Lebensqualität Leipzigs mit einer Mischung aus Auewald, Gründerzeithäusern und Gemütlichkeit, die ausgebaut werden sollte. Und er stellt sich konsequent gegen den Wildwuchs der Automobil-Industrie. Der rechnet er zu, u.a. Schulwege gefährlicher zu machen und der Lebensqualität zu schaden. Sein Hauptaugenmerk liegt demnach darauf, den Mittelstand und moderne Unternehmen und Dienstleistungen in Bereichen wie Energieeffizienz und Kreativwirtschaft zu fördern. Er will Leipzig für den Klimawandel als „größte soziale Katastrophe des 21. Jahrhunderts“ fit machen. Er will die Leipziger Wirtschaft und das Leipziger Leben wieder nach dem Vorbild der großen Gründerzeit im Einklang mit der Natur gestalten.
  • Kinder: Prof. Ekardt steht für die bedarfsgerechte und wohnungsnahe Ausstattung mit Kindertagesstätten, eine zentrale Kita-Platz-Vergabe für sämtliche Betreuungseinrichtungen, Schulsanierungen und Schulneubauten. Er will außerdem ändern, dass weiterhin rechtswidrig angemessene Unterkunftskosten für ALG-II-Empfänger/innen verweigert werden, wie es die Stadt eben tut. Er kritisiert die Luftschlösser von Jung, die da lauten: Musikviertel, Lindenauer Hafen und Stadtrandlagen, wo es kaum bezahlbaren Wohnraum und keine soziale Infrastruktur gibt.
  • Klima: Ekardt will den Klimaschutz vorantreiben. Er ist scheinbar der einzige Bewerber, der die Themen Effizienz und nachhaltige Mobilität zentral beleuchtet. Er schreibt, dass die ganzen Bilanzen, auf die sich andere Bewerber beziehen, schöngerechnet sind. Er möchte aus Leipzig eine lebenswerte Stadt mit einem gleichwertigem Mix aus ÖPNV, Fußverkehr und Fahrradverkehr machen. Die Stadtverwaltung soll außerdem auf einen Teil der Dienstwagen verzichten.

Er hat völlig Recht: die Allparteienkoalition, die seit der Wende über Leipzig tobt, gehört beendet. Und außerdem hat er auch Recht, wenn er die an sich sehr grüne Stadt möglichst sehr grün halten will. Weiter hat er Recht, was den Verkehr betrifft. Der ÖPNV wird quasi immer weiter zurückgefahren, was der Stadt nicht gut tut. Aber sein Vorhaben der Neugestaltung Leipzigs erscheint mir etwas sehr teuer.

René Hobusch – Der Buschenschafter – „Vorfahrt für Arbeitsplätze“

Ihn kenne ich persönlich. Er ist alles andere als einverstanden mit der Bundesführung seiner Partei, der FDP. Und seine Positionen habe ich auch persönlich mal gehört. Ich finde sie nicht verkehrt. Allerdings gibt es ein Aber. Seine Positionen:

  • Vorfahrt für Arbeitsplätze: Er will neue Jobs schaffen und dafür sorgen, dass es den Arbeitgebern gut geht. Er will den Gewerbesteuerhebesatz senken sowie Forschung und Entwicklung etablieren.
  • 20 Schulen bis 2020: er will lieber an anderer Stelle sparen, als dass zu wenig Kita- und Schulplätze vorhanden sind. Das  Amt für Jugend, Familie und Schule soll neu organisiert werden.
  • Verkehrswege verbessern: Er verspricht ein vernünftiges Straßen- und Wegenetz und für einen Verkehrsmix nach den wirklichen Gewohnheiten. Und er will den ÖPNV modernisieren und für die Nutzung Anreize schaffen.
  • Kommunalen Firmendschungel lichten: Er steht für den Abbau von Firmenbeteiligungen in Leipzig und im Ausland. Damit will er das unternehmerische Risiko für die Stadt reduzieren. Mit Verkaufserlösen will er Schulden abbauen und in Bildung investieren.
  • Transparenz von A bis Z: Er möchte alle Stadtdaten, die nicht dem Datenschutz unterliegen, den Bürgern öffentlich zugänglich machen. Er setzt zudem auf papierlose Verwaltung.
  • Weiteres: Er setzt außerdem auf einen Ausbau des Kulturangebots, auf eine solide Stadtentwicklung, auf Schuldenabbau sowie Touristen und Investoren.

Das sind alles sehr solide Ziele, die René Hobusch da verfolgt. Und er wäre ein klarer Kandidat für meine Stimme. Allerdings habe ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Denn René Hobusch ist Mitglied in der Studentenburschenschaft „Germania“, die sehr weit rechts im Gesinnungsspektrum angesiedelt ist. Er hat immer klar Stellung zu seiner Mitgliedschaft bezogen, und ich werde ihm auch nichts unterstellen. Es ist vielleicht nur ein kleiner Makel, wer weiß.

Dirk Feiertag – Der Rechtsanwalt – „Parteilos, unabhängig, bürgernah“

Der Volljurist Dirk Feiertag tritt als Parteiloser für das Neue Forum, die Wählervereinigung Leipzig, die Piraten und für etliche Leipziger an. Er gilt als chancenlos, weil relativ unbekannt. Aber er ist alles andere als das. Er hat nichts zu verlieren, darum sieht sein Programm wie folgt aus:

  • Transparenz und Bürgerbeteiligung: Piratengleich möchte er Kontrolle und Bürgerbeteiligung durch Liquid Democracy ersetzen. Er setzt auf einen Korruptionsbeauftragten und ein kostenloses Auskunftsrecht. Er will Ortschaftsräte und Gemeindebeiräte auf den Prüfstand stellen.
  • Verantwortung und Solidarität: Der Ausbau der Kitas und Schulen soll vorangetrieben werden, ein Internetportal zur Kita-Bedarfsprüfung soll kommen. Die Brandmarkung von Bedürftigen muss aufhören. Fort- und Weiterbildungen sollen über eine öffentliche Datenbank verteilt werden, über die Bürger auch Vorschläge einreichen können. Nicht zuletzt will er sozialen Wohnungsbau fördern, die Risikogrenze für Armut deutlich erhöhen und den Leistungskatalog des Leipzig-Passes überprüfen. Und er möchte den fahrscheinlosen Nahverkehr auf Umsetzung prüfen. Das heißt nicht, dass der ÖPNV kostenlos werden soll, er soll eben ohne „Schnipsel“ und damit quasi mit App und ähnlichem erfolgen.

Wie gesagt, Dirk Feiertag scheint recht chancenlos zu sein. Aber genau darin liegt seine Chance. Schade wäre es nur, wenn er gleich wieder in der Versenkung verschwinden würde.

Fazit

Meine persönliche Meinung ist, dass Burkhard Jung genug mit Leipzig experimentiert hat. Ein City-Tunnel ist so unnütz wie ein Kropf. Für ähnliche Experimente rollten schon die Köpfe von Ministerpräsidenten. Eine wirkliche Alternative scheint es mit Barbara Höll, René Hobusch und Dirk Feiertag zu geben. Alle drei tragen allerdings ein Aber mit sich herum: Höll mit dem Vorwurf, den Wahlkampf nur vorzugaukeln. Hobusch mit der Burschenschaft, die vielleicht nicht kriegsentscheidend ist. Und Feiertag macht seine Chancenlosigkeit zu schaffen. Ich denke eben nur, dass Leipzig mehr verdient hat als eine Stadtverwaltung, die einem Visionär oder einem Polizisten folgen muss.

One Reply to “Leipzigs Schlaglöcher und Tunnel – Vorboten der Oberbürgermeisterwahl”

  1. Ich wähle niemanden der blind die Infrastruktur verscherbelt – wobei hier kommen wir zu spät, Leipzig hat bereits seine HL-Komm Anteile bedingungslos verramscht ohne auf eine fristgerechte vollständige Breitbanderschließung des gesamten Stadtgebietes zu bestehen.

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