NSU, Döner-Morde und schlimmer Terror

Eins der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die zunächst als Döner-Morde bezeichnete schlimmen Terror-Aktionen des Nationalsozialistischen Untergrunds rund um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Sorgen wir doch einfach dafür, dass so etwas nie wieder passiert. Warum ich das Thema zu diesem Zeitpunkt aufgreife, so ohne Jahrestag oder besonderer Entwicklung? Der deutsch-österreichisch-schweizerische Sender 3sat brachte die Trilogie „Mitten in Deutschland: NSU“. Und darüber möchte ich gern schreiben.

Die Döner-Morde

Zwischen September 2000 und August 2001 kamen vier Menschen ums Leben, im Februar 2004 der nächste und noch vier Menschen im Zeitraum Juni 2005 bis April 2006. Die Toten waren bis auf ein Opfer (griechischer Herkunft) allesamt Menschen mit türkischen Wurzeln. 9 Tote. Und die einzigen Verbindungen zwischen ihnen waren die Tätigkeit als Händler, der Migrationshintergrund und die Waffe. Die Mordserie fand ohne erkennbaren Rhythmus statt, und von den Tätern fehlte lange Zeit jegliche Spur.

Der NSU bediente sich der Handlungsschemata des britischen rechtsextremen Netzwerks „Combat 18“. So hatte man peinlich darauf geachtet, keine Spuren oder Hinweise zu hinterlassen. Damit ermittelten die Behörden lange Zeit erst in die völlig falsche Richtung, weshalb es dann auch in den Medien zum Begriff der „Döner-Morde“ kam: Gab es Fehden unter den türkischen Händlern? Ehrenmorde? Beziehungstaten? Das Alles war lange Zeit das Ziel der Ermittlungen, bis sich der NSU selbst enttarnte.

War es Suizid?

In der Film-Trilogie war auch geschildert, wie Böhnhardt und Mundlos zu Tode kamen. Ich weiß ja auch noch, was dazu erzählt wurde. Sie sollen Suizid begangen haben. Und zwar in einem Wohnmobil, das in einem Wohngebiet stand. Allerdings brannte das Wohnmobil obskurerweise aus und wurde mit Unmengen an Löschwasser behandelt. Damit gab es keinerlei Spuren mehr. Außer der Waffe und zwei Kugeln. Also musste die Waffe nach dem zweiten Schuss nochmals durchgeladen worden sein. Wie sollte das gehen? War es wirklich Suizid?

Alle haben geschlampt. In der Nachwende-Zeit radikalisierten sich viele Menschen. Die einen gingen in die linksextreme Ecke, die anderen in die rechtsextreme Ecke. Zschäpe und Co. kommen aus der Punk-Szene. Allerdings interessierten sie sich nach und nach für die rechte Szene und waren fasziniert von Ausschreitungen wie die von Rostock-Lichtenhagen. Irgendwann gerieten sie ins Visier der Ermittlungsbehörden. Aber dort wurde – bewusst oder unbewusst – geschlampt.

Beweise gingen verloren, Akten wurden vernichtet, rechtsextreme Agitatoren wurden geschützt, Ermittler bewusst auf falsche Fährten geschickt und so weiter und so fort. So eben auch der angebliche Suizid. So ganz wurde das eben nie aufgeklärt. Und es gab V-Leute des Verfassungsschutzes innerhalb der extremen Rechten. Aus diesen Gründen wurde auch zum Teil unfassbar viel Geld in die Szene gepumpt. Die Behörden behinderten sich zudem gegenseitig. Und so war die NSU-Ermittlung das komplette Chaos.

Zur Film-Trilogie

„Mitten in Deutschland: NSU“ ist eine Film-Trilogie, die sich eingehend mit dem Nationalsozialistischen Untergrund beschäftigte. Ich muss ehrlich sagen, dass mich die drei Teile schwer beschäftigt haben. Das Doku-Drama (so heißt das Genre) stammt aus dem Jahr 2016. Und es beschäftigte sich damit, wie der NSU entstand und wie es zum ersten Mord kam („Die Täter – Heute ist nicht alle Tage“). Im zweiten Teil wurden die Opfer thematisiert, vor allem die Familie des ersten Opfers, Enver ?im?ek („Die Opfer – Vergesst mich nicht“). Und im dritten Teil wurde gezeigt, wie die Ermittlungsbehörden arbeiteten („Die Ermittler – Nur für den Dienstgebrauch“).

Festzuhalten ist, dass im ersten Teil der Werdegang von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gezeigt wurde und man auf die Entwicklung der Unterstützer Bezug nahm. Das Ganze passierte ohne Wertung, was ich ganz gut fand. Das brachte mich auf die Idee, dass praktisch jeder zum extremen Rechtsterroristen werden kann. Ich habe selbst in den Neunzigern Menschen gekannt, die erst schwarze Bomberjacke und rote Springerstiefel trugen und dann auf grüne Bomberjacke mit schwarzen Springerstiefeln wechselten. Hauptsache extrem, Hauptsache dagegen, Hauptsache Gewalt.

Das Ganze hinterließ bei mir ein sehr beklemmendes Gefühl. Und irgendwie ließ mich diese Trilogie komplett allein. Mir ist völlig unklar, wieso die Behörden so gehandelt haben, wie es im Film und auch tatsächlich in der Realität geschah. Wie konnte es so weit kommen? Ich habe auch keine Antwort darauf erhalten, wie so etwas verhindert werden kann. Und offenbar hat auch sonst niemand eine Antwort.

Außer den Döner-Morden

Die drei Schwerverbrecher waren ja noch für mehr Straftaten verantwortlich. Mundlos muss dabei der Denker gewesen sein, denn der war ja ein kluger Kopf. Aber wie Zschäpe und Böhnhardt war er ohne echten Job. Ich weiß schon: „Die Ausländer haben ihnen die Arbeit weggenommen“. Nein. A) gab es nicht viele Jobs. Und B) waren diese Leute gar nicht willens zu arbeiten. Stattdessen gab es jede Menge Straftaten.

Es gab neben den Döner-Morden Sprengstoff-Anschläge in Köln und Nürnberg. Die Ziele waren wieder Migranten. Es gab einen schlimmen Nagelbomben-Anschlag auf die Keupstraße im Kölner Stadtteil Mühlheim mit vielen türkischen Geschäften. Und es gab den Mord an der Bereitschaftspolizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Das Alles musste finanziert werden. Deshalb gab es an die 15 Raubüberfälle auf Bankfilialen. Vielleicht auch mehr.

Und so etwas feiert man nicht

Menschen mit so einer Biografie gab es natürlich auch in der DDR. Nur hatte man das Gefühl, dass die DDR-Behörden härter durchgriffen. Natürlich gab es damals auch Menschen, die einfach keine Lust aufs Arbeiten hatten. Die nannte man „arbeitsscheu“ und schloss sie quasi aus der Gesellschaft aus. Denn damit gefährdeten diese die öffentliche Ordnung. Und es wurde „asoziales Verhalten“ genannt. Nach der Wende bei all dem Chaos ließ man solche Menschen gewähren. Und die radikalisierten sich.

Aber ernsthaft: Solche Menschen – und was sie getan haben – feiert man nicht. Die wollten sich als „Herrenmenschen“ hinstellen, lagen aber selbst nur der Gesellschaft auf der Tasche. Und nach der Radikalisierung waren sie die Haustiere der Geheimdienste und wurden von ihnen und damit auch vom Staat durchgefüttert. Dennoch waren sie gegen den Staat. Sorry, das versteht kein Mensch. Und die Taten sind durch nichts wieder gut zu machen. So etwas feiert man nicht, man schaut, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann.

Der NSU ist in meinen Augen nach der RAF das größte Trauma seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Gesellschaft muss den Blick dafür schärfen, dass jegliche Art von Terrorismus keine Chance hat. Der NSU war ebenso Terrorismus wie der Islamische Staat. Das ist mein voller Ernst. Und wenn PEGIDA und Co. am Ende dafür verantwortlich waren, dass Asylunterkünfte brannten, dann ist das Terror, wie ihn der NSU veranstaltet hat. Die sind alle nicht besser als jene, die „Gott ist groß“ auf arabisch brüllen. Das darf einfach nicht passieren, und dafür sind wir alle verantwortlich.

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