Sächsisch unerwünscht? – Geht’s den Medien gut?

Nein, das wird kein populistischer Scheißdreck. Aber ich habe jetzt dieser Tage erfahren, dass in deutschen Serien Sächsisch unerwünscht sei. Ist das zu fassen? Man schmückt sich mit Serien wie „SOKO Leipzig“ oder „WAPO Elbe“ oder „In aller Freundschaft“ und so weiter und so fort. Und NIEMAND dort spricht auch nur ansatzweise sächsisch? Das naheliegendste, das ich mal dort gehört habe, war Anhaltinisch. Als Leipziger denkst du: Ausgerechnet Halle? Leute, darüber müssen wir reden.

Sächsisch unerwünscht in der Gesellschaft oder nur im Fernsehen?

Von Montag bis Donnerstag läuft im Bayrischen Fernsehen die Serie „Dahoam is Dahoam“, in der bis auf einige „Zug’roiste“ ausnahmslos alle bayrisch reden. Das mag sein, das Kaff, wo die Serie spielt, ist tiefste bayrische Provinz. Dass man dort eher weniger hochdeutsch redet: Geschenkt. Florian Martens aber würde sich die Zunge abbeißen, würde man ihn nötigen, in „Ein starkes Team“ nicht mehr als „Otto Garber“ zu berlinern, „wa“?

So ähnlich verhält sich das mit den regionalen Tatort-Teams. Es wird fränkisch, schwäbisch, Kölsch etc. geredet. In jeder noch so beschissenen Fernseh-Produktion wird regionaler Dialekt eingesetzt. Aber der hiesige Dialekt ist bis auf Martin Brambach als „Kriminalhauptkommissar Peter Schnabel“ im Dresdner Tatort oder Götz Schubert als „Butsch“ in „Wolfsland“ sehr unterrepräsentiert. Selbst in Sachsen geborene Rollen werden durch Menschen gespielt, die nicht mal ansatzweise sächseln.

Ist Sächsisch unerwünscht? Meine Frau erzählte mir neulich, dass sie in der Sendung „Volle Kanne“ von einer Hauptdarstellerin der Serie „WaPo Elbe“ gehört habe, Sächsisch sei von der Produktionsfirma nicht gewollt gewesen. Ernsthaft? Seid ihr bekloppt? Dann erzählt mir auch nicht, dass ihr alteingesessene Menschen in irgendwelchen Produktionen darstellen wollt. Wie bei „Wolfsland“ der Spurensicherer „Jakob Böhme“. Darsteller Jan Dose tut so, als spräche er Sächsisch. Als Berliner, haha!

Als geborener Sachse empfinde ich das Ganze als „Beschmuh“. Mir geht es nicht mal um die Hauptrollen. Außer wenn Melanie Maschke als „Ina Zimmermann“ in „SOKO Leipzig“ davon erzählt, sie sei in der Gegend, in der sie gerade ermitteln, als Kind schon herum geturnt, obwohl sie aus Lübeck kommt und mit feinstem Niederdeutsch aufgewachsen ist. Nein, mir geht es um die Oma, den Kioskbesitzer, das Kiez-Original. Die labern doch nicht hochdeutsch, sondern sie sächseln.

Warum Sächsisch unerwünscht ist, ist auch dem Sprachlern-System Babbel unklar. Denn es gab Zeiten, da galt Sächsisch als vorbildlich. Martin Luther hat die Bibelübersetzung auf Sächsisch vorgenommen. Und heute will den Dialekt – oder besser: den Regiolekt – niemand mehr haben? Wie kann das denn sein, dass Sächsisch unerwünscht ist? Wie viel haben denn gewisse Entwicklungen hierzulande beigetragen?

So geht sächsisch?

„Dr Saggse liebt das Reisen sehr. Nu nee, nich das in’n Gnochn“ – Jürgen Hart und seine Sachsenhymne „Sing, mei Sachse, sing“. Der hatte das Sächsische gelebt. Bis heute kennt man die Sachsen als „gemiedlisch“ und nennt sie nicht selten „Gaffee-Saggsn“. Und dann gucken wir auf Wahlergebnisse und Umfragen, und wir sehen die Ablehnung bis hin zum Hass, die es in Sachsen gibt. Ist vielleicht Sächsisch unerwünscht, weil manche Geisteshaltung nicht eben positiv ist?

In Sachsen griff es hart um sich, dass man argwöhnisch auf alles Fremde schaut. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich wurde so nicht erzogen, kann also nichts dazu beitragen. Aber man kommt nicht umhin, sich für sein Bundesland zu schämen. Die fehlende Resonanz auf meine damalige Blogparade, etwas positives über Sachsen zu erzählen, unterstreicht das auch noch. Aber am Ende ist das doch große Scheiße. So geht doch sächsisch nicht.

Die Filtertüte wurde hier erfunden, so wie auch die Zeitung, das Mundwasser, die Zahnpasta. Es ist also nicht alles schlecht an diesem Land. Ich werde ganz sicher nicht mein osterländisches Sächsisch (Also das, was in der Leipziger Tieflandsbucht gesprochen wird) ablegen. Meine Kunden, mit denen ich so im Support zu tun habe, sprechen ja auch ihre Mundart. Und mir kommt es nicht so vor, als sei bei ihnen Sächsisch unerwünscht.

Sächsisch hat ein schlechtes Image. Es hat nicht mal im eigenen Bundesland eine feste Lobby. Der Bayer betont so oft, wie schön bayrisch ist. Warum macht das der Sachse nicht? Wir sind doch so „fischelant“ (Das kommt von „vigilant“, was „aufmerksam“ bedeutet). Lassen wir uns doch die Butter nicht von der Bemme klauen. Und den Medien kann man eigentlich nur den Vogel zeigen. Besetzt lokale Typen mit regionalen Sprechern. Das kann doch nicht so schwer sein.

Haben wir keine anderen Probleme?

Jaja, ich weiß schon: Was ningelt der Uhle da einen drauflos? Es gibt drängendere Probleme!1!elf! Ja, das stimmt. Aber Sprache ist nun einmal identitätsstiftend. Vielleicht hilft es ja dabei, die Sachsen wieder „gemiedlisch“ zu machen. Denn das sind sie eigentlich. Ich kenne viele, sehr herzliche Menschen aus meinem Heimat-Bundesland. Naja, und wenn man das so weiterspinnt, können dann vielleicht auch Hass und Hetze und all der Scheiß bekämpft werden. Ja, ich träume, aber ich meine halt nur.

Wir lassen uns eben auch nicht „forhohnebibln“, also verarschen. Das haben „Das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ und „Dit is Bahlin“ während der gesamten DDR-Zeit gemacht. Das will hier niemand. Wenn dann jemand aus Rheinland-Pfalz zu mir am Telefon sagt, man müsse die Mauer wieder aufbauen und den Osten zuscheißen, empfinde ich das als tiefe Beleidigung. Vor allem, wenn er dann auf Pfälzisch versucht „Eiverbibbsch“ zu sagen.

Dass Sächsisch unerwünscht ist, haben sich die Sachsen vermutlich selbst zuzuschreiben. Sie werden aber keine Pinata sein, auf die man nach Lust und Laune drauf haut. Man darf die Sachsen ruhig wieder für voll nehmen. Und das fängt damit an, dass die Medien bei Filmproduktionen hier in Sachsen auch wieder Rollen in echtem Sächsisch sprechen lassen. So schlimm ist das ja nicht.

"Gonsonanden": Sächsisch-Kurs für Wessis | DER SPIEGEL
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Herz und Heimat auf der Zunge: Sächsisch | Mundart | MDR
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6 Replies to “Sächsisch unerwünscht? – Geht’s den Medien gut?”

  1. Hi Henning,
    es gibt nun mal Dialekte oder Aussprachen, die man mehr oder weniger mag. Wieso finde ich das schwyzerische irgendwie süss-doof aber das sächsische voll-doof? Daran ist sicher nur allein „Sachsen-Paule“ schuld. Wenn Du den nicht kennst, ist das nicht schlimm – der Herr war Darsteller in Körperflüssigkeitsvereteilungsstreifen aus den 80ern. Der war als darsteller nicht gut – brachte aber wenigstens seine Dreh-Parterinnen dazu sich zu fühlen wie der römische Legionär in „das Leben des Brian“ der krampfhaft versucht ein lachen zu unterdrücken um nicht in den Zirkus zu müssen. ich sag nur „Schwanschus Longusch“…
    Vielleicht haben auch Filme wie „Top Secret“ einen kleinen Anteil daran, dass man das sächsiche nicht so ernst nimmt. Geht mir als Ruhrpott-Kind aber auch so. Unsere herrlich lebendige Sprache bei denen Sätze immer mit einem „Hömma!“ anfagen und auch häufig enden und freundliche Fragen wie „Hömma! Hasse Lack gesoffen, oder wat?“, oder „Hömma! Hat deine Schaukel zu nah‘ an der Wand gestanden, oder wat?“ heutzutage politisch korrekt formuliert werden in der Form von ungefähr: „sind sie sicher, dass diese Antwort korrekt ist?“. Ja, kann man machen – aber ich mag das Ruhrpott-Deutsch. Und ich denke es ist ein gutes Stück Heimat und Urwüchsigkeit darin – genau wie im Säsischen. Doch das stirbt – leider gewollt – aus. Deshalb ein donnerndes „Glück auf!“

    Man liest sich, Hömma!
    P.

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