Die Türkei verbindet man mit Tee, Strand, Tanz, aber auch mit eine politischen Elite, bei der man berechtigte Zweifel haben darf. Und diese politische Elite hat gestern gnadenlos zugeschlagen, um den in Istanbul gelegenen Gezi-Park zu räumen.
Der Aufschrei bei Reportern, Politikern, Beobachtern und Leuten mit Verwandten in Istanbul war und ist riesig. Präsident Erdogan wird nun als alles, nur nicht als demokratischer Politiker hingestellt.
Der Stadtpark Gezi in der Istanbuler Kommune Beyo?lu ist seit einiger Zeit in aller Munde. Es handelt sich um eine großflächige Grünanlage, eine der letzten Istanbuls. Er grenzt direkt an den Taksim-Platz, derzeit auch in aller Munde. Und dieser Park soll nun einem Einkaufszentrum Platz machen, wie die türkische Regierung im Mai diesen Jahres beschloss.
Ende Mai kam es zu ersten Protesten gegen diesen Beschluss. Ich weiß noch, wie das Hashtag #Gezi durch die Twitter-Welt geisterte. Und seit Ende Mai wird der Taksim-Platz belagert. Inzwischen ist daraus eine große Protestbewegung entstanden. Und das Hashtag heißt inzwischen #OccupyGezi.
Präsident Erdogan hatte gestern verkündet, dass er notfalls ohne Rücksicht auf Verluste die Proteste beenden lassen wird. Und er hat die Protestler als Terroristen bezeichnet. Am späten Abend in Istanbul wurde dann die Bewegung niedergeknüppelt. Tränengas, Wasserwerfer und die geballte Macht von Polizei und Armee (soweit ich es gesehen habe) wurden eingesetzt. Auch unbeteiligte Berichterstatter wurden teilweise behindert oder verletzt.
Diese Dinge haben Sie sicherlich inzwischen aus den Nachrichten entnommen. Das ZDF zum Beispiel hat mit Ulrich Gack live vom Taksim-Platz berichtet. Und es gibt Bilder im Internet, die zeigen, dass Wasserwerfer direkt auf Einzelpersonen gehalten wurden oder dass Rauchbomben und Tränengas in geschlossenen Räumen eingesetzt wurden.
Aber wieso diese schlimme Gewalt gegen das eigene Volk? Hier gibt uns „Die schreibende Chilischote“ eine mögliche Erklärung: Die Autorin schreibt in ihrem Blog, dass es doch ganz sicher nicht mehr um den Gezi-Park geht, sondern um viel mehr. Sie meint, dass es um Menschenrechte und Freiheit geht, und dass die Bürger gegen Erdogan kämpfen.
Das Ausmaß der Aktion, die gegen die Protestler gestern losgetreten wurde und die eigentlich die ganze Nacht andauerte, ist in einem zweiseitigen Artikel in der ZEIT dokumentiert. Und ich finde, so geht man nicht mit seinem Volk um. Daher darf sich Erdogan auch nicht wundern, wenn er jetzt plötzlich von außen her in die Rolle des Terroristen gesteckt wird.
Was sagen Sie zu den unbegreiflichen Zuständen in Istanbul? Da die Türkei ein sehr beliebtes Urlaubsziel ist, denken Sie, dass dies Auswirkungen auf Buchungen haben könnte? Können Sie die Regierung Erdogan in irgendeiner Weise verstehen?