Das europäische Glyphosat-Dilemma

Die Europäische Union und die in der Diskussion verhedderte deutsche Politik befinden sich in einem Dilemma. Glyphosat wurde weiter genehmigt. Und jetzt? Jetzt gibt es a) erneute Proteste oder so etwas und b) einen enormen Vertrauensbruch innerhalb der zusammen gemahnten Koalitionsverhandler von Union und SPD. Mittendrin stehen die Verbraucher, die Landwirte und – wir dürfen es ja nicht vergessen – die Tier- und Pflanzenwelt. Ein schönes Durcheinander, was da passiert ist.

Erfolg für die Pestizid-Lobby

28 Mitgliedsländer der Europäischen Union stimmten gestern darüber ab, um wie viele Jahre man den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat verlängert. Ein Verbot oder eine Vereinbarung zum Auslaufen war undenkbar. Denn die Industrie stand schon mit der Advokaten-Armada in den Startlöchern. Also hat man darüber gestritten, ob Glyphosat nun für 3 oder für 10 Jahre mehr erlaubt wird. Am Ende kamen 5 Jahre heraus. Die Pestizid-Lobby aus Chemiekonzernen und der Landwirtschaftsindustrie hatte also großen Erfolg.

Das Ganze hat allerdings einen Haken. Ja, Glyphosat ist wirksam. Es bekämpft zuverlässig Unkraut. Und ob es wirklich krebserregend ist, ist nicht klar. Allerdings werden neben dem Unkraut auch alle nicht manipulierten Nutzpflanzen bekämpft. Hier spielt es für mich keine Rolle, dass es auf die Dosis ankommt. Glyphosat ist einfach mal so gestrickt, dass alle Pflanzen ausgelöscht werden. Wo es man es versprüht, wächst nichts mehr. Es sei denn, die Nutzpflanzen werden genmanipuliert.

Und es gibt noch einen weiteren Haken: Insekten und damit viele Vögel verlieren ihre Lebensgrundlage. Und wir wundern uns, wieso vier von fünf Insekten in Sachsen einfach weg sind. Jaja, ich weiß schon: Für das Insektensterben sind Insektizide verantwortlich, nicht das Glyphosat. Wenn aber keine nicht manipulierten Pflanzen mehr da sind, wovon sollen sich die Tiere ernähren? In dem eben verlinkten Artikel finden wir folgendes Zitat:

In Sachsen sind aktuell 1275 Insektenarten für die Rote Liste bearbeitet, von denen 98 ausgestorben und 122 vom Aussterben bedroht sind.

Mich würde es nicht wundern, wenn diverse Unkrautvernichter dafür mit verantwortlich sind. Und mich würde es noch viel weniger wundern, wenn die hauptsächliche Ursache der Einsatz von Glyphosat ist.

Uneinigkeit in der Politik

Und jetzt stellen wir uns einfach mal vor, unter den 28 EU-Staaten, die über die Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat abgestimmt haben, ist auch Deutschland. Ja, Deutschland hat momentan „nur“ eine geschäftsführende Bundesregierung. Aber deren Parteien sind ja zu Koalitionsverhandlungen verdammt. Nun kam der Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (CSU) auf die Idee, die Verlängerung für eine gute Idee zu halten. Das fand Bundesumweltministerin Hendricks (SPD) alles andere als gut, weil man sich halt erst anders abgesprochen hatte.

Am Ende bediente Schmidt dann die Interessen der Verbände und nicht der Verbraucher und erst recht nicht der Umwelt. Klar, Fliegen haben nun mal keine Lobby. Die Bayer AG allerdings schon. Die will ja nach wie vor Monsanto übernehmen, das mit 24000 Mitarbeitern einer der größten Agrotechnik-Konzerne der Welt ist. Monsanto produziert gentechnisch verändertes Saatgut, Herbizide und halt unter anderem auch Glyphosat, was der Konzern als „Roundup“ verkauft. Witzigerweise heißt „Roundup“ übersetzt einerseits Zusammenfassung, andererseits aber eben auch Aushebung.

Schmidt hat sich gar nicht die Mühe gemacht, die Lobby-Interessen zu verschleiern. Das ist Klientelpolitik der ganz dreisten Art. Ich kann verstehen, dass die Landwirtschaft wirkungsvoll Unkraut bekämpfen muss. Die Alternative, so sagt man, bestünde im Einsatz verschiedener Mittel und dem Austrag mit Traktoren, die viel öfter fahren müssten und damit die Umwelt noch stärker belasten würden. So wirklich gut kann einem diese Alternative auch nicht gefallen. Der Streit in der Politik zwischen CSU und SPD ist damit ähnlich dem Streit über das Für und Wider von Glyphosat.

Wie geht es nun weiter?

Nun ja, Glyphosat wird erstmal weiter versprüht. Da muss man kein großer Experte sein. Ich glaube auch, dass die allumfassende Bekämpfung jeglichen Lebens, das neben den Nutzpflanzen gedeiht, nicht sonderlich nachhaltig ist. Es gibt genügend Experten, die davor warnen, dass sich das Insektensterben rächen könnte. Wohin soll das noch führen? Sterben uns die Insekten weg, fällt deren Funktion der natürlichen Schädlingsbekämpfung, der Bestäubung, der Bodenauflockerung und so weiter einfach mal weg. Wie will dann die industrielle Landwirtschaft reagieren? Mit noch mehr Pestiziden?

Das Alles sieht Landwirtsschaftsminister Schmidt als gute Sache an. Klar, die derzeit absehbaren Alternativen sind nicht besser, wenn man dadurch die Umwelt noch mehr belasten wird. Am Ende geht es darum, nicht nur irgendeine Dosis festzulegen, die man wahrscheinlich nicht wirklich gut kontrollieren wird. Es geht darum, wie man es hinbekommt, dass ökologischer und nachhaltiger die Landwirtschaft betrieben werden kann und auf Lobby-Interessen verzichtet werden kann.

Ich habe schon des öfteren von dem Mechanismus gelesen, wenn die Insekten sterben, stirbt der Mensch. Wenn man hier nicht allmählich umdenkt, wird irgendwas in diese Richtung wohl passieren. Dann nützen die Profite den Managern der Agrar-Konzerne auch nichts mehr. Von daher kann ich der Verlängerung der Erlaubnis, Glyphosat einzusetzen, nicht allzu viel gutes abgewinnen.

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