Bloß gut, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrscht

Einigkeit und Recht und Freiheit – ein kühner Gedanke im Deutschlandlied. Aber sind denn all diese Ziele auch wirklich erreicht? Ich zweifle das stark an. Der Sinn des Deutschlandliedes, ein einiges, rechtschaffenes und freiheitliches Land zu gestalten, hat sich nur zum Teil erfüllt. Und ich möchte auch genau erzählen, warum ich das so sehe.

Wir sind ja in diesem, unseren Land gern zu stereotypen Aussagen fähig. Wie schnell sind wir in Deutschland dabei, irgendwen als Spinner abzutun. Ja, ich habe das hier auch bisweilen zelebriert. Aus gutem Grund. Ich habe diverse Verschwörungstheorien gelesen, die nun wirklich nichts mit der Realität zu tun hatten. Aber ist jeder, der irgendwie anders denkt, gleich ein Spinner? Mir ist heute bei Twitter ein Zitat aufgefallen:

Zitat von Franz von Holtzendorff, geteilt durch @rudisagmal
Zitat von Franz von Holtzendorff, geteilt durch @rudisagmal

Dieses Zitat hat was, oder? Ich weiß, dass der predigende Bundespräsident Gauck allerlei komisches Zeug über die Snowden-Sache vom Stapel gelassen hatte. Und ich weiß auch, wie er über PEGIDA und Co. denkt. Er denkt doch allen Ernstes, dass Deutschland eh nicht hinhört und man allen möglichen Zauber verbreiten kann.

Nein, mein lieber Herr Gauck, die PEGIDA-Leute sind nicht alles Spinner. Suspekt bleibt die Bewegung allemal. Aber Spinner sind da nur ein paar darunter. Viele der Demonstranten haben ihre eigenen triftigen Gründe. Klar, es kommt einem so vor, als wüsste der größte Teil gar nicht, mit welchen Leuten sie da montags in Dresden den Schulterschluss vollführen. Aber man kann die Leute dann doch nicht gleich deshalb als Deppen bezeichnen.

Nein, ich halte nichts von solchen Dingen wie der falsche Einsatz von „Wir sind das Volk“ oder der unsinnigen Parole „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“. Und nein, eine Islamisierung – also der Übertritt zum Islam – ist ebenso wenig feststellbar wie Wintermärkte oder ähnliches. Ich habe schon dazu angeregt, dass alles irgendwie eine Frage des Zuhörens ist. Aber wenn nicht mal der predigende Begrüßungsonkel in Bellevue den Demonstranten zuhört, wie soll denn ein Passant die Bewegung als ernsthaft einordnen?

Wer den Menschen nicht zuhört, wie es die deutsche Politik nun einmal gemacht hat, der darf sich nicht über solche Entwicklungen wundern. Denn was die deutsche Politik betrieben hat, ist eine Geringschätzung des Volkes, das die Politiker gewählt hat. Klar, das Wahlvieh war auch so doof, die Kreuze so zu machen, dass eben diese Konstellation herauskam. Auch ein Argument, das man durchaus mal aufgreifen darf. Aber Politik lenkt das Land. Aber das Gefährt transportiert Passagiere, das Volk nämlich. Das Trinkgeld, also die nächste Stimme bei einer Wahl, fällt nur üppig aus, wenn dem Passagier weder zu kalt noch zu warm ist und der Lenker im Gefährt nicht raucht.

Aber das interessiert die deutsche Politik alles irgendwie nicht. Mit nichts anderem sind Entwicklungen wie AFD oder PEGIDA nebst Ableger zu erklären. Und ich habe mich belesen: Aus solchen Protestbewegungen können schnell radikale Bewegungen entstehen und ein ganzes Land mitreißen. Die schlimme Konsequenz wurde dann 1945 endlich besiegt. Und daraus entstand ein „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – ein Zustand, der zu der Zeit völlige Utopie war. Will man das wieder?

Noch einmal, weil ich gerade keinen Vorschlaghammer durchs Internet werfen will:

  • Nicht jeder bei PEGIDA ist rechts. Aber die Bewegung wird rechts geführt.
  • Nicht alle Medien erzählen Unsinn bezüglich PEGIDA, aber viel wird einfach mal nur einseitig berichtet.
  • Die Politik macht nicht einmal den Versuch, auf PEGIDA nebst Ableger zuzugehen. Wie soll man so etwas einschätzen?
  • Eine Islamisierung findet nicht statt, obgleich der Anteil der Zuwanderer (wertfrei, ob Asylsuchender, Flüchtling, Einwanderer) wohl gestiegen sein soll.
  • Und der Islam ist ungleich dem Islamismus.

Das Grundübel ist – ich mag damit langweilen – nach wie vor, dass nicht genügend geredet wird. Zwar werden unzählige Reden geschwungen und übereinander geredet. Aber miteinander reden Politik, Medien und PEGIDA gar nicht. Und so entstehen stereotype Vorurteile und einseitige Berichterstattung, aus denen dann dummerweise eine ganz blöde Meinung entsteht.

Ja, PEGIDA muss nicht sein, vor allem nicht in einer solchen Konstellation. Man kann die Gründe, warum Otto-Normalverbraucher da mitlatscht, nachvollziehen. Man muss sie ja nicht mit unterstützen oder gut finden. Und natürlich sind dort rechtsradikale Anführer dabei. Das lässt sich auch nicht leugnen. Aber man darf nicht weiter den Fehler machen und PEGIDA herabwürdigen.

Zu Beginn ihrer Karriere wurden die Beatles als Spinner bezeichnet. Hitler hatte man zu Beginn als verwirrten Spinner angesehen. Auch Albert Einstein oder auch ein Dieter Bohlen galten immer als Spinner. Mal ganz von Lothar Matthäus abgesehen. Nun PEGIDA? Leute, macht nicht so einen Fehler. Redet mit ihnen, wie es sich gehört. Die haben sicherlich alle – jeder für sich – eine etwas differenzierte Meinung.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Wenn man sein Gegenüber herabwürdigt, wird der nie wieder mit einem reden. Ich glaube, das ist bei PEGIDA passiert. Ich glaube nicht, dass PEGIDA derart berichtenswert geworden wäre, wenn man das Volk als mündig angesehen hätte und vernünftig mit ihnen geredet hätte. Nun hat man das nicht getan und stellt jetzt fest, dass da ein paar angebliche Spinner dummes Zeug über Islamisten erzählen. Ich vertrete hier im Blog die Meinung, dass das gefährlich ist. Aber was weiß ich denn schon?

2 Replies to “Bloß gut, dass in Deutschland Meinungsfreiheit herrscht”

  1. Das war ein sehr sehr gut formulierter Text.
    Nur,
    wieviel Leser sind wir, die wir ihren Blog verfolgen ?
    Immer weniger Leute lesen die Tageszeitung, konsumieren Qualitätsmedien.
    Ist der Zug etwa schon abgefahren?
    Ich glaube auch, Afd und Pediga sind reine Protestbewegungen derjenigen, die stillschweigend (und noch brav!!!) den letzten Versuch unternehmen, wach zu rütteln.

  2. Möchte mich meinem Vorkommentator anschließen. Ich genieße es, bei der Hysterie und dem sonst üblichen „Am besten einfach weiter dumm machen, möglichst umfangreich diffamieren und mit der Nazikeule fuchteln“ – noch einen klar denkenden Menschen erleben zu können. Gibt heuer doch zu wenige von Ihnen. Insofern – Danke!

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