Boulevard of broken dreams – Die Leipziger Karli wird umgebaut

Gleich mal vornweg: Die Leipziger Karl-Liebknecht-Straße, also die Karli, und die amerikanischen Rocker “Green Day” haben nicht viel gemeinsam. Und die zerbrochenen Träume sind die Träume der letzten gefühlten 20 Jahre. Gestern wurde der Leipziger Prachtstraße ein Umbau verordnet, der wohl wieder zerbrochene Träume bringen wird.

In einer langen Sitzung im Leipziger Stadtrat wurde gemauschelt und verhandelt, bis man sich auf einen Vorschlag einigen konnte. Mit diesem Vorschlag wird es möglich werden, aus einem maroden, vergammelten und brüchigen Teil der bedeutendsten Ausfallstraße aus Leipzig in Richtung Süden einen Prachtboulevard zu bauen. Man beglückwünschte sich und überhäufte sich mit Danksagungen und allem. Wenn man sich das alles so ansieht, könnte man denken, man habe den Stein der Weisen gefunden. Aber ist dies wirklich so?

Um diesen Teil der Karli geht es:

Auf dem Teil der Karli fahren Straßenbahnen nur im Schrittempo. Ortskundige wissen: Dort sind Gleise und Fahrbahn kaputt, und es muss dringend saniert werden. Und dementsprechend wurden Vorschläge diskutiert.

In Anbetracht der knappen Haushaltssituation der Stadt (man hat ja immernoch mit dem Mammutbau Citytunnel zu tun) musste eine Lösung her, die zwar die Straße wieder zu einem Prachtboulevard macht, aber die Kosten nicht explodieren lässt.

Nun wurde die Lösung einhellig akzeptiert:

  • Breite Fußwege mit Baumbepflanzungen
  • Separater Gleiskörper für die Straßenbahn
  • Radfahrstreifen und Parktaschen

Angeblich können alle Beteiligten mit dieser Lösung gut leben. Und somit kommt es jetzt zu Planungen und zum Planfeststellungsverfahren. Ab 2014 soll dann die Karli nicht mehr die alte sein. Sie soll dann wieder dem Bild des Prachtboulevards entsprechen.

Allerdings muss man sagen, dass die Karli mit diesem Umbau auch die Identität verlieren wird. Man erinnert an Grabenkämpfe zwischen Linksradikalen und Rechtsradikalen, an Verkehrschaos, an Lärm, an ein Flair, wie es nur eine typische Kneipenmeile haben kann. Letzteres will man zwar auf Teufel-komm-raus bewahren. Trotzdem sollte jedem klar sein, dass dieser nördliche Teil, um den es geht, dann komplett gentrifiziert ist und zu den zugezogenen Yuppies der Südvorstadt und nicht mehr zum alternativen Kulturkreis der „NaTo“ gehört.

Die Proteste werden nicht lange auf sich warten lassen. Jedem ist zwar klar, dass an der Straße dringend gebaut werden muss. Nur kann sich keiner mit diesem boulevardesken Entwurf anfreunden, der im Stadtrat nun das Rennen gemacht hat. Ob dann die Löffelfamilie oder das Fischer-Art-Haus noch genauso gut wirken wie jetzt, steht in den Sternen. Die Karli hat ihr eigenes Flair, das im Bestand bedroht ist. Ich bin mir nicht sicher, ob das in jedem Fall so gut geht.

Die Varianten, um die es geht, wurden in einem PDF veröffentlicht, sodass jeder, der dafür Interesse hat, nachschauen kann, wie die Karli umgestaltet werden soll. Baubürgermeister Martin zur Nedden setzt nun auf eine rege Bürgerbeteiligung. Die Bürgerbeteiligung hat laut Linken-Stadtrat Jens Herrmann die Entscheider auch auf Trab gehalten, bis es zur Entscheidung kam.

Etwas irreführend ist die Einlassung vom Grünen-Stadtrat Roland Quester, der die Karli als identitätsstiftend bezeichnet hat. Das konnte man aber über die Karli nie sagen. Sie war immer schon eine zentrale Straße. Aber zur Identität hat sie selbstverständlich nicht beigetragen. Das belegen auch diverse Kommentare.

Nun harren wir mal der Dinge, die da kommen werden. Ich persönlich glaube nicht daran, dass die Arbeiten schon Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein werden. Ich denke, der Leipziger Südraum wird sich an 2 bis 3 Jahre Baustelle Karli einrichten müssen. Ich hoffe nur, dass dies nicht nur teuer, sondern stilbildend vonstatten geht. Sonst läuft die Karli Gefahr, nicht mehr der zentrale Boulevard für die Südvorstadt und für Connewitz zu sein.

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